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Noch ein Tag

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14.03.2005
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Noch ein Tag

Die Musik von EinsLive riss Peter aus dem Schlaf. Er öffnete die Augen und schaute sich orientierungslos in dem wegen der Rollläden völlig dunklen Raum um. Als seine Augen die leuchtend roten Ziffern des Radioweckers erblickten, musste er mehrmals zwinkern um die Zahlen zu erkennen. Der Wecker zeigte 6:10 Uhr. Noch ein paar Minuten, dachte Peter und ließ sich in die Kissen zurücksinken. Wie schön wäre es, wenn er einfach liegen bleiben könnte. Doch dazu fehlte ihm der Mut und er hatte schon genug Ärger auf der Arbeit. Widerstrebend schlug er die zerwühlte Decke zur Seite und quälte sich aus dem Bett. Er stieß mit seinem Fuß an eine leere Colaflasche, die über das Laminat polterte und unter dem Schreibtisch liegen blieb.
Scheiße, dachte Peter und schaltete das Radio aus. Vorsichtig tapste er weiter in Richtung Tür. Einige Brotkrümel blieben an seinen Fußsohlen kleben.
Ich muss unbedingt die Wohnung mal wieder putzen - aber wann soll ich das alles schaffen. Verzweiflung überkam ihn. Er bekam sein Leben nicht in den Griff, weder bei der Arbeit noch privat und hatte das Gefühl es ihm entgleiten. Selbst auf die einfachsten Aufgaben konnte er sich nicht mehr konzentrieren.
Mir unterlaufen zu viele Fehler, sagte sich Peter, wie schon so oft in den letzten Wochen und nahm sich vor, sein Leben besser zu organisieren. Doch abends nach der Arbeit fühlte er sich zu erschöpft, sein Vorhaben umzusetzen und mit jedem Versuch wuchs das Gefühl ein Versager zu sein.

Das warme Wasser der Dusche prasselte auf sein Gesicht und schien den gehetzten Gesichtsausdruck mit in den Ausguss zu spülen. Er entspannte sich und blieb länger als nötig unter der Dusche stehen, um diesen schwerelosen Moment zu genießen.
Widerwillig stellte er das Wasser ab und zog den mit blaugrauen Möwen und von Kalkflecken übersäten Duschvorhang zur Seite. Sein Blick fiel auf den übervollen Wäschekorb und sofort breitete sich wieder Resignation auf seinem Gesicht aus. Er warf das graue Handtuch zum Stapel. Die Nebelschwaden verzogen sich langsam und der Spiegel gab Peters mutloses Gesicht frei. Zwei gehetzt wirkende, in tiefen Höhlen liegende Augen blickten ihn an. Ein Drei-Tage-Bart spross auf seinen eingefallenen Wangen. Von seinem eigenen Spiegelbild entsetzt schaute er sich im Badezimmer um.
Die Batterien der elektrischen Zahnbürste waren leer und die Liste in seinem Kopf wurde noch länger. Die Wäsche, die leere Shampooflasche, Zahnpastaspritzer am Spiegel, Staub auf der Badezimmerablage, kalkbedeckte Armaturen und mit Fusseln übersäter Boden.
Ist alles nicht so wichtig, dachte er, als er das Licht ausschaltete und die Badezimmertür schloss.

In der Küche setzte er sich an den mit Werbeprospekten und Arbeitsberichten übersäten Tisch. Peter hatte den Überblick verloren und seine Selbstzweifel wuchsen wie die Mängellisten des Marktleiters. Er wusste, dass es unmöglich war, die ganze Arbeit in dem vorgegebenen Zeitraum zu schaffen und trotzdem fühlte er sich, als habe er versagt. Vor ein paar Wochen, als er das Gespräch mit dem Betriebsrat führte, hatte er noch gehofft die Schikanen seines Vorgesetzten würden bald ein Ende haben. Doch nichts hatte sich geändert. Unter den ganzen Blättern suchte er nach den Zigaretten und dem Aschenbecher.
"Rauchen fügt ihnen und den Menschen in ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu" stand schwarz umrandet auf der Schachtel. Peter zuckte gleichgültig mit den Schultern und zündete sich eine an. Er sog den Rauch tief ein und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Dann begann er lustlos die Arbeitsunterlagen zu sortieren und steckte sie in die Innentasche seiner über dem Stuhl hängenden Jacke.
So kann ich sie wenigstens nicht vergessen dachte er, als er sich eine weitere Zigarette anzündete.

