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Perfekt

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19.06.2001
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Perfekt

PERFEKT

Er wollte noch nicht aufstehen. Nicht an so einem Tag wie heute. Er spürte die wärmenden Sonnenstrahlen, welche das Zimmer erhellten. Dann hörte er Schritte. Ja, dachte er. Das wird ein perfekter Tag. Die Tür ging auf und seine Frau kam herein. Oh, sie hat sogar Frühstück gemacht. Er richtete sich auf und sah sie erwartungsvoll an.
„Guten Morgen, Daniel.“ sagte sie.
Er lächelte. „Ja. Ein sehr schöner Morgen. Und du hast Frühstück gemacht?“
„Ja, nur für dich.“
„Schön.“ Er nickte. „Dann mal her damit, hm?“
Seine Frau kam zu ihm an das Bett und reichte ihm das Tablet. „Hier.“
Dankend nahm er es entgegen. „Ja, danke.“ Oh, sogar eine Rose hatte sie dazugelegt. Es war perfekt. Daniel sah aus dem Fenster. „Und die Kinder?“
„Spielen draußen im Garten mit Hulkster.“
„Ah, Hulkster!“ Er nahm die Rose. „Hätten sie keinen anderen Namen für einen Hund wählen können?“
„Ach Daniel, es ist schließlich ihr Hund.“ Sie setzte sich zu ihm. „Laß uns diesen wunderschönen Sonntag nicht wegen eines Namens verderben, hm?“ Sie gab ihm einen Kuß. „Okay?“
„Ja, du hast recht. Wir sollten lieber...“ Er zog sie zu sich heran. „Hast du Lust, Schatz?“ Daniel sah seiner Frau tief in die Augen.
„Ja.“ sagte sie und gab ihm einen...

...Schlag. Und noch ein Schlag ins Gesicht. Daniel stöhnte. Er versuchte dem grellen Licht auszuweichen, welches ihn blendete. Zwecklos. Sie hatten ihm seine Augenlider nach oben gezogen und mit Pflastern zugeklebt. Er konnte nicht blinzeln. Daniel war die ganze Zeit gezwungen, in das grelle und blendene Licht zu sehen. Er spürte die Fesseln, die in sein Fleisch schnitten. Daniel war nackt. Er saß seit Tagen gefesselt auf einem Stuhl. In seinem eigenen Kot und Urin. Und seit Tagen konnte er immer nur ein und die selbe Antwort geben.
„Ich... w... weiß ni... weiß es... nicht.“ Das Sprechen bereitete ihm große Schmerzen.
„Ihren Namen. Ihren Rang. Ihren Auftrag.“
Daniel kannte die Stimme. Sie war von Anfang an dagewesen. Aber er kannte nur die Stimme. Nicht die dazugehörige Person. „Ich...“
„Daniel!“ sagte die Stimme. „Ihren Namen. Ihren Rang. Ihren Auftrag.“ Die Stimme kam ganz nahe an ihn heran. „Mehr will ich doch gar nicht wissen. Das alles könnte schon längst vorbei sein, Daniel! Aber wenn Sie nicht... kooperieren, dann...“ Die Stimme entfernte sich.
„N..nein! Warten... wart... Nein!“ Oh Gott. Daniel biß die Zähne zusammen. Oh Gott... nein. „Arrgh“ Der Schmerz war... „Oh Gott... Arrgh. Oh Scheiße. Oh Scheiße... Scheiße.“ Tränen liefen ihm über sein blutiges Gesicht. Dann wurde ihm sein kleiner Finger vor die Augen gehalten. „Hargh.... hhh...“ Unbarmherzig blendete ihn das Licht. Jemand verband ihm die Hand.
Die Stimme kam wieder näher. „Das ist schon der vierte Finger, Daniel. Sagen Sie mir, was ich hören will.“ Die Stimme klang beinahe zärtlich... und irgendwie beruhigend.
Daniel spuckte Blut aus. Dann holte er tief Luft. „Morris, Daniel, Commander.“ Er weinte noch immer. „Morris... Dan... Daniel, C... Com... mander.“
„Ihr Auftrag, Commander Daniel Morris!“ sagte die Stimme.
„ICH WEISS ES DOCH NICHT!“ schrie Daniel. „Ich weiß es wirklich nicht. Verfluchte Scheiße. Ich weiß es doch nicht.“ Verzweifelt versuchte er, seine Tränen zu unterdrücken, den abklingenden Schmerz zu ignorieren. „Ich... ich hab es doch bereits erkl... erklärt...“ Er bekam einen Hustenanfall. „Ich weiß nicht, was die Missionsziele waren. Ich...“
„Schon gut, Daniel.“ sagte die Stimme sanft. „Schon gut. Ich... he!“
Daniel konnte nicht mehr. Der Druck war zu groß geworden.
Wieder bekam er einen Schlag ins Gesicht. „Du verdammter Mistkerl!“ fluchte die Stimme.
Daniel wurde beschimpft. Er verstand die Sprache nicht. Und erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er und die Stimme nicht die einzigen waren, die sich in dem Raum befanden. Lieber Gott, wenn es dich wirklich...
Jemand gab dem Stuhl einen Tritt und Daniel fiel zu Boden. So heftig er auch aufschlug, das grelle und blendende Licht war weg. „Arrrgh!“ Die plötzliche Dunkelheit trieb ihn fast in den Wahnsinn. „Ahhh, oh Gott.... Oh Scheiße! Oh...“ Er lag auf dem Boden, unfähig, seine Augen zu schließen. Dann wurde es still. Beinahe unheimlich...

