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Portishead-Phase

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09.01.2002
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Portishead-Phase

Heute habe ich Geburtstag.
Es regnet, im Radio läuft Portishead und mein Herz liegt zerschmettert im Fußraum meines Autos. Obwohl es grau und dunkel ist, trage ich eine Sonnenbrille.
Dumpfe, tiefe Bässe klirren aus den Boxen, bringen die Innenverkleidung meines japanischen Kleinwagens zum erzittern. Meine Gedanken sind Watte, drehen sich im Kreis, immer um einen Satz herum: Es geht nicht.
Es ist eine Portishead-Phase. So wie ich sie früher schon öfters hatte.
Ich dachte eigentlich, ich wäre dem entwachsen, wäre zu alt für den Scheiß.
Immerhin habe ich eine Frau und Kinder ...
Es geht nicht.
Mein Kopf weiß das, weiß, dass es besser so ist.
Was von meinem Herzen übrig geblieben ist, liegt irgendwo zwischen ausgedörrten MacDonalds Pommes und alten Parkscheinen und summt die Melodie von Roads mit.

How can it feel, this wrong
From this moment
How can it feel, this wrong
Es geht nicht.
Klar, ich weiß das. Aber warum fühlt es sich trotzdem so falsch an?
Mir wird gerade bewusst, dass ich mit 80 KM/H über die rechte Spur krieche.
Ich konnte gestern Nacht nicht schlafen. Habe immer wieder ihr Gesicht gesehen.
Wie sie sich zu mir umdreht, lächelt und ihre Augen vor Verlangen glänzen.
Es kann nicht funktionieren.
Als wüsste ich das nicht selbst.
Kurz und knapp hat sie mir die Abfuhr erteilt.
Vergiss mich, ich war dumm.
Ich hoffe nur sie leidet, wie ich leide.
Hoffe für mich, dass sie nicht einfach nur gespielt, sich verspielt hat.
Ich wünsche mir, dass sie gestern Nacht auch nicht schlafen konnte. Ich wünsche mir, dass sie gerade ihre Radiohead, Coldplay oder von mir aus auch Reinhard Mey-Phase hat.
Ich wünsche mir, dass sie weinen musste.
Alles ist besser, als der Gedanke ich sei ihr eigentlich egal.
Es geht nicht.
Kurz angebunden, Buchstaben, die über einen Bildschirm flimmern, kalt, gefühllos.
Es geht nicht.
Keine Stimme die etwas verrät, kein Gesicht aus dem man lesen kann.

Es ist eine Portishead-Phase.
Ich nehme Anlauf auf dem 3-Meter-Brett meiner Gefühlswelt und springe voller Enthusiasmus in das Selbstmitleid-Becken hinein. Ich tauche ab in selbsteingeredeter Liebe, suhle mich im herbeigeführten Schmerz und genieße die Tatsache, dass ich endlich mal wieder so richtig schön leiden kann.
Es ist besser so.
Natürlich ist es besser so.
Ich weiß das.
Sag das aber mal den Kollegen im Fußraum, die gerade die Violine ausgepackt haben, um den portischeadschen Trauermarsch zu begleiten.
Obwohl ich weiß, dass du es nicht tun wirst, hoffe ich immer noch, dass du dich noch meldest, mir zeigst, dass auch du schwach bist und mein Ego damit wieder aufbaust.
...
Tu es nicht.
...
Es wird nicht funktionieren.
...
Happy Birthday.

 

Hallo grasi!

Deine Geschichte hat sprachlich ihre schönen Momente: das Herz, das zwischen alten Fritten im Fußraum des Autos Violine spielt. Die kreiselnden Wattegedanken. Die von-mir-aus-Reinhard-Mey-Phase.

Leider hatte ich aber auch manche Probleme, vor allem inhaltlicher Art.

Wer ist die Frau? Seine Geliebte? Seine Ehefrau, von der er getrennt lebt und mit der er es doch wieder versucht hat? Warum glänzen ihre Augen vor Verlangen, und dann erteilt sie ihm doch eine eiskalte Abfuhr? Was geht nicht? Erektile Dysfunktion oder akuter Anfall von Moral?

Manche Bilder sind etwas überzeichnet, z.B. der Sprung vom 3-m-Brett - sich im Schmerz zu suhlen und sein Leiden zu genießen ist eine Doppelung, eins von beidem kann weggelassen werde.

Und, sorry, aber da ich Portishead nicht kenne, kann ich mit einem nicht unwesentlichen stimmungsmachenden Aspekt der Geschichte nichts anfangen.

Ansonsten eine schöne Momentaufnahme von akutem Liebeskummer.

