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Papierene Rache
Herr Buffler war es leid, unendlich Leid, dass ihm immer seine Kunstwerke entwendet wurden. Heimlich bestahlen ihn Leute, die er in sein Haus gelassen und denen er vertraut hatte.
Nur wussten diese Diebe nichts über seine Kunst. Das war ihr Pech. Denn seine Kunstwerke pflegten zu ihm zurückzukehren. Immer. Nachdem sie ein wenig … Unordnung veranstaltet hatten. Das war ihre Art.
Doch es nützte nichts. Immer wieder stahl man seine Geschöpfe. Buffler beschloss, die Diebe zu bestrafen.
Wieder war es ein Pizzabote. Buffler wusste nicht mehr, wie viele er schon gesehen hatte. Es waren viele gewesen. Alle waren sie fasziniert von seiner Kunst gewesen, wenn er sie in sein Haus gelassen hatte. Kunststück. Wo sah man auch so viele herrliche Kunstwerke auf einmal in einem normalen Wohnhaus?
Der Kerl wartete auf sein Geld, doch Buffler wusste, dass dieser Typ nur seine Kunstwerke begaffte. Gleich würde er sagen, wie toll …
„Wow, so was Abgefahrenes hab ich ja noch nie gesehen! Sind Sie Künstler?“
„Ja, für Papierkunst. Ich baue mechanische Figuren, die mit einer Kurbel bewegt werden können.“ Buffler war so angeödet. Immer die gleiche Leier. Aber dieser Kerl würde bitter bezahlen. Er hatte sich vorbereitet.
Als er den Kerl bezahlt hatte, blieb dieser im Wohnzimmer stehen.
„Ja?“, fragte Buffler.
„Verkaufen Sie die auch?“
Die! Seine Papierskulpturen als DIE zu bezeichnen …
„Nein, aber ich kann Ihnen einen Bausatz zusammenstellen. Damit können Sie sich eine eigene bauen.“
„Das wäre toll!“, sagte der Kerl freudestrahlend.
Wenn du wüsstest, dachte Buffler.
Wenn der Kerl sich so verhielt, wie all die anderen zuvor, würde er bald aufkreuzen. Sie kamen nie mit den Bausätzen zurecht und wollten ihn deshalb immer um Rat fragen. Da er manchmal vergaß, die Tür richtig zu schließen, kamen sie gelegentlich ins Haus, wenn er nicht da war. Meist beschlossen sie dann, eine der Skulpturen einzustecken. Er hatte ja so viele, dachten die sich wohl.
Später, es war schon Nacht, klingelte es tatsächlich. Buffler hatte dieses Mal die Haustür absichtlich nur angelehnt gelassen.
Nachdem der Typ ausgiebig geklingelt und geklopft hatte, kam er in den Eingangsflur.
„Hallo? Herr Buffler? Sind Sie da?“
Nein, bin ich nicht, dachte Buffler grimmig. Er hatte sich im Badezimmer versteckt und die Tür einen Spalt weit offen gelassen.
„Der alte Sack merkt’s doch eh nicht … wenn da eine fehlt … Scheiß drauf!“
In diesem Augenblick hörte Buffler, dass es losging. Ein unbeschreiblicher Lärm hob im Wohnzimmer an, wo der Dieb eine der Skulpturen hatte stehlen wollen. Der Kerl stöhnte und schrie.
Buffler wurde neugierig und verließ das Bad. Er stieß die Tür des Wohnzimmers an, wo sich ihm ein phantastisches Szenario bot.
Der Kerl lag auf dem Boden und unzählige Papierskulpturen schwirrten um ihn herum. Papierdrachen, rudernde Schafe, schwanzwedelnde Hunde, trompetende Elefanten … und … ein wieherndes Einhorn. Als es den Dieb mit seinem Horn berührte, vollzog sich eine Wandlung mit ihm. Er wurde kleiner, viel kleiner. Seine Haut nahm einen blasseren Farbton an, wurde zu Papier. Seine Bewegungen wurden steifer … wie die einer Marionette … oder einer von Bufflers Skulpturen. Zuckend verwandelte sich der Dieb in eine Papierfigur. Dann herrschte Ruhe. Bufflers Geschöpfe setzten sich wieder an ihren Platz und verharrten regungslos.
Buffler trat ins Wohnzimmer. Auf dem Boden stand eine neue Skulptur. Es war ein Pizzabote. Wenn man seine Kurbel betätigte, schwenkte er seine Pizzaschachteln und sah mit wild rollenden Augen umher. Buffler schien es, als höre er dann auch Hilferufe. Aber nur er hörte sie …