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Plausch mit meiner Freundin Google
Gangolf war gegangen. Verlassen hatte mich dieser Dreckskerl wegen einer anderen Frau. Ich kenne sie nicht, weiß nur, dass sie Ann-Kathrin Täubner heißt und ganz toll aussehen soll. Er hatte genug von meiner Oberflächlichkeit und zickigem Gehabe, hatte er mir gesagt. Das mit Ann-Kathrin wäre etwas ganz Anderes, da wäre von Anfang an viel mehr Gefühl dabei gewesen.
Gefühl, dass ich nicht lache, der weiß ja nicht mal wie man dieses Wort buchstabiert. Eine größere Oberweite und eine schlankere Taille, das wird es sein.
Schön, dass man so viele Freundinnen hatte; es tat bei so einem Herzschmerz richtig gut, zu erzählen, was für ein dummer, arroganter und ignoranter Egoist Gangolf gewesen war. Auch nach der zehnten Schilderung der Szene, als er mir seinen Wohnungsschlüssel vor die Füße knallte und das Haus verließ, sagten meine Freundinnen noch: "Komm Sophie, mach dir nichts draus, du hast einen besseren Mann verdient." Es tat auch gut, in der Küche bei meiner besten Freundin Patty zu sitzen und Rotz und Wasser zu heulen, während sie das Abendessen für ihren Mann brutzelte und ihren krakeligen Sohn ermahnte, endlich ins Bett zu gehen. Wenn ich diese Familienidylle sah, war ich froh, wieder Single zu sein.
Auch Ramona, hektisch darum bemüht, nach einem langen Arbeitstag in der Bankfiliale, ihre Hausarbeit gegen neun Uhr abends zu erledigen, war eine dankbare Zuhörin. Mit meinen Erzählungen hatte ich sie ein wenig von ihrer eintönigen Arbeit abgelenkt.
Allmählich nahm aber das Interesse an meinen Schilderungen über Gangolfs schlechte Eigenschaften ab. In der heutigen Zeit geht es so schnell und hektisch zu, und man hat keine Zeit mehr für eine Freundin, der es wirklich dreckig geht. Sogar Ulrike, die ein katholisches Freizeitheim leitete, und für jeden Notleidenden ein offenes Ohr hatte, wurde mit der Zeit immer verschlossener.
"Sophie-Häschen, merkst du denn gar nicht, dass du immer das Gleiche erzählst?" fragte sie mich.
Aber nur nicht den Mut verlieren, eine gute Freundin habe ich noch, die immer zu mir hält. Google, heißt sie. Mir wird schon warm ums Herz, wenn ich meinen PC gestartet hatte, und Google mich mit ihren beiden runden Augen anschaut, als ob sie voller Optimismus sagen will: "Komm Sophie, gemeinsamen finden wir etwas über dieses Miststück von Ann-Kathrin heraus."
Erwartungsvoll gab ich in das Feld "Suchen" den Namen Annkathrin Täubner ein.
"Meinten Sie Ann-Kathrin Täubner" fragte gleich meine Freundin.
Ich denke, in der langen Zeit, in der wir uns schon kennen, könnten wir langsam mal zum 'Du' übergehen.
Google, diensteifrig wie immer, legte mir 'Ann-Kathrins' in rauen Mengen vor. Meistens stand der Vorname solo und eine zweite Person, die meinetwegen Erwin, Elke oder Rolf Täubner hieß, stand mit dabei. Ein, zweimal aber sah ich den Namen Ann-Kathrin Täubner in fetten Buchstaben im Zusammenhang auftauchen, und das ließ mein Herz vor Aufregung schneller schlagen. So nah war ich an meiner Rivalin, ich musste nur den Link anklicken.
Aber wie wäre es mal mit Bildern? Nach dem ich den Link angeklickt hatte, präsentierte mir Google stolz eine gesuchte Person. War sie das etwa? Eine dickliche Frau mit kastanienrotem Lockenkopf saß an einem Schreibtisch. Ich öffnete das Bild. Ih, war die hässlich, und auf so etwas stand Gangolf! Ich las die Bildbeschreibung am rechten Rand: Ann-Kathrin Täubner, 1. Vorsitzende der Freien Wählergemeinschaft Niedereulendorf. Amtszeit seit 1998. Alter: 43, Mutter zweier Kinder.
Nein, das war sie nicht. Es war schon außergewöhnlich, dass es noch mehr Frauen mit so einem merkwürdigen Namen gab.
Weil dies das einzige Bild war, das mir meine Freundin präsentierte, ging ich zu ihrer Websuche über. Der erste Link, den ich öffnete zeigte mir das gleiche in Grün an: Ann-Kathrin Täubner, 1. Vorsitzende....
Eine andere Ann-Kathrin Täubner klickte ich an und las: Auszug aus dem Bundesstaatsanzeiger. Ich öffnete den Adobe-Reader und las: "Nach sechsjähriger Amtszeit tritt die Abgeordnete, Ann-Kathrin Täubner, von ihrem Amt als Vorsitzende bei der Freien Wählergemeinschaft zurück."
Also ehrlich, warum stehen solche Seiten im Internet? Die will doch kein Mensch lesen!
