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Nur eine kleine Erzählung
Am Anfang der Geschichte steht die Stille. Genauso wie zum Schluss. Dazwischen ist es etwas lauter, aber gesprochen wird nicht. Die Romantiker werden in diesem Teil von der Sprache des Herzens reden. Die Mystiker werden ihn wohl der Telepathie zuordnen. Und die religiös orientierten werden wahrscheinlich an eine gewisse Seelenverwandtschaft denken. Doch am Ende steht die Frage nach dem Wie nicht im Mittelpunkt, sondern vielmehr läuft alles darauf hinaus, dass man sich fragt, warum es geschehen ist. Die besagte Stille am Ende der Erzählung bestätigt die Frage nach dem Warum.
Der Rahmen ist nicht weiter zu beachten, aber vielleicht helfen ein paar beschreibende Worte, um sich die Situation besser vorstellen zu können. Ich befand mich mit meiner damaligen Freundin in unserem gemeinsamen Esszimmer. Unsere Beziehung befand sich zu diesem Zeitpunkt im fünften Jahr. Unser Zusammenwohnen im dritten. Es war Freitag und wir aßen zu Abend. Ich weiß nicht mehr genau was es gab, aber es war warm, denn ich erinnere mich noch daran, wie ich mir die Zunge verbrannte. Ich hatte einen langen und harten Arbeitstag hinter mir und wie so häufig an solchen Tagen schwiegen wir uns an. Nichts war zu hören, bis auf die Eigenheiten unserer Essgewohnheiten. An dieser Stelle beginnt also die eigentliche Geschichte. Stille.
In der Mitte des Tisches stand eine Kerze über die hinweg wir uns ansahen und ihr Licht warf tanzende Schatten auf unsere Gesichter. Ich beobachtete sie, wie sie die Gabel immer wieder zu ihrem Mund führte. Einen Bissen nach dem anderen. Jede Bewegung auf dieselbe Weise ausführend und in diesem Moment glaubte ich sie etwas sagen zu hören. Aber ich sagte ja schon zu Beginn dieser Erzählung, dass nicht gesprochen wurde und wenn ich wiederholen sollte, was ich glaube gehört zu haben, dann könnte ich es nicht, weil es keine Worte waren. Oder es war eine Sprache, die ich nicht verstand. Das Herz? Die Seele? Eingebung?
Ich weiß es nicht. Ich fragte mich nach dieser, nennen wir es einmal Eingebung, warum ich mit einer Frau zusammenlebte, mit der ich nicht sprechen konnte. Ein Gedanke führte daraufhin zum nächsten. Vielleicht von selbst, vielleicht durch weitere Eingebungen. Ich fragte mich also im Licht der Kerze, warum wir uns nichts mehr zu sagen hatten, oder warum ich mein Leben nicht mehr mit ihr teilen konnte. Aber Antworten fand ich keine. Diese wurden mir auch nicht eingegeben. Nur weitere Fragen, welche mit jedem Bissen den sie zu sich nahm neu hinzukamen. Mittlerweile glichen meine Überlegungen einer mathematischen Vorgehensweise. Ich summierte die Fragen zu einem Ganzen und kam zu dem Ergebnis, dass sich alle Fragestellungen auf einen negativen Sachverhalt bezogen. Mathematik hat nichts mit Herz zu tun, sondern mit reiner Logik und so wusste ich auch um die Ehrlichkeit der Bezüge und ich konnte sicher sein, dass sich kein Gefühl mit in meine Überlegungen schlich. Dann wurde es wieder still und damit kommen wir zum Ende meiner Erzählung. Stille.
Ergänzend ist noch zu sagen, dass ich so einen Moment der Klarheit, wie ihn manche auch nennen mögen, nur ein einziges Mal in meinem Leben hatte. Am Tag nach diesem Abendessen trennte sich meine Freundin von mir. Als Grund gab sie an, dass sie langsam im Alltag zu ersticken drohte, und dass sie sich fragte, wie sie ihr Leben weiter mit einem Mann teilen könne, mit dem nicht einmal mehr eine tiefe Unterhaltung möglich sei. Darüber ernsthaft nachgedacht hat sie wohl das erste Mal an besagtem Abend. Und ich glaube, dass sie diese Gedanken beschäftigten, als die Kerze zwischen uns tanzende Schatten auf unsere Gesichter warf. Warum also hat es nicht geklappt? Wir hatten immerhin so etwas wie eine gewisse Seelenverwandtschaft, um es einmalkategorisch zu sagen.
Warum also hat es nicht funktioniert? Eine Frage, die keiner Eingebung folgte, aber auch eine Frage, auf die es am Ende einer Beziehung nie eine ehrliche und zutreffende Antwort gibt. Und damit kleidet sich das Warum in eine Stille, die immer am Schluss einer solchen Erzählung steht.