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Nicht nur Marmor, Stein und Eisen bricht...

jbk

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17.06.2003
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Nicht nur Marmor, Stein und Eisen bricht...

Von sim, gepostet am 29.02.2004
• Eisen
• Frau
• Toilette
• Karneval
• Frieden

Auf den Straßen lagen noch Konfetti und Luftschlangen oder eher, was nach dem Regen von dem bunten Papier noch übrig geblieben war. Die Papierpampe klebte Ursula an den Schuhen.
Sie war glücklich. Nicht, weil die närrischen Tage nun vorbei waren, wieder Ruhe und Ordnung in der Stadt herrschte, nein: die Eisenstange in der Brust ihres Exmannes war der Grund für ihr Lächeln.

Noch vor einer Woche war sie mit Manfred verheiratet. Sie führten die Art von Ehe, wo der eine arbeitet, der andere sich um den Haushalt kümmert, man sich abends vor dem Fernseher setzt und zweimal im Jahr Sex hat.
Ursula hatte sich mehr erhofft. Als sie damals mit 20 heiratete, glaubte sie das Glück auf Erden gefunden zu haben.
Sie hatten sich im „Fulminant“, einer angesagten Bar kennen gelernt. Er hatte sie auf einen Cocktail, Sex on the Beach, eingeladen und mit ihr einen Abend voller Humor und sinnlicher Doppeldeutigkeiten verbracht. Als er zum Abschluss seine weichen Lippen küsste, war es um sie geschehen. Der Märchenprinz war in ihr Leben getreten, etwas, dass sie sich nie hätte vorstellen können. Sie war immer bodenständig gewesen, kam aus einfachen Verhältnissen: ihr Vater arbeitete in einer Fabrik, die Mutter war bei einem Autounfall gestorben, als Ursula zwölf Jahre alt war. Seither hatte sie ihren Vater nie wieder lachen gesehen. Er hatte zwar nicht zu trinken angefangen, aber die Melancholie lag schwer auf seinem Gesicht, als ertränke er sich stets in Selbstvorwürfen.
Seit dieser Zeit suchte sie fröhliche Menschen, Menschen, die lachten, die Freude am Leben hatten, die keine dunklen Zeiten erlebt hatten oder diese wenigstens in den guten Zeiten verbergen konnten. Manfred war ihr gleich sympathisch gewesen. Durch seine Art war sie auf ihn aufmerksam geworden und durch sein freundliches Wesen, wie er sie beim ersten Treffen angeschaut hatte, so überrascht und staunend und glücklich, hatte er ihr Herz in einem Augenblick erobert.

Das war vor 15 Jahren.
Ein vergilbtes Bild an der Wand erinnerte noch an diesen schönsten Moment in ihren Leben. Wie lange Manfred es nicht mehr angeschaut, geschweige denn betrachtet hat, konnte sie an seiner lustlosen Art erkennen, wenn sie im Raum war.
Anfangs hatte sie noch gedacht: „Er ist müde von der Arbeit, braucht seine Ruhe.“
Mit der Zeit fragte sie sich dann: „Liegt es an mir?“
Und schließlich kam sie zu der Erkenntnis: „Eigentlich bin ich wie Luft für ihn.“
Ihre Ehe befand sich auf dem Tiefpunkt. Ursula litt unter seiner Teilnahmslosigkeit, unter seiner gleichgültigen Art ihr gegenüber.
Nicht mal mehr ein „Hallo“ hörte sie, wenn er von der Arbeit wiederkam.
Gegessen hatte er angeblich, wie immer, schon außerhalb.
Sie fühlte sich schuldig. Dann nutzlos. Dann hintergangen. Verletzt. Missachtet. Hasserfüllt.
Ob er eine andere Freundin hätte? – Schweigen. Nur der Kommentator im Fernsehen rief „Tooor für Deutschland!“

Sie hatte es satt: „Ich feire heute Karneval. Bleib du doch hier im Siff!“
Nicht mal eines Blickes würdigte er sie.
Ursula ließ die Tür knallen.
Sie fuhr zu einer Freundin. Sie war über die Jahre hinweg ihre seelische Stütze gewesen. Ohne Silvia wäre sie wahrscheinlich verrückt geworden. Mit ihr aber konnte sie reden. Silvia verstand sie. Und sie verstand Silvia. Schicksale verbinden.

