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Nobody Fucks with the Jesus
Have you ever had a dream, Neo, that you were so sure, it was real?
What if you were unable to awake from that dream?
How would you know the difference between the dream world... and the real world?
(Matrix)
Nobody fucks with the Jesus.
(The Big Lebowski)
Walther wanderte erschöpft durch die Einöde. Jeder seiner müden Schritte wirbelte Staub auf, der sich zu einer kleinen Wolke formte und erst weit hinter ihm wieder zur Ruhe kam. Seine Schuhe hinterließen lange Reihen tiefer Spuren im Boden. Schweiß rann ihm in breiten Bächen von der Stirn.
Er war alleine, wie immer. Niemand war hier, bis auf Elsa. Elsa war eine Kuh, die ebenso müde hinter ihrem Herrn hertrottete wie er selber. Walther hatte keine Ahnung, wie sie überleben konnte, wovon sie sich ernährte oder warum sie immer noch Milch gab, aber das war ihm egal. Hauptsache, er hatte etwas zu trinken.
Er suchte sich seinen Weg vorbei an den Ruinen. Die Stahlskelette waren die letzten Überbleibsel der Zivilisation. Einst bildeten sie die Gerüste der Wolkenkratzer, aber nach den großen Feuern waren sie nichts mehr, als Mahnmale an eine längst vergangene Zeit, die sich in skurrilen Formen und Winkeln in den Himmel erhoben.
Niemand wußte, was genau passiert ist, aber alles deutete auf einen Atomkrieg hin. Die Explosionen zerstörten die Städte, die Häuser, die Zivilisation. Wenige überlebten. Sie suchten Zuflucht in unterirdischen Städten, die eigentlich nichts weiter waren, als Bunker. So auch Walther, doch er wurde verbannt.
Jeder Insasse bekam eine Banane pro Tag. So hatten sie es damals vereinbart. Walther hatte Hunger und deshalb die Vorräte geplündert. Das war der Grund für seinen Rausschmiß gewesen. Wenige Tage später lief ihm dann diese Kuh zu und seitdem hinter ihm her. Um sicherzugehen, daß sie ihm ja nicht abhaut, führte Walther sie an einem Seil, das er ihr um den Hals gebunden hatte.
Die Sonne näherte sich dem Horizont, es wurde Abend. Walther war sich nicht sicher, ob das überhaupt noch die Sonne war, das Licht wurde durch die dichte Staubschicht gefiltert und mit der Wärme verhielt es sich ebenso. Es wurde auch nicht wirklich dunkler, aber er konnte sehen, wie die Schatten der Stahlruinen länger wurden und somit noch bedrohlicher wirkten.
Walther fror. Er holte einen alten, zerbeulten Blechbecher aus seiner zerschlissenen Jacke und melkte die Kuh. Nach diesem Abendbrot legte er sich auf den harten Boden und sank in einen traumlosen Schlaf.
...
„Eine Kuh? Was für eine hirnverbrannte Scheiße ist das denn?“
„Schreien sie mich nicht an. Ich kann nichts dafür. Es ist sein Traum.“
„Aber alles ist unlogisch. Er schwitzt, obwohl es arschkalt ist, er...“
„Zügeln sie ihre Ausdrucksweise! Bitte...“
„Unterbrechen sie mich nicht! Und die Erklärung für seine Situation ist auch absolut bescheuert! Ein Atomkrieg! Wenn die Häuser zerstört wurden, warum leben die Menschen noch? Das ist alles falsch!“
„Die Menschen sind tot...“
„Halten sie die Klappe wenn ich rede! Dieser... dieser ähh, Walther, der hat überlebt und wandert vergnügt durch die verstrahlte Einöde. Und die Kuh... warum eigentlich eine Kuh, verdammt... die lebt auch! Und dann die Sache mit der Staubschicht! So ein Unsinn!“
Der Raum ist dunkel und zugleich hell erleuchtet. Es gibt keinerlei Lichtquelle. Die Wände erstrahlen in reinem Weiß, aber sie geben kein Licht ab. Vor diesem schneeweißen Hintergrund stehen sich die beiden Gestalten gegenüber. Sie erkennen nur ihre Umrisse. Die Gesichtszüge bleiben unsichtbar. Das sorgt dafür, daß die Unterhaltung seltsam emotionslos anmutet.