Ich ging zur nächsten Ann-Kathrin Täubner über. Wenigstens war diese Frau Täubner in einem anderen Ort beheimatet als Niedereulendorf und auch keine Vorsitzende einer Wählergemeinschaft. Ann-Kathrins Heimatort schien nach der Postleitzahl irgendwo im Schwäbischen zu liegen. Und was stand da: Vereinsliste des Tennisclubs Grün/Weiß Ehlingen, Siegerin beim "Golden Cup": Anne-Kathrin Täubner. Ja, sportlich ist sie auch noch, Gangolfs neue Flamme.
Ich öffnete den Link und curste zu den Fotos der Sieger des letzten Turniers. Mein Mund wurde trocken, als ich bei dem Foto von Anne-Kathrin Täubner angelangt war. Nein, das war ja ein Kind von etwa zehn Jahren, das sich stolz den Schläger in der Hand, in seinem weißen Tennisdress fotografieren ließ!
Enttäuscht verließ ich die Websuche, denn da waren nur noch Solo dastehende Anne-Kathrins und Täubners zu finden.
"Google, alte Freundin, lass mich jetzt nicht im Stich!"
Zur Entspannung beauftragte ich Google, nette Bilder von mir selbst zu zeigen. Aber der Name Sophie Eberhaagen kam nicht so häufig vor und meine paar Namensvetterinnen brachten mir auch keinen großen Spaß.
Ich klickte wieder "Bilder" an und schrieb bei "Suchen" diesmal nur Ann-Kathrin ins Feld. Wenn man sein Foto aus irgendeinem Grund ins Internet stellte, stand schließlich nicht immer der Familiennamen mit dabei.
Google stellte mir eine ganze Reihe Bilder von Ann-Kathrinen vor. Erwartungsvoll klickte ich sie zum Vergrößern an. Die Ann-Kathrinen schienen gerne Tennis zu spielen und zu reiten. Meistens waren es Mädels von zehn bis dreizehn Jahren. Aber halt, da war ja eine schöne Ann-Kathrin, die könnte vom Alter her zu Gangolf passen. Es war eine große, schlanke Frau mit langem, schwarzem Haar. Bekleidet war sie mit einem glitzernden Body und ein Bein stellte sie lasziv auf einen Hocker. Ich klickte das Bild an und prompt erschien "Orange Box". Das wäre ja der Hammer, Gangolfs Ann-Kathrin arbeitete als Callgirl!
Ich ging auf die nächste Seite über. Die erste Ann-Kathrin sah sehr hübsch aus. Sie hatte blondes Haar und ein schönes Lächeln. Ah, da haben wir das Miststück, dachte ich und klickte hektisch auf das Link. Das Bild öffnete sich mit dem Titel "Ann-Kathrin Kramer - Schauspielerin -". Ach ne, so einen guten Geschmack hätte ich Gangolf doch nicht zugetraut.
Weiter ging die Suche, die Reihe der Bilder setzte sich fort - Seite 4, 5, 6,7, 8, 9, 10. Die Ann-Kathrins wiederholten sich. Es kamen viele Fotos vom "Ann-Kathrin Kramer Fanclub", dann waren wieder die kleinen, sporttreibenden Ann-Kathrins vertreten und letztendlich präsentierte mir Google noch ein ganz süßes Baby mit dem Namen Ann-Kathrin.
Schluss jetzt mit Ann-Kathrin, ich gab meiner Freundin den Auftrag, nach dem Namen Täubner unter der Option "Bilder" zu suchen.
Dieser Name war wesentlich häufiger vertreten als Ann-Kathrin. Männlein und Weiblein mit dem Nachnamen Täubner häuften sich. Ich öffnete Bilder mit alten und jungen Täubner, die Arnika, Else, Ulli, Eberhard, Janosch oder Hans-Dieter hießen, aber niemals Ann-Kathrin. Frustriert ging ich schließlich auf die 20. Seite von Googels Namensvorschlägen und öffnete ein Bild mit einem hübschen, dunkelhaarigen Mann. Vielleicht war das Ann-Kathrins Bruder. Unter "Bilder im Zusammenhang" kamen mehrere Seiten Fotos von dem jungen Mann, der Markus Täubner hieß. Aus dem Text entnahm ich, dass er Juniorenmeister im Biathlon war und in einem kleinen Ort im Erzgebirge lebte. Er schien noch Single zu sein, denn auf keinem der Fotos war eine Frau an seiner Seite zu erkennen. Ich klickte das mittlere Bild an, auf dem er mit nacktem Oberkörper, nur mit einem Handtuch bekleidet, die Sauna verließ. Wow, war das ein toller Mann!
Die gute Google versuchte mich zu verkuppeln. Dieser Markus ist mit Gangolf überhaupt nicht zu vergleichen. Erstens war er viel attraktiver als Gangolf und dann scheint er auch einen besseren Charakter zu haben. Schon alleine, wenn man in seine Augen schaute, die so viel Fröhlichkeit und Offenheit ausstrahlten, konnte man den Unterschied erkennen.
Ohne Vorwarnung tauchte ein kleines Fenster an der oberen, linken Bildschirmseite auf. Darauf stand: "Frau Eberhaagen, schließen sie bitte das Internet, Ihr Administrator."
Wie gemein, meine beste Freundin hat mich verraten!