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- 17.04.2005
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Prima Ballerina
Ich danke dir, für deine Offenheit. Deine Ehrlichkeit. Dennoch bist du nicht mehr da, hast mich einfach alleingelassen, weil du meintest ich könne es schaffen. Und nun stehe ich hier, von all diesen Schönheiten umgeben und warte auf ein Zeichen. Du sitzt zu Hause mit Musik in den Ohren und tanzt in Gedanken auf der Veranda. Mein Herz wird schwer wenn ich daran denken muss, wie sie mich anriefen, ich hatte Angst, es könne etwas passiert sein. Angst um deine Beine, Angst um deinen Traum. Ich sehe dich immer noch vor mir, im Mondschein auf der Wiese, deine Füße bewegen sich im Takt und du schwebst als ob du eins wärst mit den Klängen. Und wenn die Welt deine ganze Tanzfläche wäre, du würdest immer noch schweben, leicht wie die Schneeflocken, die im Winter die Fenster unseres Hauses zierten. Nun wo du nicht mehr kannst, ist es mein Traum, denn ich leben muss. Für dich. Ich habe lange gebraucht bis ich soweit war, tausende von Schuhen hab ich blutig getanzt, die Takte haben mich in den Wahnsinn getrieben, denn nicht ich, sondern du warst die Geige, die der Musik den Klang verliehen hat. Es ist mir schwer gefallen dich allein zurückzulassen, ein Leben lang war ich nicht von dir getrennt und nun wo es an mir liegt, da kann ich nicht mehr. Ich habe dir immer gerne zugesehen, als kleines Mädchen bin ich heimlich wenn es spät war nach draußen geschlichen um dich zu beobachten, wie der Klang deiner Schritte eine Symphonie mit dem Prasseln der Regentropfen bildete. Und nun bist du es die mich beobachtet, jeden Schritt aufs Neue korrigiert, mir keine Zeit gab, um noch einmal Kind zu sein. Und dennoch kann ich nicht von dir lassen, denn egal was war, und was noch sein wird, ich muss deinen Weg gehen, denn deine Beine können dich nicht mehr tragen. Ich weiß noch wie wir als Kinder im Feld saßen und die Schmetterlinge beobachtet haben. Auch du warst einer von ihnen. Deine Beine waren wie Flügel und immer wenn du einen Fuß vor den anderen setztest, habe ich gewartet, dass du anfängst zu fliegen, deine Flügel ausbreitest, und mit den Bienen um die Blumen tanzt. Ich sehne mich nach unseren Kindertagen zurück in denen alles so leicht, so unbefangen war. Deine Kleider bewegten sich immer im Takt des Windes, so als ob er dich zum Tanz aufforderte, und du kamst seiner Bitte nach. Meine Füße sind wund vom tanzen, jeder Schritt schmerzt und einzig allein das Tapeband hält meine Knöchel zusammen. Du hast nicht auf ihn gehört, als er im weißen Kittel kam und sagte es wäre besser aufzuhören. Du kanntest keine Gnade, und nun stehe ich hier auf morschen, alten Brettern. Sie knarren bei jedem Schritt den ich gehe, und die Menschen im Saal starren mich an. Ich warte noch immer auf das Zeichen, und du bist nicht da. Meine Füße wippen im Takt der Bretter, ich denke daran, dass ich nicht verlieren kann, nicht verlieren darf. Du würdest bitterlich weinen. Du bist immer noch der kleine Schmetterling der farbenfroh im Sommerwind seine Flügel hebt, nur das ich heute für dich fliegen muss. Die Musik ertönt. Mein Herz fängt den Takt der Klänge auf, und ich tanze nur für dich. Ich denke an dein Lächeln und wie du mich in die Arme schließen wirst, wenn ich mich zu dir herunterbeuge. Meine Füße bewegen sich, ich stelle mir vor ich wäre an der Felsenklippe und der Wind würde mich tragen. Langsam sickert das Blut durch meine seidenen Schuhe, doch ich merke es nicht, ich darf es nicht, nicht bevor die letzten Takte verstummen. Die Geräusche der Bretter verschwinden bei jedem Schritt ein wenig mehr und ich löse mich von den Qualen. Ich tanze meinen letzten Tanz für dich, so als wäre ich der Sonnenstrahl, der den Tau von den Halmen löst, denn ich lebe deinen Traum als Prima Ballerina.