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Panther

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27.02.2006
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Panther

Der Panther

Es war ein wunderschöner Frühlingsmorgen als ich in den Zug stieg. Der blaue Himmel hatte meine Laune enorm gesteigert und ich ließ mich guten Mutes auf einer der Sitze im vorderen Zugteil fallen und begann sofort in einer Illustrieren zu blättern. Nach einiger Zeit wurde es mir zu langweilig und ich schaute aus dem Fenster und träumte vor mir hin als mich auf einmal ein tiefer Schmerz in der Seele packte. Dieser Schmerz kam mir bekannt vor, ich wusste damals nur nicht mehr, woher er kam.

Ein Panther hatte Besitz von mir ergriffen. Ich hatte ihn gar nicht durch die Tür kommen sehen- in diesen neuen Zügen öffneten die Türen automatisch. Eigentlich hätte man das Summen wahrnehmen müssen, doch ich hatte es irgendwie verschlafen. Er bewegte sich sehr leise, es war ein sehr geschmeidiges Tier, mit glänzendem Fell und fein gezeichneten Muskeln. Ich konnte sehen, wie sich seine Schulterblätter auf und ab beweckten. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht und zeichneten nichts als Leere in diesen Raum. Sein Blick selbst erschien im völligen Chaos, bereit über alles herzufallen was ihm in die Quere kam. Er schien über jeden Blick nachzudenken, nicht jenen, den er gesetzt hatte, doch aber jeden, den er setzen würde. So, als würden sich unter seine Tatzen der Tod abzeichnen, als ob da unter dem Grund, auf dem er sich bewegte, jeglicher Boden sterben würde. Ich dachte, er könne das wirklich. Boden zerstören, Leben zerstören. Rückblickend weiß ich, dass er es in diesem Moment auch tat....
Ich fühlte mich wahnsinnig, weil niemand so wie ich auf dieses Tier blickte. Ein Panther in einem Zug, warum bemerkte das niemand? Nebenan von mir saß ein Baby- es schaute in das Gesicht des Panthers und ich konnte ein kleines Lächeln in dem Blick des Kleinkindes erkennen. Warum ist ein Kind furchtlos gegenüber so einem großen Tier? Und warum springt die Raubkatze das Wonnepropen nicht an, ähnelt es doch mehr seinem alltäglichen Beuteschema als der Rest dieses Abteils? Der Panther wendete seinen Blick lediglich mir zu, er stierte mich an, als ob ich sein neues Opfer sein würde. Und ich, ich konnte den Blick nicht von ihm lassen. War es dieses Gefühl, dass mir suggerierte, es würde gleich eh alles vorbei sein und ich sollte den Anblick genießen? Die einzige Aufmerksamkeit eines Raubtieres zu sein erschein mir in diesem Augenblick als etwas apokalyptisches und lyrisches. Doch dieser Panther war nicht eingesperrt. Er stolzierte durch das Abteil, völlig unbeachtet, ohne Aufmerksamkeit – nur ich schenkte ihm meine Aufmerksamkeit Ich weiß nicht warum er mich so faszinierte – ich verspürte nur keine Angst, es war wie ein Traum, in dem ich nur die Nebenrolle spielte. So wie in meinem Leben. Sobald ich in seine Augen schaute war ich gefesselt von seinem Blick – und spürte doch das Chaos was in seiner Iris blitzte und sich auf mich übertrug. Ich fühlte mich wie in einer Achterbahn durchgerüttelt und konnte nicht aufhören ihn anzustarren. Ich musste an Nean denken, sie war von Panther fasziniert. Es wurde plötzlich ganz still im Abteil und alle Fahrgäste ausstiegen. „Willst du denn nicht auch gehen?“ Es war der Panther der zu mir sprach.

