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Nur ein Referat

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19.12.2004
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Nur ein Referat

Ich stand vor einer hellbraunen Holztür. Massiv war sie, makellos. Von ihrer Sorte gab es noch hundert andere, die nächste war zwei Meter weg. Ein langer Gang voller Türen. Und einigen Fenstern dazwischen- sie ließen kühles Tageslicht in diesen Flur. Doch die anderen Türen waren mir egal, sie waren nicht wie meine, meine war mein Beschützer gegen das was dahinter war.
Die Tür war mein Beschützer und gleichsam das Tor zur Hölle. Wäre ich doch weggelaufen...

Ich öffnete sie. Einen Spalt weit- dann stieß ich sie vollends auf.
„Na wird’s denn heut noch was?“, schnarrte eine Stimme, dessen Besitzer ich an der Fensterbank gelehnt ausmachen konnte. Ein Mann um die 50, dick, mit kurzen Haaren und in Jägerkleidung. Jagen war sein Hobby. Sein Gesicht ließ sich nur schwer erkennen- er stand vor einer Fensterfront. Die Sonne war gleich hinter ihm. Eine typische Herbstsonne- kühl und klein und fies- sie blendete mich.
Ich stolperte einen Schritt vorwärts- hinein in den Raum. Das Papier in meiner Hand war schweißnass- dabei sollte doch wenigstens das Papier perfekt sein- wenigstens das. Ich wollte wenigstens etwas Perfektes am Ende hinterlassen- etwas, worauf man stolz sein konnte.

Dieses Papier, beschrieben mit einem perfekten Referat, für das ich zwei- ja zwei Wochen geschuftet hatte. „Die französische Revolution“- ich war ein Experte auf diesem Gebiet. Sämtliche Bücher hatte ich aus der Bibliothek nach Hause geschafft- Stunden im Internet verbracht. Ich wusste ALLES. Ich würde sie beeindrucken- sie fertig machen- sie erschlagen mit meinem Wissen.

„Ja wird’s denn noch was werden? Hat ja lang genug gedauert. Wo haste´s denn wieder vergessen?“, wieder dieser... Mensch.
Ich nahm jedes Körnchen Selbstbewusstsein zusammen, ging einen weiteren Schritt nach vorne und setzte an: „Also, die französische Revolu...“
„Fragen sind wohl zu schwer für dich mh?“
Ich schluckte. Drehte mich ein wenig- hatte nun den Blick auf meine eigentliche Zuhörer. Meine Mitschüler. Mitschüler? Gegenschüler. Gegen mich.
Wenn überhaupt. Sie interessierte mein Referat einen Scheiß. Also mach ich es für ihn- gegen ihn- den Jäger- ihn MUSS es doch interessieren- wieso hat er mir das Referat sonst gegeben.
Ich fing erneut an: „Die französische Revolution... ahm...also die Revolution...“ Meine Hände trieften vor Schweiß.
Das Blut schoss mir in den Kopf. Mein Körper war vor Unsicherheit wie gelähmt.
Ich starrte hilflos in die Gesichter vor mir: Sie wirkten interessiert- jetzt- in der Stunde meiner Niederlage wollten sie sehen wie es weiterging- sie wollten meinen Untergang erleben. Ich war ein billiges Schauspiel.
Ich wollte sie nicht gewinnen lassen. Diesmal nicht. Ich hatte so lang für diesen Moment gekämpft.
Mein Abitur hing mit daran- meine mündliche Note und somit die Zulassung zum Abitur wollte gerettet werden. Zu viele Ansprüche zu erfüllen. Ich wollte durchhalten.

