Was ist neu

Post für Christophorus

Seniors
Beitritt
22.10.2004
Beiträge
819
Zuletzt bearbeitet:

Post für Christophorus

„Guten Tag“, sagte Jota, zupfte seinen Hemdkragen zurecht und schob den zerknitterten Zettel durch das Schalterfenster. „Es ist ein Paket für mich gekommen.“
Der Postbeamte warf einen kurzen Blick auf das Papier und klopfte mit seinem Kugelschreiber auf den Tisch.
„Ihren Ausweis, bitte. --- Das Paket ist nicht für Sie.“
Jota zögerte.
„Doch, doch, es ist für mich. Es ist an die Adresse meines Ladens geschickt worden –“
„Dieses Paket ist für den Heiligen Christophorus“, antwortete der Postbeamte, „und dieser Ausweis ist nicht auf den Namen eines Heiligen ausgestellt.“
„Das Paket ist für mich“, beharrte Jota.
„Wollen Sie damit behaupten, dass Sie der Heilige Christophorus sind?“ Der Postbeamte musterte ihn wie abschätzend.
Jota seufzte.
„Nein, ich bin natürlich nicht der Heilige Christophorus ...“
„Dann ist das Paket also auch nicht für Sie.“
„Doch, das ist es! Es gibt Leute, die mich so nennen ...“
Der Postbeamte zog die Augenbrauen hoch. „Sie lassen sich Heiliger Christophorus nennen? Das grenzt aber schon an Blasphemie.“
Jota holte tief Luft. „Der Heilige Christophorus ist der Schutzpatron der Reisenden.“
Der Kugelschreiber trommelte im klassischen Rhythmus der Prozessionstrommeln auf die Tischplatte. „Das ist mir durchaus bekannt.“
„Vor einer Weile habe ich Touristen bei mir aufgenommen, die mitten in der Nacht völlig erschöpft hier ankamen. Sie waren stundenlang über die Bahngleise gelaufen, wissen Sie. Und, na ja, die haben mich dann Heiliger Christophorus genannt.“
„Ein Fall von Verwirrung“, kommentierte der Postbeamte. „Und Sie haben diesen Irrtum nicht aufgeklärt? Glauben Sie denn wirklich, dass Sie der Heilige Christophorus sind?“
„Nein, das glaube ich natürlich nicht ...“
„Warum glauben Sie dann, dass dieses Paket für Sie ist?“
„Aber wenn es doch an die Adresse meines Ladens geschickt wurde!“
„Das könnte bedeuten, dass sich der Heilige Christophorus in Ihrem Laden aufhält.“
„Der Heilige Christophorus ...“ Jota wischte sich über die Stirn und suchte nach Worten. „Ich habe Ihnen doch erklärt, dass ich das bin, in gewisser Weise!“
„So!“ Der Beamte ließ den Kugelschreiber auf Jotas Zettel kreisen. „Sie glauben es also doch. Was bringt Sie zu dieser Annahme?“
„Ich bitte Sie, es ist einfach der Name, den mir die Touristen gegeben haben“, erwiderte Jota. „Bitte. Darf ich jetzt endlich mein Paket haben?“
„Dieses Paket ist für den Heiligen Christophorus, und wenn es nicht der Heilige Christophorus ist, der an der angegebenen Adresse wohnt, dann müssen wir das Paket wohl mit dem Vermerk ‚Empfänger unbekannt verzogen’ an seinen Ursprungsort zurückschicken.“
„Aber es ist für mich!“
„Dann sind Sie der Heilige Christophorus und das können Sie nicht nachweisen.“
Jota rollte mit den Augen.
„Es ist doch nur ein Spitzname! Ich flehe Sie an, geben Sie mir das Paket. Warum machen Sie es nicht einfach auf? Sie werden sehen, da ist bestimmt nichts drin, was ein Heiliger gebrauchen kann ...“
„Als normalen Menschen steht es uns nicht zu, darüber zu urteilen, was ein Heiliger gebrauchen kann und was nicht“, entgegnete der Postbeamte und griff nach einer Schere. „Außerdem verstößt es gegen das Postgeheimnis.“
Jota sah ungläubig zu, wie der Mann unter den Tisch griff und ein kleines Päckchen zutage förderte, auf dem in großen Buchstaben „An den Heiligen Christophorus“ stand.
„Moment mal, was tun Sie denn jetzt?“
„Ich bin auch nur ein Mensch“, antwortete der Beamte fast fröhlich, während er das Papier zerfetzte.
„Aha, hier ist ein Brief für den Heiligen Christophorus. Und hier ...“ Er unterbrach sich. Auch Jota starrte das rosafarbene Etwas an, das der Postbeamte hochhielt. Es war ein Babyoberteil mit der silbernen Aufschrift „Princess“.
Plötzlich schnippte Jota mit den Fingern.
„Ich weiß, was das ist! Das ist für meinen Hund!“
„Das ist doch nicht für einen Hund!“
„Doch! Ich habe einen kleinen Hund namens Princesa. Meine Gäste haben sie in ihrem Pyjama gesehen und da müssen sie gedacht haben ... Was für eine niedliche Idee!“
„Seien Sie nicht albern! Erst soll es für Sie sein, dann für Ihren Hund, und in Wahrheit ist es ohnehin für den Heiligen Christophorus!“
„Aber Sie müssen doch einsehen, dass niemand dem Heiligen Christophorus rosa Babykleidung schicken würde!“
Der Postbeamte wedelte nachdenklich mit dem Präsent.
„Was weiß ich! Vielleicht ist es ja auch fürs Jesuskind, das er immer auf seinen Schultern trägt.“
„Aber dann müsste ja Jesuskind auf dem Umschlag stehen“, trumpfte Jota auf, „und das steht nicht da. Da steht nur die Adresse von meinem Laden. Also ist das Paket ...“
„Für den Heiligen Christophorus.“
„Nein, es ist für mich und das rosa Ding ist für meinen Hund ...“
„Der Heilige Christophorus hat keinen Hund.“
„Lassen Sie mich wenigstens den Brief lesen.“
„Das verstößt gegen das Briefgeheimnis“, sagte der Postbeamte, während seine Augen über die Zeilen glitten. „Hm ... vielen Dank ... eine Kleinigkeit für Princesa ... tatata ... Aha!“
Seine Miene hellte sich, und er faltete das Blatt zusammen. „Ich verstehe!“
Jota atmete auf und blickte den Mann hoffnungsvoll an.
„Sie sehen also, dass das Oberteil einfach für meinen Hund ist?“
„Aber nein“, korrigierte der Beamte. „Das ist gar nicht Ihr Hund! Princesa gehört dem Heiligen Christophorus – so steht es im Brief!“
„Princesa ist mein Hund, das kann ich beweisen“, sagte Jota einigermaßen verzweifelt.
„So?“, fragte der Beamte zweifelnd. „Dann sind Sie wohl doch der Heilige Christophorus, oder darf ich vermuten, dass Sie das arme Tier entwendet haben?“
Jota knöpfte seinen Kragen auf. Er fuhr sich durchs Haar. Er kämpfte gegen die Tränen.