„Warum bist noch hier?“. Ich musste völlig durchgeknallt sein. Ich hätte das letzte Mal nicht kiffen sollen. Ich wusste, es würde mir nicht gut tun...ich wusste ich würde irgendwann auf einem Trip hängen bleiben. „Warum flüchtest du nicht?“

Ich schaute in seine Augen und war wie gefesselt. „Die anderen sind doch auch noch hier“, flüsterte ich. „Sie können ja nicht so brutal sein wenn die anderen auch hier bleiben.“
„Welche anderen?“ fragte er. Ich wendete mich dem Abteil zu und ließ meinen Blick durch das Abteil gleiten. Es war niemand mehr da.......
Ich merkte, wie mein Blick zu Eis gefror. Es war auf einmal ganz still, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. In welchem Film war ich gelandet? Was hatte das alles zu bedeuten? Träumte ich? Ich kniff mir in den Arm, doch ich spürte den Schmerz und musste erkennen, dass diese Geschichte wirklich passierte.
„Ich muss gleich aussteigen“ bemerkte ich tonlos und hoffte so der unangenehmen Situation zu entgehen. „Du wirst nicht aussteigen können. Es tut mir leid.“ Das sollte wohl ein Witz sein? Ich ging zur Tür um das Summen zu erwarten. Doch die Tür öffnete sich nicht. Ich lachte. Bestimmt war die Lichtschranke kaputt und ich musste die Tür von Hand öffnen. Doch es gelang nicht. Die Tür war zu. Sollte er Recht behalten? Ich versuchte mehrmals die Hebel zur Seite zu schieben, doch vergebens. Eine unangenehme Hitze stieg in mir auf. Sie begann in den Zehen und durchfloss den ganzen Körper, setzte sich schließlich im Gehirn ab wo sie die Sinne und die Vernunft ausschaltete um dann im absoluten Chaos zu enden. Panik. Ich war völlig außer Stande normal zu denken. Ich rang nach Luft und klopfte wie eine Besessene wie wild gegen die Scheibe. Ich hatte das Gefühl zu Hyperventilieren und rang mehr und mehr nach Luft. Ich lief am Panther vorbei zur anderen Tür und versuchte es erneut. Ich klopfte und klopfte, rang wieder nach Luft und die Tränen stiegen mir in die Augen. Das konnte nicht wahr sein, das konnte alles nicht wahr sein. Warum ich? Warum jetzt? Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und ließ ihnen freien Lauf. Wie ein kleines Kind heulte ich, an die verschlossene Tür anlehnend. Die Tränen kullerten nur so über mein Gesicht. Ich bekam noch weniger Sauerstoff und war mir bewusst, dass es jetzt dass Ende bedeuten würde. Ich sackte zu Boden, vergrub meine Hände in meinem Gesicht und nahm Abschied. Es trat dann ein, was ich vermutet hatte: Alles um mich herum, die Sitze, der Boden, die kleinen Mülleimer zwischen den Sitzen – es wurde alles schwarz; ich stieg für einige Minuten aus diesem Alptraum aus.

„Warum hast du nicht auf mich gehört?“ Als ich aufwachte, lag ich immer noch an derselben Stelle. Im Zug, an der Tür, die sich keinen Millimeter bewegt hatte. Immer noch zusammengekauert, ein Häufchen Elend. Daneben der Panther. Er hatte mich nicht berührt. Er saß einfach groß und stolz neben mir, sein Blick jetzt beinahe gütig und keineswegs vorwurfsvoll. Ich blinzelte, ich musste mich an die Dunkelheit gewöhnen, inzwischen war es Nacht geworden, der Zug stand.
Ich richtete mich auf, presste meinen Rücken gegen die Tür. Warum passierte das alles. Der Panther wandte sich mir zu. Ich widerstand seinem Blick, schaute stur geradeaus. „Es gibt dieses Tier neben mir nicht. Es existiert nicht. Es gibt ihn nicht, es gibt ihn nicht....“ Die Raubkatze schlug mir mit seiner schweren Tatze auf den Unterschenkel. „Du kannst so weitermachen und leugnen, dass ich gekommen bin. Aber dann werden sich die Türen niemals öffnen und du wirst für immer hier bleiben müssen.“ sagte er.
Jetzt schaute ich ihn an. Schaute abermals in seinen Blick der von Leere und Chaos gezeichnet war. Ich schluchzte. „Warum ich?“ Was würden die Mädels sagen, wenn ich heute nicht in der Wohnung auftauchen würde? Sie würden sich Sorgen, meine Eltern anrufen und vielleicht würde die Polizei dann kommen um mich zu retten. „Die Polizei wird dich nicht suchen. Deine Mädels werden dich nicht vermissen. Ich weiß es. Du brauchst dich nicht die ganze Zeit hinter dieser Lüge zu verstecken.“ Ich konnte jetzt nicht mehr. Ich erhob mich, schlich zu meinem Platz zurück und zündete mir eine Zigarette an. Langsam zog ich den blauen Dunst in meine Lunge ein, wollte nur irgendetwas spüren und nach kurzer Zeit benebelte das Nikotin meine Sinne. Der Panther war mir gefolgt, er würde wohl nie von mir ablassen. Schweigend harrte er neben mir aus, ich wusste dass er mich anstarrte. Rückblickend ist es unverständlich, warum ich anfing zu erzählen. Aber ich empfand es in diesem Moment als letzte Möglichkeit, dem ganzen zu entkommen, oder, mich vor meinem Ende das letzte Mal ausgekotzt zu haben.

