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Osterreise

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16.04.2006
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Osterreise

Die strahlende Frühlingssonne tauchte alles, was draußen vorüberzog – Wälder und Wiesen, die Häuser am Fluß und die steil aufragenden Felswände am jenseitigen Ufer – in ein sanftes und heiteres Licht. Heiter und gelöst, so fühlte auch er sich, voller Freude schaute er durchs Fenster auf die schnell wechselnden Bilder – sein Herz war groß und weit, über allem Schönen sah er sie. Sie, die er treffen würde, in wenigen Stunden – nach langen Wochen des Wartens!

Schon jetzt genoß er jeden Augenblick bis zu ihrem Wiedersehen. Keine Unruhe bedrängte ihn, keine hektische Anspannung lag auf ihm, in freudiger Erwartung und ruhiger Gewißheit fuhr er seinem Ziel entgegen. Er kannte jede Einzelheit der Strecke – beim Betrachten der rasch wechselnden Szenerie verwoben sich in seinen Gedanken Erinnerungen und Erwartungen. Heute würde seine Reise jedoch nicht so lange wie sonst dauern; sie wollten sich auf halbem Wege zwischen den Orten treffen, an denen ein jeder von ihnen sein Leben in den langen Pausen zwischen ihren kurzen Begegnungen lebte. Mit sanfter Gewalt hatte er sie überredet, den Frühling – ihren ersten gemeinsamen – woanders zu begrüßen als dort, in der quirligen Metropole, wo sie sonst die allzu kurzen Stunden ihres Glückes genossen – ein Glück, das ihm noch immer unfaßbar und wundersam schien, jedes Mal erneut.

Der Alltag mit seinen lauten und albernen Forderungen hatte ihn in den letzten Tagen vor der Abreise noch einmal kräftig in die Zange genommen. Dies und jenes hatte geradezu noch nach Erledigung geschrien, als er doch mit allen Sinnen schon bei ihr war. Irgendwie hatte er dennoch einen Weg gefunden, das Notwendige und Unaufschiebbare zu besorgen. Gestern dann schon war alles Drückende und Schwere mit einem Male von ihm abgefallen – ganz in gelöster Ruhe und mit nicht ermattender Kraft hatte er dann alles für die ersehnte Reise vorbereitet und in der Nacht zuvor nur wenig Schlaf gefunden.

Jetzt saß er zufrieden hier, ein frohes Lächeln umspielte seine Lippen, welches sich verstärkte, wenn er draußen etwas Schönes entdeckte. Bisweilen döste er eine Weile vor sich hin, dann wieder las er ein paar Seiten.

Die Sonne stand hoch am Himmel, als er in der kleinen Stadt angelangt war. Nach kurzem Aufenthalt sollte es von hier aus weiter ins Gebirge gehen, in jenen kleinen Ort, wo er für sie Quartier bestellt hatte. Es blieb Zeit genug, ein paar Dinge zu erledigen. Sie würden hinaus in die Natur gehen, den ganzen Tag durch Wälder wandern, Felsplateaus ersteigen, überall anhalten, wo es etwas Schönes zu schauen gab. Er kaufte rasch ein wenig Proviant, Obst und Wein – es war der rechte Ort und wohl die letzte Gelegenheit für solche Besorgungen.

Nun begab er sich dorthin, wo das letzte Stück der Reise beginnen sollte. Hier, so hatte er in Erkundigung gebracht, mußte auch sie – aus der geschäftigen Metropole kommend – Station machen. Er hatte vorgegeben, sie erst am Ziel der Reise zu erwarten. Für sich und insgeheim hatte er jedoch anderes beschlossen. Sie mußte hier ankommen, um nach kurzem Aufenthalt weiterzureisen – das sollte der Moment sein, wo er plötzlich auftauchen würde. Wie freute er sich schon jetzt beim bloßen Gedanken an ihre überraschte Miene!

Doch die Himmlischen hatten anderes vor, die Zeit kam heran und – sie war nicht da! Es wurde für ihn selbst nun Zeit, die Reise fortzusetzen, wollte er rechtzeitig am Ziele anlangen. Die vereitelte Überraschung konnte ihm nichts anhaben. Ruhig und voller Gewißheit, sie bald zu sehen, setzte er seinen Weg fort. Eher steigerte diese unerwartete Wendung noch seine Vorfreude auf ihre baldige Begegnung; er war in solch einer Verfassung innerer Ausgeglichenheit, daß er allem noch etwas Gutes abgewinnen konnte.

Das Quartier war ganz hübsch, Ort und Landschaft sehr malerisch – die waldreiche Umgebung lockte zu gemeinsamen Erkundungen. Er setzte sich und – indem er sich ein Glas Gerstensaft genehmigte - ergriff er von dem Ort Besitz. Wie schön war es, nach nur wenigen Stunden dem Alltag entflohen und hier angekommen zu sein!