In der Mitte der weißen Halle steht ein Tisch, auf dem ein menschlicher Körper liegt. Die Drähte, die an ihm angeschlossen sind, sind ebenfalls nur als Schatten zu erkennen. Sie münden in einem Computerterminal, dessen Anzeige hektisch flackert, auch ohne jegliches Licht abzugeben.
„Unsere Kundschaft erwartet nachvollziehbare Filme.“
„Aber es ist ein Traum. Die sind nie nachvollziehbar. Und schon gar nicht wissenschaftlich korrekt.“
„Ach verdammt! Wenn das hier so weitergeht, ziehe ich den Stecker. So eine Scheiße kann man niemandem verkaufen. Niemand will so etwas sehen.“
„Vielleicht haben sie recht. Wir sollten ein wenig eingreifen.“
„Sie sprechen von Manipulation?“
„Das hier ist immerhin Hollywood.“
...
„Wach auf!“
„Was? Wer... wer sind...“
„Halt die Klappe und steh auf!“ Walther öffnete langsam die Augen. Seit Monaten hatte er keinen Menschen mehr gesehen und jetzt stand einer vor ihm und hielt ihm eine Waffe ins Gesicht. Es war eine Steinschleuder. Walther stand auf, immer bemüht, dem Fremden keinen Anlaß zum Schießen zu geben.
„Ist das deine Kuh?“
„Das ist Elsa.“
„Also ja?“
„Ja, verdammt! Das ist meine Kuh!“
Der Fremde zielte mit der Schleuder genau zwischen die Augen seines Gegenübers. „Gib sie mir!“, sagte er.
„Warum?“
„Ich habe eine Steinschleuder und du nicht.“
„Ach, du willst tauschen?“
„Halts Maul verdammt! Ich will die Kuh!“
Plötzlich schien die Zeit stillzustehen. Walther sprang blitzschnell zur Seite, hob im Fallen einen Stein auf und warf ihn in die Richtung des Fremden. Er traf ihn genau zwischen den Beinen und sein Kontrahent fiel wie in Zeitlupe zu Boden. Es sah sehr ästhetisch aus.
„Scheiße tut das weh!“
„Ja, ich weiß.“ Walther näherte sich dem Fremden, der auf dem Boden lag und sich vor Schmerzen wand. Die Schleuder hatte er längst fallengelassen und vergessen. Walther nahm die Waffe in die eine und den improvisierten Zügel der Kuh in die andere Hand und ging seines Weges.
„Hey Mann! Du kannst mich doch nicht hier so liegen lassen! Ich sterbe!“
„Nein, du stirbst nicht. Du wirst nie wieder eine Frau von innen sehen wollen, aber du stirbst nicht“, sagte Walther trocken und ging.
...
„Das war... absolut perfekt!“
„Fanden sie?“
„Ja, verdammt! Das hatte alles! Action, Gewalt und coole Sprüche! Das Publikum liebt solche Filme.“
„Aber der Spruch am Ende, der war... doch...“, sagte die eine Gestalt, verstummte aber recht schnell, als sein Gegenüber sich verächtlich schnaubend wegdrehte.
„Das ist doch scheißegal! Wen interessiert, ob die Sprüche lustig sind. Haben sie The Big Lebowski gesehen? Nobody fucks with the Jesus, das war auch nicht lustig, ist aber zum Kult geworden.“
„Ja, da haben sie sicher recht. Aber das war vor zehn Jahren.“
„Kannst du nicht rechnen, Mann? Wir haben 1995!“
„Das bedeutet ja...“
„Ach scheiß drauf! Das interessiert doch keine Sau! Wir brauchen noch eine Sexszene, fällt mir da ein.“
„Aber wenn er keine Frau träumt?“
„Jeder Mann träumt von Frauen! Sie werden sehen, gleich kommt die Anderson, die Lopez oder zumindest die Spears ins Bild.“
„Müssen wir da nicht wieder Tantiemen zahlen?“
„Ja, aber das holen wir locker wieder rein. Ich habe Hunger, holen sie mir eine Wurst aus dem Kühlschrank.“
...
Walther saß auf der Motorhaube eines verrosteten Opel Vectra und biß herzhaft in die Mettwurst, die er zuvor gefunden hatte. So ging es ihm seit Jahren. Immer, wenn er kurz vor dem Verhungern war, fand er irgendwo durch Zufall eine Mettwurst. Elsa hatte keinen Hunger, zumindest aß sie nichts von der Wurst.