Gruß, Pardus

 

Hallo grasi,

mir haben wie dem Pardus ein paar Sätze oder nenn es Ideen gut gefallen:
- mein Herz liegt zerschmettert im Fußraum meines Autos
(vielleicht ein bissl pathetisch, aber die Idee ist für mich neu)
- Ich nehme Anlauf auf dem 3-Meter-Brett meiner Gefühlswelt und springe voller Enthusiasmus in das Selbstmitleid-Becken hinein.
- Sag das aber mal den Kollegen im Fußraum, die gerade die Violine ausgepackt haben (mein Lieblingssatz in diesem Text)

Was mir nicht so gut gefallen hat:
- Obwohl es grau und dunkel ist, trage ich eine Sonnenbrille. (Ist geklaut bei den Blues Brothers)
- Kurz angebunden, Buchstaben, die über einen Bildschirm flimmern, kalt, gefühllos. (Sowas hab ich schon zu oft gelesen, auch wenn ich nicht genau weiß, wo)

Sprachlich find ichs im Großen + Ganzen gelungen, allerdings ists keine Geschichte, sondern nur eine Skizze.

Grüße,
leixoletti

 

Hallo Grasi,

bin immer ein großer Freund davon, Songtexte in Geschichten einzubauen, oder aus Songtexten Geschichten zu machen. Leider muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich von Portishead noch nichts gehört habe, aber das macht nichts, umd den Text zu transportieren. Kenne schließlich auch nicht die Songs, die Lukianenko zitiert, und spüre trotzdem was er meint.

Also mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, ein paar sprachliche Höhepunkte, die mich zum Schmunzeln brachten:

Sag das aber mal den Kollegen im Fußraum, die gerade die Violine ausgepackt haben, um den portischeadschen Trauermarsch zu begleiten.

Ja, den hab ich vor Augen gehabt, wie er da im Fußraum hockt und seine traurige Weise spielt... Schön...

Gruß
odrees

 

Danke für die netten Worte.
Ich kann Portishead im übrigen sehr empfehlen. Ist aber eher was für die nachdenklichen Momente im Leben. ;)

allerdings ists keine Geschichte, sondern nur eine Skizze.
Da gebe ich dir recht. Es ist eine Momentaufnahme, die dazu dient eine bestimmte Stimmung einzufangen.

 

Hallo grasi,

ja, eine Momentaufnahme. Sprachlich hat sie mir durchaus gefallen. Da suhlt sich der Verlassene in Selbstmitleid und wünscht der Person, der er hinterhertrauert sogar Reinhard Mey an den Hals. Wer war wohl noch nicht in so einer ähnlichen Situation? Um eine Geschichte in dem Sinne zu sein, fehlt da natürlich mehr „Fleisch“, aber das weißt Du ja auch.

Für mich war es seine Geliebte, bzw. ja jetzt ehemalige Geliebte. Der Hinweis, er hätte ja Frau und Kinder und deswegen könne es nicht funktionieren, hat mir persönlich eigentlich schon genügt.

Ich muss gestehen, dass ich nicht zu den Fans von Songtexten in Geschichten bin- die überlese ich meistens. Als Zitat vor der eigentlichen Geschichten finde ich es in Ordnung, aber im Text, überspringe ich diese Stellen. Die paar Zeilen hier waren für mich noch okay. Aber man wird es eh nie wirklich allen Recht machen können :)

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo grasi,

mir (übrigens ein bekannender Reinhard Mey-Begeisterter, zumindest der früheren Werke, als der noch jüünger war ich ich heute bin) ist das zu sehr Blaupause eines allbekannten Allgemeinplatzes, Mann liebt Frau, Frau liebt Mann, eineR von beiden will nicht mehr, Rest von den beiden will doch und jammert rum.
Es ist mir zu sehr angefüllt mir Selbstmitleid und zu wenig mit Innovation, um dieses Thema zum wiederholten Mal serviert zu bekommen.

suhle mich im herbeigeführten Schmerz und genieße die Tatsache, dass ich endlich mal wieder so richtig schön leiden kann.
diesen Eindruck hatte ich auch

Textkram:

MacDonalds Pommes
Mc Donalds
Mir wird gerade bewusst, dass ich mit 80 KM/H über die rechte Spur krieche.
km/h
um den portischeadschen Trauermarsch zu begleiten.
portisheadschen

Wenn schon (nur) Stimmungsbild, dann bitte eines, das neu ist. Und wenn schon kein neues, dann wenigstens eines, das intensiv ist.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo grasi,

muss mich da C Seltsem anschließen. Das war nix. Da tut es mir ja fast um die Band leid, die du im Titel verhunzt ;)
Im Ernst - hör dir die Musik mal genau an und versuche nur einen Hauch von dem transportierten Schmerz in deine Aufnahme zu bringen, davon könnte deine Geschichte nämlich mächtig profitieren. n dieser Form ist das schlicht larifari, nix da Portishead.
MIch hat dieses ständige "Es geht nicht" kalt gelassen. Das ist mir alles zu dünn und unausgegoren.
Mehr Portishead wäre besser ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Ich kenne Portishead gar nicht!!! wie peinlich! Aber dein Text inspiriert mich dazu, es mir mal anzuhören. Dein text fand ich gut. Unter der Sonne ist natürlich nichts neues, aber dein Text ist kurz und knapp, ein paar coole Sätze sind drin, (die andere schon zitiert haben), es liest sich flüssig, und ist völlig nachvollziehbar. Nicht der große Wurf natürlich, aber ich mochte es.

mfg,

JuJu

 

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