Sie fuhren ins „Fulminant“. Hier tobte die Party, hier traf sich die 70er Generation.
Sie setzten sich an einen der Tische und bestellten sich Cuba-Libre.
„So kann das nicht weiter gehen“, meinte Silvia. „Ich mein, du bist eine attraktive Frau und erst 35 Jahre. Du hast das Leben noch vor dir. Vergiss ihn einfach.“
„So einfach ist das alles nicht…“ Aber Silvia unterbrach.
„Quatsch! Wie oft höre ich Menschen sagen, dass sie sich nicht ändern können. Und wie oft sehe ich sie unglücklich darüber. Zweifel und Angst – und all das wegen Manfred?“
„Du weißt es doch selbst“, meinte Ursula. „Du kennst das doch. Ist es mit Alfred nicht ähnlich?“
Der Kellner brachte die Cocktails.
„He“, fragte Silvia ihn, „würden sie, wenn sie die einmalige Gelegenheit dazu hätten, ihrem Leben eine neue Richtung geben?“
„Wie meinen Sie das?“, fragte der Kellner zurück.
„So, wie ich’s sage. Einfach mal was Neues machen, ohne über Folgen nachzudenken.“
„Würde das nicht jeder gerne mal?“
„Also ja?“
„Ja!“, antwortete der Kellner.
„Noch zwei Bloddy Marry bitte.“
„Kommt sofort.“

Als Ursula früh am Morgen nach Hause kam, fand sie Manfred auf der Couch. Mal wieder war er vor dem Fernseher eingeschlafen. Sie hatte lange über Silvias Worte nachgedacht, aber letztlich hatte sie recht. Letztlich war es der beste Ratschlag einer guten Freundin.
Sie zog seine Hose hinunter und liebkoste sein Glied. „Ein letztes Mal“, dachte sie.
Danach stellte sich Ursula über ihn und weckte ihn mit einem Tritt ins Genital auf.
Die spitze Eisenstange durchbohrte seine Brust.
Das letzte, was er sah, war Ursulas Blick.
„Endlich“, dachte sie triumphierend, „endlich hat er mich mal wieder angeschaut.“
Sie ging auf die Toilette und wusch sich anschließend das Blut aus dem Gesicht.
Er hatte seinen Frieden gefunden.
Und sie auch.
Sie schloss die Tür, leise, damit niemand aufwachte, und ging auf die Straße.

 

Hi jbk,

eine trübselige Geschichte aus dem Leben einer gefrusteten Frau. Leider fehlen für meinen Geschmack zu viele Hintergründe, als dass man wirklich mit ihr fühlen könnte.
Du bleibst zu sehr an der Oberfläche, zu sehr bei dem Klischee der armen Hausfrau, deren Mann sich nur noch für Chips und Fußball interessiert, anstatt mit ihr in die Kiste zu springen.
Anstatt zu hoffen, dass sie damit durch kommt, wie man es sicher täte, wenn die Tat aus einer tiefen Verzweiflung und Demütigung heraus geschehen wäre, bleibt bei mir eher der Gedanke: "Hoffentlich erwischen die Bullen sie." Deine Protagonistin ist keine Sympathieträgerin, da sie zu eindimensional beschrieben ist. Mach mehr draus aus der Story, dann kommt sie auch tiefer im Leser an!

Zwei Fehler hab ich noch gefunden:

Als er zum Abschluss seine weichen Lippen küsste, war es um sie geschehen.
Er küsst seine eigenen Lippen?!
„Noch zwei Bloody Marry bitte.“

Die eingebauten Wörter würde ich nicht hervorheben, da man sie dann automatisch betont liest - und zudem ist ein Kriterium für gute Umsetzung in der Wöerterbörse, ob die vorgegebenen Wörter dem Leser ins Auge stechen oder sich harmonisch in den Text einfügen. Wenn sie fett gedruckt sind, hat man keine Chance, darauf zu achten, da sie einem ja eh ins Auge springen.

Lieben Gruß

chaosqueen

 

Hallo jbk,

als Urheber der inspirierenden Wörter melde ich mich natürlich gern auch zu Wort.
Irgendwie fand ich es spannend, denn wenn man daüber nachdenkt, welche Wörter man nimmt, ist man glaube ich immer bemüht, eine möglichst fiese Kombination zu ersinnen. Jedenfalls mir geht es so.
Du hast daraus eine einleuchtenden Plot zusammengesetzt, und die Wörter gut eingebaut. Allerdings habe ich das Gefühl, so ganz ernst hast du die Geschichte selber nicht genommen. Dazu fehlt es wirklich zu sehr daran, langsam zu dem Mord hingeführt zu werden. Es wären noch viel zu viele weniger blutrünstige Alternativen für deine Protagonistin denkbar, als dass die Tat einleuchten würde, nicht mal im Karneval. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Oops, hab ich doch glatt das Reply übersehen:

War mein erster Versuch in der Wörterbörse und - zugegeben - saß ich einen halben Nachmittag an der Geschichte.
Da sie aber im Grundsatz ganz gut ankommt und die "fiese Kombination" einen Anreiz darstellte, der mich interessierte, werde ich beizeiten die Story überarbeiten.

G
Jan

 

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