Mit einiger Mühe schaffte er es aus den abgerissenen Schnürsenkel noch eine Schleife zu binden, bevor er seine speckige Arbeitsjacke anzog und sich auf den Weg zur Arbeit machte.

Im Aufenthaltsraum saßen schon einige Arbeitskollegen und Peter atmete erleichtert auf, als er seinen Chef nicht entdecken konnte. Nach einem kurzen Gruß an die Kollegen verstaute er seine Sachen im Spind und verließ den Raum sofort wieder, um ihren mitleidsvollen Blicken zu entgehen. Von seinen Kollegen hatte er keine Hilfe zu erwarten. Am Büro des Marktleiters schlich er vorbei und versuchte aus den Augenwinkeln heraus zu erkennen, ob der Chef schon da war. Der Stuhl war leer.
Wenn ich Glück habe, ist er heute vielleicht gar nicht da, dachte Peter und genoss die Vorstellung einen ruhigen Tag zu haben.

Nach einer Stunde ertönt aus dem Lautsprecher:
"Herr Brenter bitte ins Marktleiterbüro!"
Peter zuckte zusammen. Auf seiner Stirn bildete sich kalter Schweiß und er spürte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Mit jedem Schritt, den er der Bürotür näher kam, beschleunigte sich sein Herzschlag. Fieberhaft überlegte er, ob er irgend etwas vergessen oder eine Arbeit übersehen hatte. Auch dass ihm nichts einfiel beruhigte ihn nicht. Sein ganzer Körper war angespannt als er vor der Bürotür stand und zaghaft klopfte. Das gedämpfte "Herein" nahm er kaum noch war.

Er öffnete die Tür und überblickte schnell das Büro. Der Marktleiter war nicht da, doch der kurze Hoffnungschimmer erstarb, als er den Gebietsleiter, Herrn Einemann, sah. Jetzt wird es ernst fuhr es ihm durch den Kopf, als er sich marionettenhaft auf einen Stuhl sinken ließ.
„Wir haben ihre Beschwerde beim Betriebsrat sehr ernst genommen und sind allen Verweisen und Abmahnungen, die ihnen Herr Schmitz seit ihrem Krankenschein erteilt hat, nachgegangen.“ Der Gebietsleiter warf dem Stellvertreter einen kurzen Blick zu: „Wie mir Herr Müller bestätigt hat, fühlte sich Herr Schmitz durch diesen Krankenschein persönlich gekränkt.“
Peter war völlig verwirrt. Das war der Grund für die wochenlangen Schikanen?
„Wir haben Herrn Schmitz beurlaubt und er wird das Unternehmen verlassen. Herr Müller wird sein Nachfolger....“
Am liebsten wäre Peter vor Freude aufgesprungen, doch er beherrschte sich und nur ein zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

Zwei Tage später.
Die Musik von EinsLive zieht Peter aus seinen Träumen. Er steigt aus dem Bett und an seinen Fußsohlen spürt Peter die angenehme Kühle des glatten Laminat. Als er in das aufgeräumte und geputzte Badezimmer, kommt fällt sein Blick zuerst auf den mit blauen Delphinen verzierten Duschvorhang. Der Wäschekorb ist leer und die Wäsche hängt zum Trocknen im Keller.
In der Küche liegt eine neue Tischdecke auf dem Tisch und der Aschenbecher ist sauber. Für den Abend hatte Peter einige Freunde zu sich eingeladen.
Heute Abend werde ich ihnen erzählen, dass mein Chef entlassen worden ist, wegen Mobbing, denkt Peter zufrieden, als er dem Zwitschern der Vögel vor dem offenen Fenster zuhört.

