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Omas 80er Geburtstag

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04.01.2011
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Omas 80er Geburtstag

Schon der Weg zu Oma war mir zuwider. Jetzt nicht weil die Gegend so schlimm war. Nein, obwohl, doch. Schlimm für mich. Es war eine von diesen netten Wohngegenden wo die Leute schon seit 70 Jahren wohnten und jeder ein freundliches Wort für dich übrig hatte, sich dann umdrehte, um mit dem Nachbarn über das eben gehörte schwer zu lästern.
Bis ich acht war, war ich öfter bei Oma zu Besuch. Merkwürdigerweise schien ich mich seitdem nicht groß verändert zu haben. Denn die Leute in der Strasse, die sich übrigens tatsächlich nicht sonderlich verändert hatten, zumindest jene die nicht inzwischen das Zeitliche gesegnet hatten, erkannten mich sofort wieder. Wie groß ich geworden bin, ich dachte daß man das nur als Teenager hört und nicht mehr mit dreißig. Warum ich denn nicht mit dem Wagen da wäre, in meinem Alter müsste man doch ein solides Fahrzeug besitzen und nicht mehr mit dem Fahrrad unterwegs sein. Aha, da fiel ihnen wieder ein wie alt ich sein musste. Und wo meine Frau oder Freundin wäre, ich hätte doch sicherlich eine. Nun ja.
Nach dem Spießrutenlauf in der Nachbarschaft war ich vor Omas Tür angekommen. Nachdem Opa vom Krebs dahingerafft worden war, war ich nur ein paar mal da. Und das immer nur kurz. Was mir Oma nach einem beinahe herzlichen Hallo auch direkt unter die Nase reiben musste. Immer schön lächeln. Das schlimmste kommt schließlich noch.
Oma war sehr verbittert geworden. Ich hatte sie früher sehr gern gehabt aber seit Opas Tod war für sie das Leben eine Aneinanderreihung von Ärgernissen geworden. Sie verspürte keine Freude mehr und konnte sie auch nicht versprühen. Dennoch kam ich fast jedes Jahr wieder zu Ihr. Familie eben.
Ihre Gäste versprühten dasselbe Credo wie Oma. Tante Trude und die etwa hundertjährige Nachbarin mit ihrem fast tauben Mann nahmen zum Kaffee Platz.
Es dauerte nur eine halbe Stunde bis die von mir gefürchtete, fundierte Diskussion langsam in die Gänge kam. Die Regierung… an Allem Schuld. Der Euro, eine fiese Abzocke der braven Bundesbürger. Die Ossis… einfach keine richtigen Deutschen. Nur am meckern und dabei doch alle Vorzüge genießen, die müssten schließlich keinen Soli bezahlen. Meine Intervention, daß das nicht ganz korrekt sei, wurde geflissentlich überhört. Als das Gespräch sich um die schlimme Krankheit von Helga Niemann drehte, die mich früher zweimal angezeigt hatte weil ich angeblich versucht hatte ihr Haus anzuzünden, völlig absurd, ich wollte ihre Garage anzünden, dachte ich, daß das schlimmste Thema vielleicht heute ausfällt.
Doch ich bekam nur eine Galgenfrist von gefühlten fünf Stunden, in der es um Geschwüre, Krebs und künstliche Hüften ging. Und ja, verdammt noch mal, ich war ja froh über meine Jugend.
Dann kams. Von unerwarteter Seite. Der schwerhörige Nachbar verkündete feierlich dass er gehört hatte, daß in das Haus an der Ecke eine Aussiedlerfamilie einziehen würde. Der Startschuss war gefallen. Unglücklicherweise schenkte meine Oma pünktlich in diesem Moment jedem ein Likörchen ein. Das lockerte Zungen und Hemmschwellen. Das würde schlimm werden. Ich bat darum die Flasche am Tisch behalten zu dürfen, ich würde sie sicherlich brauchen. Oma überhörte mich, stellte die Flasche aber glücklicherweise nicht außerhalb meiner Reichweite ab. Sie war schon im Thema. „Das ist nicht in Ordnung. Wir haben direkt nach dem Krieg hier gebaut, genau wie alle anderen. Hier sollen gefälligst ordentliche Leute hinziehen.“ „Ja,“ erwiderte ich „und wie ordentlich könnten Aussiedler wohl sein. Ich meine, die wohnen ja nicht mal im Geburtsland, dass ist jawohl alles andere als ordentlich.“ Im Gedanken hielt ich zusätzlich zu meinem Tonfall ein Schild in der Hand auf dem in großen roten Buchstaben das Wort „Ironie“ geschrieben stand. Komisch, das Schild wurde übersehen. Der Taube nickte mir zu und läutete die zweite Runde ein. Ich war mit dem Schnaps übrigens schon in der Dritten. „Ich hab nix gegen Ausländer. Ich will sie nur nicht hier haben. Ich meine die anderen Türken wohnen doch auch alle in der Ziegelstraße und Umgebung. Was wollen die hier?“ „Genau, da haben die doch auch ihre Geschäfte. Hier wird dann doch wohl nicht auch türkisch gekocht, das riecht doch eher komisch.“ Ich hörte mit halbem Ohr hin, schenkte mir einen Vierten ein und trank „auf die Integration!“ Ein etwas irritierter Seitenblick von meiner Oma war die einzige Reaktion. Der Taube fummelte an seinem Hörgerät rum und tat so als hätte er mich nicht gehört. Trank ich halt allein.
„Woher wissen sie überhaupt dass das eine türkisch stämmige Familie ist?“ hörte ich mich fragen. Der Likör war nicht von Pappe. „Was denn sonst?“ „Doch wohl keine Araber“, befürchtete Tante Trude. „Diese Terroristen ziehen die Großstadt vor“ wusste der taube Cia-Analytiker. „Am Ende sinds noch Neger“ meinte ich. Der Schnaps lockerte meine Zunge. Trotzdem schlug ich meine Befürchtungen in den Wind und genehmigte mir noch einen. „Andererseits würde das ein wenig Farbe in die Gegend bringen, meint ihr nicht auch?“ Ich grinste, aber niemand grinste mit. Das war wohl ne ernste Sache über die man nicht spaßte.
Nachdem die Vorzüge und Nachteile der verschiedensten Nationalitäten und Rassen diskutiert wurden, war ich ziemlich besoffen. Alle Anwesenden hatten offensichtlich Geschichte und Völkerkunde studiert. Puha, die kannten sich wirklich aus. Der Russe ist eher primitiv aber ehrlich, wenn er nicht gerade Alkoholiker ist. Der Asiate wäre sehr höflich, aber die könnten ja alle kein Deutsch. Der Araber würde auf der Straße nett sein, aber im Haus seine Frauen schlagen oder so. Ich kam nicht mehr so richtig mit. Ich schmiss noch die Juden auf dem Markt: „Aber keine Bange, von denen zieht hier keiner hin. Die Frechdachse halten uns immer noch für ausländerfeindlich. Ist das zu fassen?“ Das „Ironie – Schild“ war einer riesigen, überdimensionierten Anzeigetafel gewichen und blinkte in allen erdenklichen Farben: „Vorsicht – Ironie“.
Es wurde still im Raum. Ich schätze mit den Juden hatte ich den Bogen überspannt. Der Taube fummelte wieder am Hörgerät. Es wurde Zeit zu gehen. Ich verabschiedete mich höflich, versprach nächstes Jahr wiederzukommen, dankte Oma für den leckeren Kuchen, der zusammen mit den Likörchen höchstwahrscheinlich ab der nächsten Ecke andere Wege gehen würde als ich, und türmte.