Ich erzählte ihn von meinem Leben, doch die Durchschnittlichkeit meiner Erfahrung schien ihn zu langweilen also unterbrach ich meine Erzählungen und blickte ihm in die Augen. Dabei versuchte ich, seine Nasenwurzel zu fokussieren, denn der Blick in seine Iris versetzte mir jedes Mal einen Stich in meinem Herzen. Er gähnte. „Du erzählst mir das, was jeder mit erzählt, wenn ich zu ihm komme“ stieß er schließlich hervor. Ich konnte mein Erstaunen nicht verbergen. Seine zunächst gütige Natur erschien nun gereizt. „Nun schau nicht so. Soll ich dich nun um dein durchschnittliches Leben bejammern? Das ist nicht meine Aufgabe.“ Ich fasste neuen Mut. Wenn es hier und jetzt nun vorbei sein sollte, dann konnte ich mich auch auf eine Diskussion einlassen. Ich hatte nichts zu verlieren. „Warum bist du dann hier? Wer bist du?“ Er schloss die Augen. Es war immer noch Nacht und ich konnte nicht mehr zwischen der Dunkelheit des Abteils und der Dunkelheit des Tieres unterscheiden. „Wer bist du?“ er wiederholte die Frage, immer noch mit geschlossenen Augen. „Diese Frage solltest du dir selber stellen.“ Dann erhob er sich. Ich konnte nur seinen Atem und das Schleifen seiner Tatzen über dem Boden hören. Seine nun wieder gemäßigte Stimme provozierte mich so dass ich meine Frage laut, beinahe schrill wiederholte. „Ja, wer bist du? Was willst du von mir. Du bist nicht real“ Auf einmal drehte er sich ruckartig um und sprang mich an. Er drückte mich zu Boden und seine starken Tatzen lagen auf meinen Schultern. Seine Krallen bohrten sich fest in mein Fleisch und ich begann zu schreien. Ich begann zu schreien und zu schlagen, zu treten und mich zu winden wie ein Tier in der Steppe was von einem Löwen zu töten versucht wurde. Doch ich konnte nichts ausrichten. Irgendwann gab ich erschöpft nach. „Hast du dich beruhigt? Weißt du jetzt, dass ich real bin?“ „Ja“ Ich schluchzte, aber weinen konnte ich nicht mehr. Der Panther ließ von mir ab. Völlig erschöpft ließ ich mich auf einer Sitzbank nieder. Ich versuchte mich wach zu halten doch irgendwann übermannte mich der erlösende Schlaf.