 

Hallo Josch,

herzlich Willkommen hier :)

Deine Geschichte hat ein spannendes Thema und ist sprachlich ganz ordentlich umgesetzt. Die Überforderung Peters hast du anschaulich geschildert - wie ich finde allerdings ein bißchen zu ausführlich, zu detailliert, so dass es mir irgendwann ein wenig breitgetreten vorkam. Ein bißchen gefehlt hat mir die eigentliche Handlung. Interessanterweise hast du exakt die Stelle, an der was passiert, nicht erzählt. Wie ist es dazu gekommen, dass der Chef wegen Mobbing gehen muss? Hat Peter etwas dazu beigetragen, wie auch immer? Das hätte mich wirklich interessiert. Das wäre deinem Prot auch zu wünschen, dass er aktiv etwas zur Änderung seiner Situation beigetragen und sich nicht nur in seinem Selbstmitleid geahlt hat. Allerdings habe ich auch den Mobbing-Vorwurf nicht wirklich verstanden, da du das vorher nicht erwähnt hast. Oder hat Peter die Geschichte etwa nur erfunden?

Kleinigkeiten:

Die Morgenmelodie von WDR4 riss Peter aus dem Schlaf.
Welcher 32-jährige hört WDR 4? :D
Von seinen eigenen Spiegelbild entsetzt schaute er sich im Badezimmer um.
seinem
Nach einer Stunde ertönt aus dem Lautsprecher
Hier bist du versehentlich in die Gegenwart gerutscht.

Liebe Grüße
Juschi

P.S.: Kann es sein, dass wir uns nur durch zwei Vokale unterscheiden? ;)

 

Hallo Josch,

so plastisch du auch Peters Überforderung geschildert hast, so sehr habe ich leider Schwierigkeiten mit deiner Pointe.
Zum einen, weil es, als ich Anfang des Jahres arbeitslos wurde auch meine Reaktion war, auf einmal meine Wohnung im Griff zu haben und in einen Kaudrausch zu verfallen, zum anderen, weil das Mobbing, da du die Geschichte aus Peters Sicht erzählt hast nicht spürbar war. Es ist richtig, dass sich gemobbte häufig wie Versager vorkommen und auch die Angst, dem Vorgesetzten überhaupt zu begegnen gehört dazu. Aber mir fehlten ein bisschen die Hinweise auf Mobbing.

Interessant hätte ich ja gefunden, was in dem Büro tatsächlich passiert, als Peter hereingerufen wird. Wie kommt der Mobbingvorwurf, gab es einen Betriebsrat oder Kollegen, die es gemeldet haben? Hat Peter selber zu seiner Befreiung beigetragen?
Schade, dass du das alles nicht erzählt hast.

Lieben Gruß, sim

 

Hello Josch,
gut erzählt, insbesondere die Stimmung, aber doch ein wenig handlungsarm. Ich habe mich auch gefragt, wo das Mobbing plötzlich herkommt und warum Peter so passiv ist.

'Das geschah so langsam, als wäre sein 32 Jahre alter Körper bereits von schwerer Gicht befallen.' - ein schönes Bild, aber doch etwas schief: Gicht ('Arthritis = Gelenkentzündung) befällt normalerweise nicht den ganzen Körper, sondern fast immer nur das Großzehgelenk oder das Sprunggelenk.