 

Hallo Docschneider77

Willkommen auf kg!

Das Thema, das du gewählt hast, ist interessant, allerdings verfällst du m.E. in Klischees.

Die Rahmenbedingungen einer Geschichte sind erfüllt, jedoch verändert sich keine deiner Figuren wirklich und so bleibt es im Grunde ein Bericht von Oma 80. und keine Geschichte.

Schlimmer noch, die Vorurteile, die in dieser Geschichte eigentlich aufs Korn genommen werden, spiegeln sich in gleicher (und deshalb schlimmerer) Weise beim Prota wider.

Im Einzelnen:

Omas 80er Geburtstag
Den Titel fand ich auf Anhieb nicht gelungen, insbesondere wegen der Zahl darin.

Omas achtzigster Geburtstag.
Als Anfangssatz reißt mich das nicht vom Hocker oder anders, animiert nicht zum Weiterlesen. Besser mit Satz zwei verbinden: Der Weg zu Omas Achtzigsten war mir zuwider.


Jetzt nicht weil die Gegend so schlimm war. Nein, obwohl, doch. Schlimm für mich.
Zu weitschweifig nichtssagend.

Es war eine von diesen netten Wohngegenden wo die Leute schon seit 70 Jahren wohnten und jeder ein freundliches Wort für dich übrig hatte, sich dann umdrehte, um mit dem Nachbarn über das eben gehörte schwer zu lästern.
Hört sich an wie ein Klischee. Richtig vorstellen kann ich es mir nicht.



Bis ich acht war, war ich öfter bei Oma zu Besuch. Merkwürdigerweise schien ich mich seitdem nicht groß verändert zu haben. Denn die Leute in der Strasse, die sich übrigens tatsächlich nicht sonderlich verändert hatten, zumindest jene die nicht inzwischen das Zeitliche gesegnet hatten, erkannten mich sofort wieder.
Klischee. Konkreter wäre besser. Figuren ins Spiel bringen, bis jetzt reine Behauptungen.