„Bist du jetzt auch noch zu doof zum Sprechen?“ Der Mann schwitzte auch. Auf seiner ekligen Haut waren Schweißperlen zu sehen. Er wurde ungeduldig. Ich kämpfte weiter, versuchte meine Stimme und dieses unkontrollierte Zittern meiner Beine in den Griff zu bekommen: „Die wichtigste Person der frühen französischen Revolution ist...“

Oh nein- bitte nicht, bitte nicht. Blackout. Alles ausradiert. Was will ich hier überhaupt? Fratzen starrten mich an. Jugendliche, die mein Verderben wünschten, wollten, herbeiführen würden. Was habe ich ihnen getan?
„Geht’s hier auch noch weiter oder können wir gehen?“, diesmal nicht der Mann- Tobias war der Erste- doch nicht lange- die Jugendlichen steigerten ihre Stimmen zu einem undurchdringlichen Gewirr aus Nölen, Schimpfen und Krakelen.
Der Mann beruhigte sie- noch richtete sich ihr Genöle gegen ihn- er war schuld, das sie hier sitzen mussten. Ich hatte damit nichts zu tun hatte ihnen nur ihren einzigen Spaß an der Sache genommen: ich schwieg und ihnen wurde langweilig.
Plötzlich rutschen mir die Blätter aus den nassen Fingern und fielen wild durcheinander zu Boden. Ich wurde hektisch, versuchte, alles zusammen zu raffen. Ich kniete auf dem Boden.
„Wie beschissen kann man sich eigentlich anstellen?“, brüllte mein Lehrer.
Schlagartig wurde es totenstill in dem Klassenraum. Ich zuckte zusammen.
Dann noch einmal die Stimme meines Lehrers- diesmal eher amüsiert: „Also auch wenn du vor mir kniest- das rettet deine Note leider auch nicht. Da musste dir wohl was Neues ausdenken.“ Ein Kichern aus den hinteren Bänken. Ein Glucksen aus der Mitte. Ein Lacher von Lukas. Plötzlich ein Meer von grinsenden Gesichtern. Alle lachten. Tränen schossen in meine Augen.
Ich stürzte aus der Klasse.

 

Hallo Poldi,

herzlich Willkommen auf KG.de!

Ehrlich gesagt ist das ungefähr die 100.te Suizid-Geschichte, die ich hier lese - und seltsamerweise sind sie fast alle gleich. Bei der einen Hälfte geht Suizid mit Freiheit einher und bei den anderen mit Qual und Leiden. Bei dir ist ja zweiteres der Fall.

Offensichtlich hat dein Prot. ernste Probleme. Er scheint alle gegen sich zu haben oder wenigstens zu glauben, dass alle gegen ihn sind. Leider ist, die von dir beschriebene Situation, in deutschen Schulen Alltag. Schüler werden fertig gemacht und die Lehrer sehen oft tatenlos zu oder tun, wie in deinem Fall, sogar noch das übrige dazu. Trotzdem finde ich den Selbstmord am Ende übertrieben. Wenn du ihn einbauen willst, dann solltest du das mittels einer Situation tun, die tatsächlich schlimm ist - und nicht mit einer peinlichen Situation, wie sie jeder zweite schon erlebt hat.

Sprachlich fand ich deine Geschichte recht gelungen. Ein paar Anmerkungen habe ich noch:

Und Fenstern- sie ließen kühles Tageslicht in diesen Flur.

Ich kann mir das jetzt nicht richtig vorstellen. Ein Gang der voller Türen ist kann doch nur zwei Fenster am Ende des Ganges haben? Oder wie würde das sonst aussehen?

Doch die anderen Türen waren mir egal, sie waren nicht wie meine Tür, meine Tür war mein Beschützer gegen das was dahinter war.
Die Tür war mein Beschützer und gleichsam die Tür zur Hölle. Wäre ich doch weggelaufen...

Ich weiß nicht, ob du die vielen Wortwiederholungen hier absichtlich verwendet hast. Für mich klingen sie aber unschön!

Auf seiner eckligen Haut waren Schweißperlen zu sehen.

ekligen

Schöne Weihnachten und LG
Bella

 

Hallo Bella,
danke für deine Kritik- du hast Recht- Selbstmord am Ende ist überzogen. Da müssten noch einige Seiten zwischen der Geschichte und ihrem Ende stehen.
Frohe Weihnachten!
POLDI

 

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