Viele Grüße vom gox

 

Hallo Juschi,

danke fürs Willkommen und Deinen Hinweisen zu meiner Geschichte. Die Kleinigkeiten habe ich geändert. Jetzt hört er EinsLive
:thumbsup:

Ob der Prot zur Änderung seiner Situation etwas beigetragen hat? Keine Ahnung. Die Frage hatte ich mir nicht gestellt. (Aber jetzt) Er ist durch das Mobbing zu einem völlig gleichgültigen Menschen geworden, was ich mit der Beschreibung seiner Lebensverhältnisse darstellen wollte. Ist mir wohl nicht so ganz gelungen. :Pfeif:

Ich werde die Geschichte noch mal überarbeiten. Durch Deine Anregungen habe ich noch einige Ideen :idee: bekommen.

Hallo sim,
Hallo gox,

auch Euch danke für die Hinweise. Ich werde beim Überarbeiten darauf achten, versuchen sie umzusetzen und etwas mehr Handlung einzubauen.

Liebe Grüße
Josch

 

Hallo Josch,

dein Prot tut mir ja schon Leid. Wenn der Alltag einen nicht mehr loslässt und zur Hölle wird, ist das alles andere als schön. Und genau das ist der Punkt. Auch ich hätte gern gewusst, ob dein Prot eine aktive Rolle eingenommen hat oder es einfach nur so etwas wie Glück war. Weiterhin ist mir aufgefallen, dass deiner Geschichte eine Art und dann, und dann, Erzählweise zu Grunde liegt. Vielleicht kannst du den Text in dieser Hinsicht ein wenig runder gestalten.
Besonders zum Schluss hätte ich mir ein, zwei Zeilen mehr gewünscht, die ein wenig Handlung in die Geschichte bringen. So ist es lediglich eine Aufzählung von Situationen, oder Zuständen. Wenn du das noch hinbekommst, wird deine Geschichte sicherlich viel lesenwerter, denn schlecht war sie nicht.

Noch ein wenig Textkram:;

Die Musik von EinsLive / ein Lied aus Carmen
- nichts für ungut, aber reden wir hier von dem gleichen Sender???

Nach einigen Minuten schlug er widerstrebend das Oberbett zur Seite und quälte sich aus dem Bett
- Bett, Bett; sag doch lieber Decke

Wäschekorb und sofort breitet sich wieder Resignation
- breitete

Am Büro des Chef schlich er vorbei und versuchte aus den Augenwinkeln heraus zu erkennen, ob der Chef schon da war
- Chef, Chef

"Herr B. bitte ins Marktleiterbüro!"
- Herr B. ? Ich glaube nicht, dass man so ausgerufen wird ;)

Als er in das aufgeräumte und geputzte Badezimmer, kommt fällt sein Blick zuerst auf den mit
- Badezimmer kommt, fällt

Einen lieben Gruß...
morti

 

Hallo morti,
danke für deine Hinweise. Bei EinsLive reden wir vom selben Sender und das Lied aus Carmen war ein Fehler. Die Wiederholungen habe ich entfernt und einen richtigen Nachnamen hat der Prot jetzt auch.

@Juschi,
@sim,
@gox,
habe eure Anregungen gerne aufgenommen und hoffe die Geschichte ist nun verständlicher. :shy:

Liebe Grüße und schöne Pfingsten
Josch

 

Moin Josch!

Ja doch, Deine Geschichte aus der Berufswelt des Einzelhandels hat mir gefallen. Das liegt vor allem an Deiner unaufgeregten Art zu erzählen, keine vordergründige Effekthascherei, keine aufgesetzte Dramatik.
Du behandelst die Thematik zwar ohne wirklich in die Tiefe zu gehen, allerdings ist dies für die Pointe auch gar nicht so entscheidend. Es ging Dir ja anscheinend nicht darum, die psychischen Auswirkungen von Mobbing am Arbeitsplatz aufzuzeigen, sondern darum, eine unterhaltsame Geschichte zu erzählen.
Und das ist Dir, meiner Meinung nach, gelungen. Stil, Aufbau und Inhalt sind "bodenständig" und bleiben der Intention der Geschichte treu.

Jorgo

 

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