Mitglied
- Beitritt
- 18.02.2002
- Beiträge
- 305
"Politisch korrekt" - um jeden Preis?
Folgende Aussage von querkopp aus einem anderen Thread habe ich heute gefunden:
Eine interessante Beobachtung.Gegen den erhobenen Zeigefinger wird sich ja keiner getrauen anzugehen, wer outet sich schon gern als Ausländerfeind, wer stellt sich selbst an den Pranger, weil er jemand anders schlecht gemacht hat?
Auch mir ist beim Lesen von Kritiken zu Geschichten schon aufgefallen, dass jeder sich bemüht, nur Geschichten mit "politisch korrekten" Aussagen zu posten. Teilweise kam es im Zuge von Kritiken sogar zu Aussagen wie: "Diese Geschichte ist menschenverachtend". Dabei werden oft Feindbilder erstellt und beibehalten, z.B. (um bei o.g. Beispiel zu bleiben) der Ausländer als armes, zusammengeschlagenes Opfer und der böse deutsche Neonazi mit seinen szenetypischen Springerstiefeln.
Wenn ich jetzt eine "politisch unkorrekte" Geschichte schreiben möchte - was passiert dann mit mir?
Angenommen, ich würde aus der Sicht eines Neonazis schreiben, der nur deshalb zum Ausländerhasser wurde, weil seine Schwester im Iran wegen Nichtbeachtung der Kleidervorschriften zusammengeschlagen wurde und der nicht damit klarkommt, dass Respekt vor den Gesetzen und Gepflogenheiten des Gastlandes für gewisse Menschen nur eine Einbahnstraße zu sein scheint, in der Toleranz zwar gefordert, aber im Gegenzug nicht geleistet wird?
Ich erinnere mich an eine Geschichte, in der ein Amoklauf geschildert wurde, aus der Sicht des Täters. Seine Aufregung kurz vorher, seine Freude beim Abdrücken und so weiter. Promt kam die Reaktion, ein Amoklauf sei IMMER eine Kurzschlußhandlung, und dem Autor wurde mehr oder weniger direkt unterstellt, die beschriebenen Gefühle des Täters seien demnach wohl seine eigenen.
Es gibt aber auch noch andere Geschichten, z.B. aus den Bereichen Vergewaltigung/sexuelle Nötigung, etc., die auch als Geschichte aus der Sicht des Täters interessant kommen müßten.
Inwieweit wäre ich als AutorIn sicher, dass man mir den Inhalt der Geschichte nicht als Aussage über meine Gesinnung auslegt und fortan behauptet, ich sei z.B. eine heimliche Perverse, die sich an Vergewaltigungszenen aufgeilt?
Wenn aber jede Geschichte, die nicht harmonisch mit dem Tenor der Herde übereinstimmt, gleich kilometerlange Off-topic-Diskussionen auslöst oder der Autor in Grund und Boden verdammt wird - wo bleibt denn da noch die künstlerische Freiheit?
Was meint ihr dazu?
[ 30.04.2002, 11:01: Beitrag editiert von: Pipilasovskaya ]