Als ich aufwachte war es taghell. Ich erinnerte mich noch, was passiert war. Ich hatte diesen furchtbaren Traum und musste allein im Zug zurückgelassen worden sein. Doch als ich in den Augenwinkel etwas schwarz- glänzendes sich bewegen sah, als ich die bald vertrauten Laute der Tatzen hörte, da wusste ich, dass ich weiterhin in diesem Alptraum gefangen war.
Ich dachte, er würde mich wieder anspringen, mich wieder mit seiner bedrückenen Masse auf meinen Brustkorb bohren und seine Tatzen in mein Fleisch schneiden. Doch es kam anders.
„Du kannst diesen Zug verlassen wenn du willst.“ Sagte er. Anstatt aufzuspringen starrte ich aus dem Fenster. „Du kannst wirklich aussteigen.“ Er wendete den Blick von mir ab. „Aber ich werde mitkommen.“ Ich blieb noch einige Minuten still sitzen. Der Zug hatte sich in der Nacht in Bewegung gesetzt und wir erreichten einen Bahnhof. In Zeitlupe wollte ich nach meiner Tasche greifen, aber ich konnte sie nicht finden. „Du brauchst deine Tasche nicht“ sagte der Panther. Ich verstand nicht, was er mir sagen wollte. Ich wusste nur, dass es nur besser werden konnte, wenn ich den Zug verließ. Monoton, einen Schritt vor den nächsten setzend, verließ ich das Abteil. Der Panther folgte mir. Ich ging in das nächste Abteil aber er folgte mir weiter. Irgendwann war ich am Ende des Zuges angelangt und gab auf. Wir hatten den Bahnhof erreicht. Ich stand an der Tür und starrte auf den Bahnsteig. Zum ersten Mal sah ich wieder Menschen um mich herum. Als der Zug stoppte und mit einem leichten Ruck die Türen geöffnet wurden, konnte ich die kühle Morgenluft riechen. Aber ich konnte sie nicht mehr fühlen. Ich stieg aus dem Zug, auf das Bahngleis. Menschen stießen mich an und ich ekelte mich. Ich wollte sie nicht berühren und starrte auf den Boden. Ich stieg auf die Rolltreppe aber jedes Mal wenn ich mich umschaute war der Panther noch da. Er hielt Abstand, einen kurzen Abstand, aber er war mir immer noch auf den Fersen. Ich verkürzte meinen Schritt, ging schneller, rannte, raste. Doch er blieb hinter mir. Als ich aus dem Bahnhof trat war die Welt grau. Dunkle Wolken waren am Himmel zu sehen. Ich stieg in ein Taxi und fuhr zu meiner Wohnung. Der Panther immer hinter mir. Zurück in meinem Trauten Heim versuchte ich zu essen, doch es schmeckte mir nicht. Ich versuchte zu lesen, doch ich verstand es nicht. Ich versuchte zu schreiben, doch ich fühlte nichts. Ich versuchte zu schreien aber aus meinem Mund drangen keine Worte. Das Telefon klingelte und ich zog den Stecker heraus. Ich ging ins Bad und wusch mir das Gesicht. Meine Hände fühlten sich fremd an. Als ich den Kopf hob starrte mich in Spiegelbild ein blasses Gesicht an. Die Augen schauten mich mit fahlen Blick an, von schwarzen Augenrändern gezeichnet. Der Blick leer und trübe.
Ich wollte weinen und konnte es nicht.
Da wurde mir klar, wer der Panther war.

 

hallo Fiona,
bevor die story ungelesen verschwindet, nehm ich sie mir mal vor.

Es war ein wunderschöner Frühlingsmorgen als ich in den Zug stieg.
Ziemlicher Standartanfang!

auf einer der Sitze
auf einen der

Die einzige Aufmerksamkeit eines Raubtieres zu sein erschein mir in diesem Augenblick als etwas apokalyptisches und lyrisches. Doch dieser Panther war nicht eingesperrt. Er stolzierte durch das Abteil, völlig unbeachtet, ohne Aufmerksamkeit – nur ich schenkte ihm meine Aufmerksamkeit
Hier dreimal Aufmerksamkeit. Eine auffallende und störende Wortwiederholung.

meine Aufmerksamkeit Ich weiß nicht
Da fehlt ein Punkt.

ich verspürte nur keine Angst, es war wie ein Traum,
nur keine Angst, als wäre dies ein Traum,

Ich musste an Nean denken, sie war von Panther fasziniert.
Panthern

Es war der Panther der zu mir sprach.
Panther, der zu

so brutal sein wenn die anderen auch hier bleiben.“
sein, wenn

Es war niemand mehr da.......
Drei Punkte reichen

wie eine Besessene wie wild gegen die Scheibe.
das zweite "wie" ist zuviel.

Warum passierte das alles.
Am ende ein Fragezeichen

Sie würden sich Sorgen,
sorgen klein als Verb

Zurück in meinem Trauten Heim
trauten

starrte mich in Spiegelbild
im

Eine schöne Geschichte, die du da geschrieben hast. Das Ende ist natürlich spätestens ab dem Zeitpunkt klar, als niemand mehr im Zug ist. ich dachte/ hotte erst, die doch vorhersehbare Pointe wäre nicht die erwartete.
Weiter so, würde gerne noch mehr von dir lesen!

Eike

 

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