...still, Commander!“ sagte der Pilot zu ihm. „Das meinte ich damit. Wenn wir im Tiefflug sind, unter dem Radar. Dann sind wir still. Verstehen Sie?“ Der Pilot grinste Daniel an.
„Nein, heißt es nicht, man ist unsichtbar?“
„Wo ist da der Unterschied, Sir? Still oder Unsichtbar. Ist doch egal, oder? Ist doch die gleiche Scheiße!“
„Wenn Sie es sagen, Stitch.“
„Ja, Commander, genau.“
Seit vier Stunden befanden sie sich in der Luft.
„Sagen Sie mal, Commander. Was ist das für eine Mission, für die wir Kopf und Kragen riskieren?“ fragte Stitch.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Tut mir leid.“ Daniel sah nach unten. „Fliegen wir nicht etwas zu tief?“
„Oh, keine Angst, Sir. Stitch weiß schon, was er tut. Keine Sorge!“
„Hm, okay!“ Daniel war dennoch etwas besorgt. „Seit wann fliegen Sie dieses Modell, Stitch?“
„Oh, dieses Baby seit drei Monaten. Davor nur die älteren Modelle.“
„Drei Monate erst?“ Jetzt wurde Daniel doch etwas unruhig. „Und Sie sind sicher, daß wir nicht zu tief fliegen?“ Verdammt. Der Hubschrauber war praktisch ein Testmodell. Er sah wieder nach unten. Ihm gefiel das nicht. „Das gefällt mir nicht, Stitch!“
„Sir?“
„Ich denke, wir sind zu tief.“
Sie rasten über die Baumkronen.
„Ach, vertrauen Sie dem alten...“
Und dann wurden sie getroffen. Stitch versuchte verzweifelt die Kontrolle über den Hubschrauber zu behalten. „Scheiße! Wir sind getroffen.“ Schweiß lief ihm über sein Gesicht. „Halten Sie sich fest, Commander!“
Daniel griff unter seinen Sitz und holte eine kleine Tasche hervor. Er stopfte sie sich in seine Jacke. „Können Sie irgendwas tun?“ Stitch antwortete nicht. „Stitch!“ schrie Daniel.
„Scheiße, Commander.“ Stitch ließ den Steuerknüppel los. „Jetzt heißt es festhalten und beten!“
Und dann stürzten sie ab.
Irgendwann öffnete Daniel seine Augen. Da waren Männer an dem Wrack. Stitch! Verdammt, wo... Er bekam einen Tritt in die Seite und eine Stimme sagte...

