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Orange mit Lautstärke
Ich drehe die Orange leiser. Unglaublich, wie sie mir auf den Wecker geht. Den ganzen Tag redet sie nur. Und zwar ausschließlich Scheiße. Blablabla,...so geht das den ganzen Tag. Ich drehe die Lautstärke auf Eins. Im Halbdunkeln suche ich nach meinem Zwicker. Der hat sich so gut versteckt, dass ich auf allen Vieren herumkriechen muss, um ihn zu finden. Düstere Nebelschwaden versperren mir die Sicht. Eine ausweglose Situation. Ich muss Primarius Dr. Chick N. Fi Ken anrufen, um eine Lösung dafür zu finden. Wo ist der Apparat? Verdammt. Er hängt ihn der Luft. Ich wähle in Machgeschwindigkeit seine Nummer. Der Primarius ist dran. Er rät mir, das Licht lauter zu drehen. Der Primarius ist ein kluger Mann. Darauf wäre ich nie gekommen. Ich tue also, was er sagt. Das Licht drehe ich hinauf bis auf die Elf. So sollte es klappen. Na also, der Zwicker liegt unter dem Bett. So macht man Nägel mit Köpfen.
Gestatten, dass ich mich vorstelle. Schramek, ich besitze eine Fabrik für Klobrillen. Manch einer nennt mich auch „der Heislmann“. Auf einer Beliebtheitsskala der angesehensten Persönlichkeiten des Landes rangiere ich unangefochten auf Platz Eins, und das seit dreißig Jahren. Für 90% der Bevölkerung bin ich „der Heislmann, der alles kann.“ Die restlichen 10%, die mich nicht kannten, habe ich erschossen. Nach Kagran habe ich sie eingeladen und sie auf der Wagramer Straße niedergeballert. Mit Joint und in Schlapfen und mit MG. Danach ging es wieder zurück in die Fabrik, den Auftrag von Scheich Sultan Al-Mad-Eh-Bleh anzunehmen. Er braucht einen Spezialsitz, seine neue Frau wiegt 530kg. Ich soll für ihn eine mörderische Klobrille kreieren, die seine Frau wegtut. „Wie wegtut?“, frage ich am Telefon. „Wegtuen, Ham-Ham-Machen. Egal! Ballaballa!“, ist seine Antwort. So ein bellämerter Typ. Was soll ich mit so einer Antwort? Egal, ich bekomme dreißig Milliarden Geld für den Auftrag und mir wird schon was einfallen. Kreativ soll ich sein, das könnte er auch damit gemeint haben.
So sitze ich nun in meinem Zimmer und möchte nachdenken, und dann spricht immer diese Orange. Nachdem ich sie runtergedreht hatte, dreht sie sich wieder rauf. Ich beginne sie zu würgen. Ja, das macht Sinn. Sie beginnt zu röcheln und ihre Stimme bricht zunehmends. Ich überlege, ob ich ihr noch eine Chance geben oder mir doch ein Glas Orangensaft gönnen soll. Da gibt es nichts lange zu überlegen. Sie landet in der Presse, mit Inbrunst quetsche ich den Saft aus ihr raus und lecke mir nachher die Finger. So stellte ich mir das Leben schon immer vor. Stehend in der Küche, mit Orangensaft am Finger. Schon als kleines Kind wollte ich ausschließlich in der Küche stehen und klebrigen Orangensaft an meinem Finger haben. Durch meine Hartnäckigkeit und Raffinesse habe ich letztlich auch immer das bekommen, was ich wollte. In der Küche stehen und Orangensaft am Finger. Als ich so dastehe in der Küche mit meinem Orangensaft am Finger, beginnt dann die Schale auf einmal zu meckern. Ein Restmeckern sozusagen. Mit kunstvoll ausgeübten Kung-Fu-Tritten befördere ich die Schale flugs nach hinten und sie landet im Maul der Katze. Ja, so kann man es auch machen. Hauptsache, Erfolg!
Ich kippe das Glas Saft runter und setze mich wieder ans Bett. Vielleicht habe ich eine Idee. Und tatsächlich, die Orange bringt mich auf DIE Idee: Da die Frau des Scheichs mit allergrößter Wahrscheinlichkeit Zellulitis hat, könnte ich eine intelligente Klobrille designen, die dies erkennt. Durch ein elektronisches Signal wird das dann an die Klospülung weitergeben, die einen geheimen, sensorgesteuerten Roboterarm mit Presse beherbergt. Dieser wird dann ausgefahren und die Presse von oben über die Frau gestülpt. Die Presse enthält selbstverständlich hocheffektive Mahlzähne aus Metall, und dazu noch ineinander übergreifende Kreissägen und Zahnräder, um die ganze Sache auch wirklich qualitativ hochwertig und sicher zu machen. Die ganze Klokabine ist auch an einen Vakuumabzug angeschlossen, der in Sekundenschnelle alles wieder sauber macht. Genial! Durch diese Erfindung sollte mein Beliebtheitsgrad noch weiter steigen. Das ganze Arabische Volk soll mir danach zu Füßen liegen.
„Schrrrrrrrrammmmmmmekkkkkkkkk“, ertönt da eine Stimme und reisst mich unsanft aus meinen Gedanken. Ach ja, es ist mein Fahrlehrer. Er wohnt nebenan, und ich habe wohl wieder auf die Fahrstunde vergessen. Schon das fünfte Mal! Aber jedes Mal geht es zum Glück gut, der Fahrlehrer erinnert mich immer wieder durch seine schnarrende Stimme daran. Also auf, schnell ins Auto, starten und losfahren. Ich lege den ersten Gang ein und tuckere gemütlich durch die Stadt. Ich habe Elton John auf Tape reingelegt, dazu kann ich nicht schneller als 10km/h fahren. Mein Fahrlehrer meckert. Vergessen, anzuschnallen, auch das noch. Ich drehe mich um, um den Gurt hervorzuholen, steige dabei aber unabsichtlich aufs Gaspedal. Ich bin ja noch nicht so erfahren. Der Wagen beschleunigt auf 80km/h, es gibt zwei laute Knalls, der erste vom Motor, der zweite von einer Kollision mit einem Hydranten. Mein Fahrlehrer ist zwar angeschnallt, sitzt aber so unglücklich, dass sich sein Körper durch die Fliehkraft aus dem Gurt wenden kann. Unbeabsichtigt natürlich, sieht aber trotzdem lustig aus. Er kracht durch die Scheibe und fliegt kopfüber in einen Maronibrater. Dunkle Rauchschwaden steigen auf, Geruch von verbranntem Fleisch liegt in der Luft. Ich bekomme einen Lachkrampf. So etwas passiert wohl nur alle Million Jahre einmal. So, jetzt muss ich aber in die Fabrik. Ich steige aus, und die Polizei ist so freundlich, mich mitzunehmen. Muss sie ja auch, schließlich habe ich alle Klobrillen des Hauptkommissariats entworfen und fabriziert.
In der Fabrik angekommen, haue ich dem Portier zunächst mal eine in die Magengrube. Nur so, um ihn zu erinnern, dass er lebt und für mich arbeitet. „Danke Sir“, krächzt er hervor, während er sich wie ein Wurm auf dem Boden krümmt. Der restliche Arbeitstag verläuft vollkommen normal. Ich beginne die Pläne für die von mir ausgedachte Maschine zu zeichnen und zeige sie den Ingenieuren. Sie sind alle einverstanden. Natürlich, sie wissen ja, was ihnen blüht, wenn sie mir widersprechen. Das letzte Mal war das vor dreißig Jahren, da habe ich meine Erfindung an dem Typen dann selber ausprobiert. Die Arbeiter machen sich auch sogleich unverzüglich ans Werk und erstellen mir die gewünschte Maschine, die ich dann Scheich Sultan Al-Mad-Eh-Bleh per Luftpost schicke.
Nach zwei Tagen erhalte ich dann schließlich einen Anruf von ihm. Er ist hellauf begeistert, die Maschine hat zu seiner vollsten Zufriedenheit funktioniert, und er wird mir die dreißig Milliarden Geld sofort zukommen lassen. Dem noch nicht genug, bin ich im Ranking von Saudi Arabien von Null auf die Dreißig eingestiegen. Dazu kommt noch ein Haufen Interviews mit den feschesten Reporterinnen der Welt. Die musste ich auch alle poppen, trotz meiner schlechten Zähne und zehn Zentimeter langen Fingernägel. Nach einer Woche bin ich auf den Titelblättern der angesagtesten Magazine weltweit, von „Bild“ über „Sun“ bis „Vanity Fair“. Ich bin jetzt die begehrteste Person der Welt. Niemand kann mir mehr was anhaben. Ich baue sogleich mein Imperium aus, in jedem Land der Erde sind mindestens dreißig Filialen von mir. Sogar in der Antarktis ist eine. Neue Regeln stelle ich auf. Zum Beispiel Regel 1001, Paragraph 4: „Wer in die Natur scheißt, wird hingerichtet.“ So einfach läuft das. Und die Leute respektieren das auch. Die wissen ja, dass nur ich weiß, was gut für sie ist. Klobrillen nämlich, in Hülle und Fülle. Je mehr, desto besser. Vor allem, ein Bonuspunkt mehr an gesellschaftlichem Ansehen, für jede überflüssige Klobrille, die sich bei den Leuten zu Hause stapelt. Längst habe ich auch schon meinen genialsten Coup gelandet, die wegwerfbare Klobrille. Absolut unverzichtbar für die totale Hygiene, warum bin ich da nicht schon längst draufgekommen?! Beim Klopapier ist so was ja von vornherein selbstverständlich. Die Klopapierhersteller habe ich in einem Massenhinrichtungsverfahren an die Piranhas im Amazonas verfüttert, um wirklich unbegrenzte Macht auf diesem Sektor zu erlangen. Es hat geklappt.
Nun sonne ich mich auf der Veranda im Brioni, mit meinem schlanken Aal um den Schultern und der Sonnenbrille auf der Halbglatze. Die Sonne brennt vom Himmel herunter und scheint sich in mich verliebt zu haben. Ich lächle aber nur arrogant zurück. Ich weiß, dass ich viel besser bin als die Sonne, deswegen kann sie mich niemals haben. Pech! Der Cocktail auf dem Tisch neben mir ist dreißig Tage alt und stinkt. Ich greife in den Koksbeutel und stopf mir das ganze Zeug in den Mund, die Nase und die Ohren, halte mir dann die Nase zu und ziehe tief ein. Viele wollüstige Kicks treten mir gleichzeitig hintereinander in den Arsch. Und schon wieder diese Orange! Ich habe mir eine neue zugelegt, aber die ist um keinen Deut besser. Sie schwafelt und schwafelt, dass es ein Skandal ist. Ich gehe in den Werkzeugschuppen, hole den größten Hammer, den ich finden kann und schlage auf das Ding ein. Der orange Saft spritzt hoch und vermischt sich mit dem weißen Pulver auf meinem Körper zu einer äußerst interessanten Substanz.
Diese subtropische Hitze spielt doch wirklich alle Stückerln, denke ich mir.