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Physiognomie des Schmerzes

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25.08.2006
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Physiognomie des Schmerzes

Seelischer Schmerz ist das persönlichste aller Gefühle, finde ich.
Meist hat er ein Gesicht und trägt einen Namen.
Schmerz ist wie ein lebendiges Wesen.
Er hat Kraft und Dynamik.
Er wird zu einem engen Vertrauten, doch wird er niemals ein Freund.
Wäre ich ein Haus, so wüsste er alle Zugänge, auch die geheimen,
um unbemerkt einzutreten.
Tatsächlich öffne ich ihm aber, wenn auch selten, die Tür,
hinter der er schon wartet, wissend, dass er eintreten wird.
Zuweilen spüre ich ihn schon, bevor seine Wirkung einsetzt,
so wie man an manchen Gewittertagen von ferne leichtes Donnergrollen hört.
Ein Gewicht legt sich dann auf meine Brust und das Atmen fällt schwer.
Dann ist es auch schon so weit
und jedes Mal ist es wie das erste Mal.
Ich habe für mich erfahren, dass er schneller vorübergeht,
wenn ich einfach still halte, mich nicht wehre.
Zwar reißt der Schmerz mich jedes Mal mit der gleichen Gewalt in die Tiefe,
doch weiß ich, wenn ich ihn wüten lasse,
wird er irgendwann verebben.
Gehe ich dagegen an,
dann bleibt er scheinbar ewig, wie ein Schatten an mir kleben,
den Moment abwartend, um über mich herzufallen,
wenn ich auch nur einen Moment unachtsam bin.
Wenn möglich suche ich einen Ort,
wo ich mit dem Schmerz allein bin.
Als erstes er versetzt mir stets einen gewaltigen Schlag in den Magen,
schnürt ihn zusammen und füllt ihn mit beißender Lava.
Diese steigt unaufhaltsam weiter nach oben, bis sie das Herz erreicht
und verwandelt sich dort in ein stählernes Messer,
das immer wieder langsam und erbarmungslos zu sticht.
Der Schmerz schnürt mir mit einer schmalen Schnur gnadenlos die Kehle zu.
Das Rauschen und Dröhnen in den Ohren übertönt alles.
und ich nehme alles um mich herum nur noch wie durch Nebelschwaden wahr.
Lange, glühende Nadeln bohren sich durch die Schläfen in meinen Kopf.
Die Augen brennen und wenn die Kraft zum Weinen reicht,
schüttelt das Schluchzen mich wie einen Zweig hin und her.
Die Gedanken fangen an ohne Unterlass Kreise zu ziehen,
schreien kreischend WARUM, auf dass es keine Antwort gibt.
Meine Arme und Beine sind bleischwer und lassen kaum bewegen.
Körper, Geist und Seele sind gleichermaßen gelähmt,
ich bin zu einer Marionette des Schmerzes geworden.
So tobt er zum Finale an allen Stellen meines Körpers gleichermaßen ohne Erbarmen.
Und stets habe ich das Gefühl, ich würde es kein weiteres Mal überleben.
Doch dann, nach einer Weile,
die sich wie eine Ewigkeit hinzieht, ist es vorbei.
Der Schmerz tritt in immer schwächer werdenden Wellen
seinen Rückzug an.
Die schwere, doch erlösende Mattigkeit hüllt mich wie ein Daunenbett ein.
Ich bin erschöpft, ausgelaugt und
brauche einen Moment, bis ich die Umwelt wieder klar wahrnehmen kann.
Und jedes Mal bleibt die quälende Frage zurück:
Wie lange noch?

 

Berechtigt

Hallo Zerbrösel- Pistole,

ich habe mir auch diese Frage gestellt - irgendwie führt mein Text ein Zwitterdasein, fürchte ich ;)

So, und Schmerz ist also ein Anfängerthema.
Da sieht man es einmal: ich bin so eine Anfängerin, dass ich nicht einmal wusste, das es ein Anfängerthema ist. Aber ich bin durchaus lernfähig - zum Glück.

Ich danke dir auf jeden Fall für deine Kritik!
Vielleicht sagst du mir noch, wie es dir inhaltlich gefällt?
Nimm kein Blatt vor den Mund - ich bin hart im Nehmen.
Schmerzerprobt sein hat auch etwas Gutes :)

Mijack

 

Hallo Mijack,

ich schließe mich den Vorrednern insofern an, dass du mit deinem Text die Leser nicht unbedingt vom Hocker reißt. Als Thema einer Kurzgeschichte isst der Schmerz auf jeden Fall interessant, wenn auch schon 100.000mal beschrieben. Kommt eben drauf an wie du es schaffst zu erzählen. Es wird nie alle interessieren, weil wir uns in unserem Leben auch nicht immer und zu jeder Zeit für alles interessieren. Den Text würde ich in Philosophisches verschieben lassen. Eine Kernaussage hat dein Text für mich aber allemal:

Ich habe für mich erfahren, dass er schneller vorübergeht,
wenn ich einfach still halte, mich nicht wehre.
Im Grunde die Kernaussage des Taoismus, genannt "Wu-wei"

LG
Katinka

 
Zuletzt bearbeitet:

gelöscht, da versehentlich 2mal gespeichert

 

Hallo,

ich kann mich den letzten beiden Kommentatoren nur anschließen.