...Ihre letzte Chance, Daniel!“ Die Stimme klang wütend.
Daniel sah wieder in das grelle und blendende Licht. „W... was...was?“ Wo war er? Oh... „Morris, Daniel, Commander. Und... und... meh...mehr weiß ich nicht.“ Er wußte nicht warum, aber er lächelte.
Wieder ein harter Schlag ins Gesicht. „Daniel.“ Die Stimme war ganz nahe bei ihm. „Commander Daniel Morris. Wir haben doch die Tasche. Warum quälen Sie sich?“
„Wa... waru. m... quälen Sie... Sie... mich, warum? Ich ka... kann Ihnen doch nicht mehr sagen. Nicht mehr... mehr als....“ Daniel hustete.
„Sie haben an ihrer linken Hand keinen einzigen Finger mehr.“ sagte die Stimme und hielt einen Daumen in das grelle und blendende Licht.
„Oh.“ Daniel hatte es gar nicht mitbekommen. „Ab... aber da s.... sind noch fünf andere.“ Er versuchte zu lächeln. Er wußte nicht, ob es ihm gelungen war. Seit wievielen Tagen war er jetzt hier? Seit wievielen Tagen sah er in das grelle und blendende Licht? Daniel hustete erneut. Er wußte es nicht mehr.
„Für wen ist diese Tasche?“ fragte die Stimme.
„Morris... Daniel... Commander...“ flüsterte Daniel. Er erwartete eine Antwort, oder einen Schlag ins Gesicht, aber nichts tat sich. Gar nichts. „Und... ich weiß nichts über... Mission... Tasche oder... Mission.“ Wieder hustete er und spuckte Blut. Diese Arschlöcher, dachte er. „ICH WEISS ES NICHT!“ Oh Scheiße, dieses verdammte Licht.
„Also gut, Daniel.“ meldete sich die Stimme zurück. „Sie wollen es uns also nicht sagen, oder?“
Daniel begann laut zu lachen. „Ich kann Ihnen doch... do... doch nicht...“ Oh Scheiße.
„Was können Sie nicht, Daniel?“
„Ihnen nichts sagen, von dem ich nichts... weiß.“ Dieses Scheißlicht. „Scheiße, das kann ich doch nicht... Scheiße. Kann ich doch nicht...“
„Sie haben Ihre Chance gehabt, Commander Daniel Morris.“ Die Stimme schaltete das Licht aus.
„Arrrgh“ Daniel schrie vor Schmerzen.
„Ja, das tut weh, nicht wahr?“ sagte die Stimme. „Nun, wenn Sie uns nichts sagen können, dann vielleicht Ihr Pilot... Stitch!“
„Was!“
„Oh, er hat überlebt. So wie Sie.“
„Aber...“
„Nein, kein Aber mehr. Sie hatten Ihre Chance.“ sagte die Stimme. „Sie werden jetzt sterben. In einem Land, auf das Sie nicht vorbereitet waren. Ihr... nicht vorbereitet wart. Es wird Zeit...“
Daniel hörte, wie eine Pistole entsichert wurde. Oh Gott. Obwohl er wußte, daß es sinnlos war, verfluchte er seine monatelange Ausbildung, die er unter härtesten Bedingungen durchlaufen hatte, und die unter anderem genau die Scheißsituation beinhaltete, in der er sich befand.
Eine Pistole wurde ihm an den Kopf gehalten.
Er sah in das grelle und blendende Licht. Scheiße, das haben die doch abgeschaltet. Er sah in das grelle und blendende Licht und...

...lächelte. Ja, es war ein guter Kuß gewesen. „Danke.“ sagte Daniel zu seiner Frau.
„Oh, ich habe zu danken.“ sagte sie und fuhr ihm durch sein Haar. „Daniel?“
„Ja?“
„Wann wirst du wiederkommen?“ Sie sah ihn besorgt an.
Daniel lächelte. „In spätestens vier Wochen bin ich wieder bei euch, hm?“
„Okay.“
„Ja.“
„He, ich geh raus zu den Kindern... und Hulkster!“
„Ja, tu das.“ sagte Daniel. Seine Frau stand auf und ging zur Tür. „Schatz?“
„Ja.“
„Weißt du, ich...“
„Ich weiß, Daniel.“
„Ja, okay.“
Sie verließ das Zimmer. Daniel nahm die Rose und roch daran. Er sah aus dem Fenster. Daniel spürte die wärmenden Sonnenstrahlen, die das Zimmer erhellten. Er wußte, heute würde ein perfekter Tag werden. Oh ja, und noch viele solcher Tage würden folgen. Da war er sich ganz sicher...

ENDE

copyright by Poncher (SV)

- - - - -

Sodele!

Und ähm... Schon mal jemand "Jacobs Ladder" gesehen? Ein saugeiler und genialer Film! Diente irgendwie als Inspiration... Gelungen oder nicht. Der Film hat einfach Klasse! Widerrede zwecklos: Tatsache!

 

Moin!

Den Film kenn schon mal nicht. :(

Deine Geschichte ist wirklich fies. Finger ab - arghh! Tagelang nicht die Augen schließen können - uäähh! und dann das mit seit Tagen in der eigenen....bei Gott!

Aber: diese Verhörszene ist wirklich eindringlich geschrieben, so dass man Respekt bekommt vor der Stimme ohne Gesicht und spürt, wie sich die beiden Klingen der Zange um die eigenen Finger schließen.

Gut, irgendwie hat es auch was von der guten alten Rambo-Atmosphäre, aber die Auflösung gibt dann den Kick - er wird nie mehr der gütige Familienvater sein, der seine Frau am Samstag morgen vernascht.
Auflösung gelungen! Muß wohl den Film mal sehen...