Wie groß ich geworden bin, ich dachte daß man das nur als Teenager hört und nicht mehr mit dreißig.
Umständliche Satzstellung; verführt zum zweimal Lesen.

Nachdem Opa vom Krebs dahingerafft worden war, war ich nur ein paar mal da. Und das immer nur kurz. Was mir Oma nach einem beinahe herzlichen Hallo auch direkt unter die Nase reiben musste. Immer schön lächeln. Das schlimmste kommt schließlich noch.
Warum nach Opas Tod nur ein paar Mal? Hätte ich an dieser Stelle gern gewusst.


Oma war sehr verbittert geworden. Ich hatte sie früher sehr gern gehabt aber seit Opas Tod war für sie das Leben eine Aneinanderreihung von Ärgernissen geworden. Sie verspürte keine Freude mehr und konnte sie auch nicht versprühen.
Perspektivwechsel, ein unnötiger m.E.

 

Hallo Adem.
Erst einmal vielen Dank für Deine Zeit die Du investiert hast.

Zu Deinen Anmerkungen.
Stimmt, haufenweise Klischees. Darum geht es ja auch. Alle Prots haben ein plakatives Denken. Der Ich Erzähler in seinen Ansichten über die Oma und ihre Nachbarschaft, deren Beweggründe und Lebensinhalte, die anderen Personen über "Fremde" und die richtige Lebensweise eines Dreißigjährigen.
Ich denke man findet diese Klischees, wenn auch nicht in so geballter Form, überall und mitunter auch bei sich selbst, wieder.

Der Titel ist bestimmt nicht perfekt. Vielleicht fällt mir was stärkeres ein.

"

Als Anfangssatz reißt mich das nicht vom Hocker oder anders, animiert nicht zum Weiterlesen. Besser mit Satz zwei verbinden: Der Weg zu Omas Achtzigsten war mir zuwider.
Finde Deinen Vorschlag sehr gut. Werde ich ändern.

Zitat:
Jetzt nicht weil die Gegend so schlimm war. Nein, obwohl, doch. Schlimm für mich.

Zu weitschweifig nichtssagend.

Der Satz kündigt den Spießrutenlauf des Prots an. Den ich allerdings stark gekürzt hatte.


Zitat:
Es war eine von diesen netten Wohngegenden wo die Leute schon seit 70 Jahren wohnten und jeder ein freundliches Wort für dich übrig hatte, sich dann umdrehte, um mit dem Nachbarn über das eben gehörte schwer zu lästern.

Hört sich an wie ein Klischee. Richtig vorstellen kann ich es mir nicht.

So eine Gegend kenn ich aus meiner eigenen Vergangeheit. Erschreckend wie zutreffend Klischees manchmal sind.

Zitat:
Bis ich acht war, war ich öfter bei Oma zu Besuch. Merkwürdigerweise schien ich mich seitdem nicht groß verändert zu haben. Denn die Leute in der Strasse, die sich übrigens tatsächlich nicht sonderlich verändert hatten, zumindest jene die nicht inzwischen das Zeitliche gesegnet hatten, erkannten mich sofort wieder.

Klischee. Konkreter wäre besser. Figuren ins Spiel bringen, bis jetzt reine Behauptungen.

Wie gesagt hatte ich den Teil extrem gekürzt. Ich halte den Teil für nicht so interessant. Dafür interessant dass Dich womöglich konkrete Personen interessiert hätten.

Zitat:
Nachdem Opa vom Krebs dahingerafft worden war, war ich nur ein paar mal da. Und das immer nur kurz. Was mir Oma nach einem beinahe herzlichen Hallo auch direkt unter die Nase reiben musste. Immer schön lächeln. Das schlimmste kommt schließlich noch.

Warum nach Opas Tod nur ein paar Mal? Hätte ich an dieser Stelle gern gewusst.

Zitat:
Oma war sehr verbittert geworden. Ich hatte sie früher sehr gern gehabt aber seit Opas Tod war für sie das Leben eine Aneinanderreihung von Ärgernissen geworden. Sie verspürte keine Freude mehr und konnte sie auch nicht versprühen.

Perspektivwechsel, ein unnötiger m.E.


Der Grund, warum der Prot nur noch selten zu Besuch kam, wird im 2en Zitat beschrieben.

Nochmal Danke.
VG, Doc.

 

Hallo Doc!

"Der Titel ist bestimmt nicht perfekt." => Schlimmer, der Titel ist grammatisch falsch. Da steht "Omas achtziger Geburtstag".
=> Zahlen sollte man in literarischen Texten ohenhin immer ausschreiben. Dann passieren auch solche blöden Fehler nicht.

Grüße
Chris

 

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