Hunderte von Kilometern entfernt lagen zwei Mädchen in ihren Hotelbetten, zusammengerollt im Halbdunkel des fast fensterlosen Zimmers. Ausgetretene Schuhe standen nebeneinander.
„Glaubst du, unser Paket ist angekommen, trotz dem Heiligen Christophorus?“
„Aber ja! Die Behörden hier sehen das nicht so eng.“
„Jota wird sich freuen ...“

 

Was Kleines und Albernes, das Jota, Princesa und meiner lieben Mitreisenden in Perú gewidmet ist.

 

Phola Malinche!

Jo, klein und albern ist die Geschichte ... dass sie nicht die beste ist, weisst du ja selber, aber trotzdem, was Nettes für zwischendurch. Sie wäre beinahe nervig geworden, aber du hast gerade noch die Kurve geschafft. Die Handlung ist sehr simpel gestrickt, zusammgefasst:
"Ja."
"Nein."
"Doch."
"Nein!"
Was soll ich sonst noch Konstruktives sagen? Wahrscheinlich bin ich schon selber betriebsblind, weil ich zu viele deiner Geschichten gelesen habe. Für Kritik musst du wohl andere Leute suchen. :)

Liebe Grüsse,
sirwencita

 

Hi Malinche,

mir hat deine kleine Geschichte leider nicht gefallen. Die Idee fand ich ziemlich nett, dass er das Paket wegen sturer Bürokratie nicht bekommt. Sprachlich gibts eigentlich auch nichts auszusetzen.

Der Grund warum sie mir nicht gefallen hat, waren die Dialoge. sirwen hat es ja schon angedeutet. Es läuft immer nach dem gleichen Schema ab. Anfangs war ich nur genervt von dem Postbeamten und das ist ja nicht unbedingt schlecht. Aber irgendwann wurde mir dieses ständige "Nein Doch" zuviel und ich war von dem ganzen Szenario genervt. Ich denke es würde helfen wenn du den Dialog an manchen Stellen in die Erzählform umschreibst. In dem du einfach schreibst "Das ganze Spielchen ging noch zehn Minuten so weiter..." oder der gleichen. Dann wieder etwas Dialog. Das es eben abwechslungsreicher wird. Du könntest auch noch einiges kürzen, da in deiner Geschichte ja nicht wirklich viel passiert.

lg neukerchemer

 

Man erwartet immer einen Wendepunkt in einer Geschichte. Dass er hier nicht kommt zeugt auch von einigem Mut.
Überdrüssig der Standard-Geschichten sage ich doch, dass mir diese Geschichte sehr gefällt. Einzig und allein der Stil müsste etwas höher angesiedelt sein. Denn wo der Text selbst keine Überraschungen zulässt müsste eine Höher-Kodierung stattfinden. So etwa in Reimform oder etwas in der Art.
Als Gedicht würde es sicherlich besser passen. Aber auch so ist es mal was Anderes.