Ach ja: Die Überraschung am Anfang

Ja.“ sagte sie und gab ihm einen...
ist Dir wirklich gelungen. Kurz dachte ich, die beiden würden ihre Wochenend-SM-Party starten :D

 

"Jacob´s Ladder" kenne ich natürlich. Basiert auf einer alten Geschichte, die ich leider nirgends gefunden habe.
Eine faszinierende Idee, yep!

Aber eigentlich hat mich deine Geschichte nicht daran erinnert, weil ich zu sehr in der Folter-Szene gefangen war.
Das mit den Fingern erinnerte mich an "Bound", ein ziemlich cooler Film, mit guten Darstellerinnen. :D

Insgesamt hat mir die Story gut gefallen, ehrlich, aber ich glaube doch, dass man die Folterszenen noch ein bisschen atmosphärischer hätte gestalten können!
Hoffentlich missverstehst du mich nicht, ich bin kein S/M-Freak oder so, aber ein wenig mehr beängstigenden Ekel hätte man für meinen Geschmack noch reinpacken können.
Aber das soll kein Vorwurf sein, sondern eine persönliche Meinung!

Jedenfalls hast du erneut bewiesen, dass du gute Geschichten schreiben kannst (wenn auch nicht immer ;) ), weiter so!

 

Man, ich kenne den Film auch nicht!

Hm, ich traue mich gar nicht das auszusprechen. Aber ich muss es wohl tun. Ponch kann ja doch Geschichten schreiben! Trotz der Tatsache, dass ich selten solche Geschichten lese, mir viel eher solche Filme ansehe, muss ich zugeben, dass diese Geschichte etwas hat. Der Übergang am Anfang hat auch mir sehr gut gefallen.
Deine Sprache ist angemessen, die Übergänge gut gelungen, und die Folterszene hat auch auf mich gewirkt. Und Dir reicht das nicht, Rainer? Also, ganz ehrlich, in Filmen schaue ich mir auch immer viel schrecklichere Sachen an; irgendwie wirken diese Dinge beim Lesen aber noch schlimmer. Und von daher hat es mir gereicht. Es war schon so ok.
Also, Ponch, gut gelungen!

 

Also in dem Film geht es um einen Typen, der, seit er aus Vietnam zurückgekehrt ist, mit seiner Welt nicht mehr zurechtkommt und ständig von üblen Tagträumen und Visionen konfrontiert wird. Am Ende stellt sich heraus, daß die "Ladder" eine Droge war, um die Agressivität zu steigern, und eben diese Droge bei einigen Platoons in Vietnam getestet wurde. Folge: Die Soldaten schlachten sich selbst ab. Und Jacob (dargestellt von Tim Robins) stirbt im Feldlazaret, in Vietnam. Die ganze Vorgeschichte war also ein "Traum". Wie gesagt, ein genialer Film. Und mit meinen Worten (die stark von der Erinnerung abhängig waren) kann ich den Film gar nicht richtig beschreiben. Ihr müßt ihn selbst sehen! Wahnsinn!

Danke jedenfalls für eure Worte!

@Zaza: Ja bischt jetzt völlig überg´schnappt!

Sodele!

Ponch

 

Ponch kann ja doch Geschichten schreiben!

Ach, wenn das mal jemand bei mir schreiben würde... :D

@ Ponch Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass "Jacob´s Ladder" ein Flop war ... übrigens genau so wie "Blade Runner".

 

Ich finde den Aufbau und die Idee zu der Geschichte wirklich gut - vorallem überzeugt die Rahmenhandlung bei der Familie.
Die Folterszene finde ich proportional übertrieben. Die Geschichte lebt ja nicht von der Folter sondern der überraschenden Wendung des Rahmens.

Vielleicht haben die Bilder des Filmes Sie bei der Ausarbeitung der Folterszene etwas zu sehr in feste Bahnen gelenkt.

Sinverley yours, M.S.

 

Hallo Marcus! Du darfst uns ruhig duzen! :D

Der besprochene Film hat mit dieser Story nur die Plot-Idee gemein, sonst nichts!
Folterszenen kommen in dem Film nicht vor.

 

Ja, wie Uns-Rainer schon richtig sagte: "Jacobs Ladder" diente nur als Inspiration...

Und auch noch mal hier: Du kannst mich ruhig duzen (das wird dir keiner übelnehmen), du...

Naja, jedenfalls Dank... bin ja mal gespannt, wenn du die "schlechten" Geschichten liest, haha!

Das wäre... perfekt!

Sodele!

Poncher

 

Ok. Danke für das "Duzen"....

Ich bin noch recht neu hier ... bin mal gespannt auf die "schlechten" Geschichten :-)
Also bis dann. Marcus

 

@ Markus7 Wenn du schlechte Geschichten suchst: Einfach jene von Rainer lesen! :D

 

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