Endlich konnte er wenigstens am Telefon ihre Stimme hören – atemlos berichtete sie von Schwierigkeiten bei der Abreise, ihre Ankunft in jener Station hatte sich verzögert, sie würde erst später am Abend hier ankommen. Sogleich beruhigte er sie und sagte ihr etwas wahrscheinlich Zusammenhangloses, was jedoch nichts anderes als der höchst unvollkommene Ausdruck seiner großen Freude war.

Ihre Stimme im Ohr, begab er sich auf das Zimmer, um mit einem Einfallsreichtum, der ihn selbst in Erstaunen versetzte, dem Raum etwas Persönliches zu geben. Schließlich würde dies hier für drei Tage, vor allem aber Nächte, ihr Reich sein. Dann sank er in einen kurzen, aber erholsamen Schlummer – und auch das war gut – würde sie erst hier sein, wollte er sie in aller Frische begrüßen und für alles andere keine Zeit mehr opfern.

Es war schon dunkel, als er der Stelle mitten im Ort zustrebte, wo sie in einer Viertelstunde eintreffen mußte. Schon nach wenigen Stunden fühlte er sich hier in einer seltsamen Art zu Hause. Aber saß da nicht jemand? Und... richtig, sie war es! Schon jetzt? Aber es war nun keine Zeit mehr für derlei müßige Gedanken. Nur dieses Bild von ihr nahm er ganz schnell wahr, und er würde es nicht vergessen. Wie schön war sie – ruhig und voller Vertrauen hatte sie hier auf ihn gewartet, mit der kleinen Tasche für die Reise. Ganz unerwartet nahm sie an diesem Ort und bei dieser Gelegenheit mädchenhafte Züge an, so anders als in ihrer Wohnung in der großen Stadt. Er blickte in ihre dunklen Augen, strich ihr übers Haar und zog sie an sich – alles in ihm jubelte. Er ergriff ihre Hand, nach diesem sprachlosem Augenblick des wechselseitigen Erkennens schritten sie – lachend und in lebhaftes Gespräch vertieft – bergan zum Quartier.

In der Unterkunft legte sie nur kurz ihre Sachen ab. Mit einem einzigen Blick erfaßte sie die Veränderungen, welche er hier bewerkstelligt hatte; in ihren Augen las er ihre Freude und Dankbarkeit darüber. Und wieder einmal bemerkte er die vollkommene Anmut in jeder ihrer Gesten, in ihren beredten Blicken und ihrem Lächeln – wäre Zeit dazu, würde er wohl endlos darüber staunen.

Rasch traten sie hinaus in die Abendkühle, Hand in Hand liefen sie zu einem der nahegelegenen Gasthöfe. Bei gutem Essen und Wein ließen beide den Alltag nun vollends los und genossen jeden Augenblick ihres Zusammenseins. Nichts konnte ihre Freude trüben, auch wenn ihnen in dieser Stunde wohl bewußt war, daß so manches Schwere in ihrem anderen Leben war, das jetzt unausgesprochen blieb.

Zufrieden und glücklich langten sie wieder im Quartier an. Nachdem ihre Seelen im Laufe des Abends schon Gelegenheit gehabt hatten, sich nach der langen Trennung wieder zu berühren, suchten nun auch ihre Körper die lange versagte Nähe. Tastend erkundeten sie immer neue Wege in die große bekannt - unbekannte Weite ihres Fleisches, ihre Lippen berauschten sich an immer neuen Zärtlichkeiten, und auf dieser Reise mit ständiger Änderung von Richtung und Ziel, fanden ihre Körper schließlich zueinander – zärtlich und leidenschaftlich berührten sie einander, bis sie ermattet und befriedigt zugleich, Ruhe ineinander fanden. Im flackernden Schein von Kerzen und unter den Klängen einer göttlichen Musik geriet ihnen die Liebe zu einem glänzenden Fest. Alles war wieder so vertraut, sodaß es es bei allem erhabenen Ernst auch Momente kindlicher Verspieltheit gab - dann lachten sie sich aus vollem Herzen an.

 

Hallo roadrunner!

Auch wenn dein Text hier schon ein halbes Jahr steht: Herzlich willkommen.

Dass dein Text nun gar keine Reaktion hervorgerufen hat, kann ich nicht nachvollziehen, aber so ist es nun manchmal (du hast ja auch niemandes Text kommentiert).

Ja, deine kleine Osterreise ist ruhig erzählt, und das trotz der vielen Gedankenstriche, die du benutzt. Mir ist es sogar zu ruhig, da einerseits ja eigentlich nichts Überraschendes passiert (dein Protagonist hat alles geplant und nur dass seine Angebetete etwas zu spät kommt ... das ist nicht viel), und andererseits erzählst du nur passiv, beschreibst nur. Wenigstens als sie dann zu zweit sind, könntest du ein bisschen näher an deine Figuren rangehen, auch mit Dialog arbeiten - tja, nur ein Vorschlag.

Grüße
Chris

 

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