 

Phola sirwen,
danke dir fürs Lesen und deine ... äh ... konstruktive Kritik.
Im Ernst, ich weiß ja, dass die Geschichte kein Meisterwerk ist. Vielleicht kann ich trotzdem noch ein bisschen dran schleifen, damit sie als Zwischendurch-Snack noch verdaulicher wird ...

Hallo neukerchemer,
da werd ich wohl noch mal drüber schauen müssen, ob ich den Text an irgendeiner Stelle noch kürzen und verdichten oder aber eine Wendung einbauen kann ... je nachdem, was passt. Dank der typischen Betriebsblindheit des Autoren kann ich selber gerade schwer abschätzen, ab wann das Schema zu nerven beginnt. Werd ich mir noch mal anschauen. Auf jeden Fall danke fürs Lesen :)

Hallo Dziki,
der Starrsinn der Bürokratie bringt ja auch keine Wendepunkte. Interessant, dass dir die Geschichte gefällt, aber du einen anderen Stil haben willst ... Das wäre dann vielleicht was fürs Experimente-Forum. ;)
Jedenfalls schön, wenn die Geschichte für dich auch was Nettes für zwischendurch war.

Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hallo Malinche,

diese Geschichte steht zwar hinter dem zurück, was man sonst von dir gewohnt ist, aber als nette Unterhaltung für Zwischendurch fand ich sie durchaus gut.
Ein bisschen strafen könntest du den Dialog noch - das Hin und Her zwischen dem Postbeamten und Christophorus wird gerade gegen Ende etwas langatmig. Der Dialog könnte spritziger werden, wenn du dich von der einen oder anderen Stelle trennst.

Aber: Gerne gelesen.

Lieben Gruß, Bella

 

Hallo Bella,
danke dir fürs Lesen und schön, dass du sie nett fandest - sollte ja auch nur was Kleines für zwischendurch sein. :) Von einigen Stellen werd ich mich auf jeden Fall trennen, die ziehen wirklich nur unnötig in die Länge, hoffentlich komme ich am Wochenende dazu ...

Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hallo, Malinche!

Mir hat deine Geschichte gefallen. Sie erinnert mich ein wenig an die absurd-witzigen Geschichten von Ephraim Kishon. Am Ende hätte ich gerne gewusst, ob er das Paket doch noch bekommt. :) Da die Geschichte auf einer "wahren Begebenheit" beruht, wäre es zudem interessant, Jotas Begegnung mit euch etwas ausführlicher zu schildern. Aber das bleibt natürlich dir überlassen. :)

Liebe Grüße,
Iris

 

Hallo Iris82,
du kriegst erst jetzt eine Antwort, weil ich die Geschichte vorher überarbeiten wollte. Sie ist jetzt minimal gestrafft - beim Kürzen bin ich halt betriebsblind.
Freut mich, dass du sie mochtest. Unsere reale Begegnung mit Jota wäre sicher noch mal eine Geschichte für sich - wie er in der Geschichte sagt, sind wir stundenlang nachts über die Bahngleise gelaufen, auf einer Alternativstrecke nach Machu Picchu und mit nur einer Taschenlampe. Das war echt ein Erlebnis. :)
Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hey Malinche!

Ich finde deine Geschichte ziemlich unterhaltsam, etwas so für zwischendurch, so wie beabsichtigt. Es ist witzig, wie Jota immer mehr -recht ungewöhnliche und etwas peinliche- Einzelheiten erzählen muss und wie der Postbeamte seine Überlegenheit schamlos ausnutzt und zu allem auch noch jotas Post liest, die er ihm verwehrt.:lol:
Ausserdem verknüpft die Geschichte auf amüsante Art das Christentum und die Engstirnigkeit von Beamten. Eine originelle Idee! :thumbsup:

Allerdings finde ich, dass die Charaktere etwas platt sind; so, also wäre für sie zu wenig Raum in der Geschichte. Sie wäre für meinen Geschmack noch um einiges unterhaltsamer, wenn die Charaktere mehr ausgeschmückt würden!
(Eigenheiten im Aussehen, Gesichtsausdrücke, Stimmlagen)

Liebe Grüsse,
Mindli

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom