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*Porno
*
Auch im Leben eines alleinstehenden Büroangestellten Mitte vierzig gibt es Gelegenheiten, am Leben teilzunehmen. Meine kam, als ich eines Tages den Briefkasten öffnete und das Kuvert einer Filmproduktionsfirma namens Mittenrein vorfand.
Der Produzent der Filmfirma fragte an, ob ich Interesse hätte, bei seinem neuen Projekt mitzuwirken – einem Pornostreifen mit dem Titel Die schamlose ehebrecherische Italienerin. Sie wollten mich für eine der männlichen Hauptrollen; die weibliche Hauptrolle würde Antonella Capri spielen.
Ich kannte Antonella Capri nicht, aber zum Glück hatten sie aussagekräftige Pictures früherer Produktionen beigelegt. Antonella war eine rassige Schwarzhaarige mit biegsamer Figur. ‚Gekleidet’ war sie auf den Pictures in ein Dienstmädchen-Outfit aus dem vorletzten Jahrhundert, und sie war damit beschäftigt, Graf Dracula um den Verstand zu vögeln. Jedenfalls kam er nicht zum Saugen.
Endlich passierte mal etwas in meinem öden Leben!
Ich hatte als Nebenjob zweimal bei Werbespots für Plastik-Büroklammern in lokalen Kinos mitwirken dürfen: als Büroangestellter Friese mit dem Spruch „So hält die Klammer - was ein Hammer!“
Im wirklichen Leben aber war ich – Büroangestellter und sortierte die Schadensfälle einer Busenversicherungsanstalt nach Körbchengrößen.
Ich stürmte in meine Wohnung, griff zum Telefon und rief bei Mittenrein an: Wie sie auf mich gekommen seien? Ich sei ihnen von jemandem aus der Werbebranche empfohlen worden, sagten sie, und genau der passende Typ für den Film. Es eile außerdem, da übernächste Woche schon Drehtag, aber der Mann, der meine Rolle eigentlich gehabt habe, von einer unbekannten Krankheit befallen worden sei und nicht kommen könne.
Ich sagte sofort zu und nahm einen Tag Urlaub. Antonella Capri und ich! Zusammen im Bett oder wo auch!
Gleichzeitig packten mich Sorgen. Was, wenn Antonella mich nicht erotisch fand? Ich fuhr zum nächsten Sexshop und sah mich um, was es dort zu kaufen gab. Es überzeugte mich ein Pheromonprodukt, das aus den Säften des auf Madagaskar lebenden Sumpfsuhlkröterichs gewonnen wurde. Der Sumpfsuhlkröterich (ekelkrötus maximus penisalis) besaß in seinem natürlichen Umfeld ein Revier von fünfhundert Quadratmetern und hatte während der Paarungszeit die Aufgabe, möglichst viele Weibchen anzulocken und zu penetrieren. Das schaffte er alleine durch seine Ausdünstungen. Die Weibchen seien fast besinnungslos vor Lust, es mit dem Kröterich zu treiben, stand auf der Packung. Und der Mensch sei dem Kröterich genetisch nicht unähnlich.
Ich kaufte mir einen halben Liter des Krötensafts für 189 Euro und nahm auch noch eine 400-Milliliter-Flasche Aphrodisiakum, weiß-rot-blau gerautete FC-Bayern-München-Herrenreizwäsche, eine Penisvergrößerungssalbe und eine Zwölferpackung Viagra mit. Ich wollte auf Nummer sicher gehen.
Am Drehtag duschte ich im Krötensaft, vergrößerte mit der Salbe meinen Penis, warf mich in die Erotikwäsche, trank die Flasche Aphrodisiakum aus und schluckte sämtliche Viagra-Pillen. Dann stieg ich in mein Auto; ich war vor Geilheit kaum noch fahrtüchtig. Antonella!, schrie es in mir. Vor jeder roten Ampel krampften sich meine Finger ums Lenkrad. Dann war ich dort. Ich lief die Treppen zum Studio hoch.
„Geht’s los?“, rief ich.