Auch lyrisch sehe ich da kein Land. Das ist nur eine Aneinanderreihung von Sätzen, die keine Verbindung eingehen eingehen, weder lyrisch noch im Hinblick auf das, was allgemein als Prosa angesehen wird.

Bei solchen Texten frage ich mich:
Was erwartet der Autor vom Leser? Mitleid, eine Lösung?

Ich denke, für deine Gefühlswelt gibt es spezielle Foren, die allerdings nichts mit Literatur zu tun haben. Überdenke mal deine Intention und frage dich:
Geht es um mich, meine Probleme oder um meinen Text?

lg
Oldy

 

@lea victoria

kritisiere den Text, aber nicht die Eindrücke eines anderen Lesers.
Das nennt man "über-heblich"

 

Vielen Dank für die Kommentare.
Ich habe eine Menge über die Erwartung von anderen Lesenden gelernt.
Mal schauen, wie ich es umsetzen kann.

LG
Michi (Mijack)

 

Hallo, stellt sich doch die Frage, schreiben wir um den Erwartungen der Leser gerecht werden? Warum schreiben wir überhaupt? Um unsere Eitelkeit zu befriedigen? Weil wir sonst keine Gelegenheit haben unserer Mitteilungsbedürfnis auszuleben? Weil wir meinen, die Menschheit muesste mit unseren dilettantischen Auswürfen beglückt werden?

Gruß vom Brunnengeist

 

der text ist zwar nicht erzählend, aber sprachlich sehr gut, trotz des einen oder anderen etwas ausgelutschten bildes.

brunnengeist, interessante frage. ich schreibe immer für leser, nie um mich selbst zu beglücken.

da ich grad lenz lese, hab ich kürzlich mal nach ihm gestöbert im netz und auf seiner homepage ein interview mit ihm gefunden. zum thema "für wen schreiben" findet man da ganz interessante gedanken.
auszug:

Siegfried Lenz:
[..] Solange es den einzelnen gibt, der das Bedürfnis hat, sich mit einem anderen einzelnen, nämlich mit einem Autor, der „Angebote macht“, wie Heinrich Mann sagte, abzustimmen, so lange traue ich der Literatur zu, fortzubestehen. Es ist ja auch eine ganz alte Erfahrung, daß Literatur sich nie an eine Menge wendet, [..] sondern immer an den Einzelnen, der ja auch im gewissen Sinne Literatur erst legitimiert, in dem er sie noch einmal wiederholt, für sich wiederholt. Darin liegt die große Legitimation, vielleicht auch ein gewisses Geheimnis der Literatur, daß man einen einzelnen findet, der das Angebot, das man ihm macht, annimmt.

[Das Lesen] ist unbedingt ein schöpferischer Akt. Wir haben uns auch im Kollegenkeis die Frage gestellt: Was wäre, wenn [..] „Madame Bovary“ oder sagen wir „Krieg und Frieden“ oder „Doktor Faustus“ zwar geschrieben, dann aber an der tiefsten Stelle des Stillen Ozeans, im Manilagraben, zwölftausend Meter, versenkt worden wäre, wäre es dann noch Literatur? Wenn sie nicht mehr verfügbar wäre, wenn sie keinen einzelnen fänden, keinen Leser fänden, der sie noch einmal hervorbringt, der sie annimmt, auf die Welt bezieht, auf seine Befindlichkeit bezieht – wäre es dann noch die Weltliteratur, die uns zum Handeln zwingt oder uns schwermütig macht? Diese Frage haben wir einander gestellt, und Sie können sich vorstellen, wie die Antwort ausfiel. Es ist sehr fraglich.

das ganze interview steht hier: http://www.siegfried-lenz.de/ unter "Interview"

 

Hallo Sundance, endlich jemand, der sich ueber meine kritschen AEußerungen nicht aufregt und sich nicht persoenlich beleidigt fuehlt. Nebenbei bemerkt, Siegfried Lenz zaehlt zu meinen Lieblingsautoren. Fuer den Leser schreiben? Machen wir uns nichts vor, Leute die lesen, das ist eine stetig schrumpfende Minderheit. Videospiele, DVD und Glotze, dort ist der Wachstumsmarkt.Starte mal ne Umfrage: wie viele kennen Siegfried Lenz und wie viele kennen die RTL-Possenreisser?


Gruss Brunnengeist

 

Das soll und darf uns nicht hindern.
Und: zwischen Lenz und RTL muß es einen Mittelweg geben. Hoffen wir (und sorgen wir dafür), daß er näher bei Lenz liegt.

 

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