„Könnte ich ein Stück abbekommen?“
„Wer bist du denn?“
„Mein Name ist Pamela Anderson.“
„Erzähl doch keinen Scheiß!“
„Ich kann schwimmen.“
„Das kann meine Oma auch... nein, sie konnte es... glaube ich... ja...“
„Ach, Genug geredet, laß uns ein Kind zeugen.“
„Sex?“
„Nein, eins. Komm, ich will dich!“ Walther ergab sich seinem Schicksal.
...
„Die ist ja nackt.“
„Ja, finden sie das gut?“
„Ich könnte mich damit anfreunden. Übrigens finde ich es bemerkenswert, daß sie Recht hatten, als sie sagten, die Anderson kommt gleich.“
„Ich habe immer Recht.“
...
Das Raumschiff bahnte sich seinen Weg durch die Unendlichkeit. Seine zwei Mann starke Besatzung, bestehend aus Käptn Knut und seinem schottischen Hausmeister Erwin, durchsuchten einen unerforschten Sektor nach Lebensformen. Plötzlich öffnete sich direkt vor dem Schiff ein schwarzes Loch, aus dem ein würfelförmiges Raumschiff heraustrat.
„Wir sind die Borg. Widerstand ist zwecklos. Legen sie ihre Waffen nieder, sie werden assi... ami... ach verdammt... es wird auf jeden Fall furchtbar werden!“
Diesem Funkspruch folgte ein grüner Energieblitz, in dessen Folge wiederum das Schiff explodierte.
...
Schweißgebadet wachte Walther auf. Was war das für ein Traum? Borg? Pamela Anderson? Er drehte sich auf die Seite und sah die nackte Frau neben sich liegen. Das war also kein Traum gewesen.
Walther stand auf, nahm Elsas Zügel und verschwand. Er hatte keine Lust auf Frühstück.
...
„Wieso kann der Penner im Traum träumen?“
„Kann er das denn?“
„Ja, diese StarTrek-Scheiße da eben! Was war das denn?“
„Ich weiß es nicht.“
„Er ist der Falsche! Ziehen wir den Stecker.“
„Er stirbt, wenn wir seinen Traum unterbrechen.“
„Das ist nicht sicher! Erinnern sie sich, daß das hier der erste Versuch dieser Art ist.“, sagte die Gestalt und drückte ein paar Knöpfe auf dem Terminal. Der Bildschirm erlosch und der Mann auf dem Tisch hörte zu atmen auf.
...
Schweißgebadet wachte Walther auf. Was war das für ein Traum? Borg? Pamela Anderson? Er drehte sich auf die Seite und sah Elsa, die Kuh neben sich liegen. Da er auch keine Steinschleuder finden konnte, war vermutlich alles ab seinem Kampf mit dem Räuber ein Traum gewesen...
Walther hatte Hunger. Er suchte die Umgebung ab und fand schließlich im Kofferraum eines ausgebrannten Smart eine Mettwurst, in die er gierig hineinbiß. Plötzlich stand Elsa neben ihm. Walther bot ihr etwas zu essen an, in der Hoffnung, sie würde wie immer ablehnen, aber zu seiner Verwunderung schlang sie die Wurst in einem Stück hinunter.
...
Schweißgebadet wachte Walther auf. Was war das für ein Traum? Borg? Pamela Anderson? Er drehte sich auf die Seite und sah die beiden Gestalten, die nach und nach die Elektroden von seinem Körper entfernten.
„Was ist mit meinem Geld?“
„Sie kriegen ihr Geld schon noch, ihr Traum war wirklich hervorragend. Es wird sich verkaufen, wie geschnitten Brot."
„Ja, das glaube ich auch.“, sagte die andere Gestalt. „Sie werden am Ausgang ausbezahlt. Geben sie der Dame einfach diesen Zettel hier.“
„Vielen Dank. Ich werde jetzt gehen.“, sagte Walther und ging. Er trat hinaus in die Welt. Staub bedeckte den Boden und dunkle Wolken hingen am Himmel. Die Stahlskelette der Wolkenkratzer waren nur noch Mahnmale an eine kürzlich vergangene Zeit. Walther band Elsa von dem alten Zaun los und wanderte mit ihr Richtung untergehender Sonne, während irgend jemand „Dead Flowers“ auf seiner Mundharmonika spielte.