„Moment“, sagte der Assistent. „Gehen Sie noch mal da rein, Vorbesprechung.“ Er deutete auf eine Tür.
Vorbesprechung? Was für eine Vorbesprechung? Was gab’s bei einem Pornofilm vorzubesprechen?
Der Regisseur begrüßte mich; wir setzten uns. Am Tisch saßen noch drei Leute: der Kameramann, ein italienisch aussehender Hüne (namens Basti) und – Antonella! Sie trug ein eng anliegendes, schwarzes Kleid, schwarze Netzstrümpfe und lächelte mich an. Ich wollte zurücklächeln, konnte aber nicht, weil das Viagra meine Gesichtsmuskulatur versteift hatte. Ich fühlte mich an wie ein Ganzkörperpenis kurz vorm Zerspringen.
Der Pornofilm hatte eine Story, und der Regisseur begann, die verdammte Story von Anfang bis Ende zu erzählen – ich konnte seinen Erläuterungen nur mit äußerster Mühe folgen, während die Hormonsuppe in mir schwappte und mein vergrößerter Penis nach den Krötenweibchen rief. Der Plot war Folgender: Es gab drei Hauptrollen. Carla, eine geile schamlose Italienerin, hatte ein verbotenes Verhältnis mit einem geilen schamlosen Italiener namens Fickaro, und sie vögelten pausenlos und geil und schamlos ohne Unterbrechung den ganzen Film hindurch in insgesamt siebenunddreißig verschiedenen Stellungen. Das waren die Rollen von Antonella und Basti, dem Hünen, der mich jetzt dumm angrinste. Die beiden machten es praktisch unter den Augen des vertrottelten Ehemanns von Carla (eines deutschen Fahrkartenkontrolleurs), sogar in dessen Beisein, zum Beispiel hinter dem Fernseher im Wohnzimmer, während jener WETTEN DASS schaute, ohne dass er die Unzucht mitbekam. Sein Name war Herbert. Das war meine Rolle. Ich war der Humorfaktor in dem Pornofilm.
Gekleidet in Reizwäsche, vollgepumpt mit Viagra und Sexuallustverstärkern und geduscht mit Sumpfkrötenlockstoffen hatte ich jetzt, so wie es aussah, den ganzen Tag nichts weiter zu tun als wie ein Depp in der Kulisse zu sitzen, während Antonella es um mich herum mit Basti trieb. Ich glaubte zu zerplatzen.
„Was? Wieso?“, rief ich.
„Weil Sie ein langweiliger Typ sind! Sogar die Büroklammern in Ihrem Spot wirken irgendwie ... interessanter; genau der Typ für die Rolle“, schwärmte der Regisseur und verstummte dann, weil ich aufgesprungen war und mich auf Antonella stürzte, die knapp entkam und kreischend in alle Richtungen flüchtete, während ich brünstig brüllte wie ein Auerochse, sie solle jetzt sofort herkommen! Mir war jetzt alles egal! Ich ließ mich nicht verarschen! – Antonella und der italienische Hüne stürzten über umkrachende Stühle ins Bad und verrammelten von innen die Tür, die ich trotz wütenden Gezerres am Griffs nicht aufbekam – aber den Kameramann hatte ich in der Zimmerecke bereits in die Enge getrieben – ich riss mir schon die Knöpfe der Hose auf, als der Regisseur mich von hinten packte; ich stürzte mit ihm zu Boden und begann, ihn wild und geil zu küssen – bis mich irgendetwas sehr hart am Kopf traf. Es wurde schwarz. Ich streckte alle Fünfe von mir. Mein erster Einsatz als Filmstar war beendet.
Von der Strafanzeige wegen „sexuellen Angriffs auf das Team einer Pornofilmproduktion“ spreche ich auch jetzt, Monate danach, nur äußerst ungern. Allerdings kann ich seit jenem Tag an keinem Weiher mehr vorbeigehen, ohne dass ein erhebliches Quaken der weiblichen Kröten einsetzt. Vielleicht trete ich - eines Tages - damit bei WETTEN DASS auf.