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Prospero und Kerberos

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09.08.2006
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Prospero und Kerberos

Zu keiner Zeit habe ich damit gerechnet, besonders alt zu werden und in letzter Zeit glaube ich noch weniger daran. Deshalb habe ich mich, nachdem ich von verschiedenen Personen immer wieder dazu gedrängt wurde, nun entschieden, diesen Bericht abzufassen. So wird sich jeder, den es interessiert, selbst ein Bild von den Ereignissen dieses unseligen Abends in diesem noch unseligeren Landhaus machen können.
Eins noch – sollte irgendwer, der dieses Schriftstück zu lesen bekommt mutmaßen, dass sein Inhalt auf einer überreizten, mit Drogen noch weiter angestachelten Phantasie und einem ungesunden Interesse für griechische Mythologie beruht, so kann er sich sicher sein, dass auch ich dies verzweifelt hoffe.


Die Zusammenkünfte bei Jean waren immer etwas Besonderes gewesen. Sicher, die meisten von uns kamen aus Paris, bewohnten dort die „besseren“, sprich reicheren Viertel, waren den Trubel und das bunte Treiben der Stadt gewohnt und die Anreise störte uns in unserer angestammten Bequemlichkeit, doch: Die Treffen bei Jean Aron waren es immer wert gewesen. Und so befanden wir uns alle stets schon Tage vor dem abgesprochenen Datum in heller Aufregung.
Wir, das war eine Gruppe von jungen, in reiche Elternhäuser hineingeborenen Pariser Künstlern – wobei „Künstler“ wohl etwas zu viel gesagt ist. Denn weder waren wir besonders erfolgreich noch talentiert. Vielmehr versuchten wir Künstler darzustellen, um unseren Snobismus zu rechtfertigen und jederzeit gescheit daher reden zu können.
Ich selbst stellte einen Schriftsteller dar.
Langeweile, ausbleibende Bewunderung von Seiten des unverständigen Publikums und Unmengen an Geld und freier Zeit führten letztlich dazu, dass wir uns dem Drogenkonsum hingaben. Natürlich taten wir dies nicht wie die gewöhnlichen Menschen, die wir ja zutiefst verachteten, sondern wie die Avantgarde, als die wir erscheinen wollten: Mit immer ausgefalleneren Suchtmitteln, in immer größeren Mengen. Über dies sahen wir uns dabei völlig im Recht, schließlich waren wir überein gekommen, dass wir uns die verschiedenen Halluzigene nur zuführten, um unsere Kreativität zu steigern. So trafen wir uns in unregelmäßigen Abständen mal bei dem einen, mal bei dem anderen Mitglied unseres erlauchten Kreises.


Eben genoss ich, auf einer Bank herumlümmelnd, den goldenen Abglanz des scheidenden Tages und beobachtete die rund fünfzehn Gestalten, die sich, gekleidet in den neusten Pariser Chic, mit mir zusammen in dem wildwuchernden Garten vor Jean Arons Anwesen – seinem „Château“, wie er zu sagen pflegte – aufhielten. Zwischen uns liefen ebenso emsige wie auch verschwiegene Bedienstete umher und brachten, wonach es die Künstlerseele gelüstete.
Neben mir und mich empfindlich in meiner Ruhe störend, saß Marie Péguy, eine überdrehte Möchtegern-Dichterin und versuchte mich in ein Gespräch über Poesie zu verwickeln. Ich begnügte mich damit, mit gelegentlichen Antworten wie „Das sehe ich genau so“ und „Sie haben ja so recht, meine Liebe“ ihren Redefluss über mich ergehen zu lassen.
Ab und zu schickte ich einen sehnsüchtigen Blick zu der mächtigen Tür des elfenbeinweißen, rot- golden angestrahlten Anwesens. Dabei sah ich, dass auch die anderen hier Wartenden, die sich beinah schon mühevoll in müßigen Unterhaltungen ergingen, es mir gleich taten.
Schließlich hielt Robert Duras – der feiste Sohn eines Industriemagnaten – es nicht mehr aus. Seinem überbordenden Temperament unterworfen und in der Gewohnheit, dass man ihm gehorchte, fuhr er zu einem der Diener herum und fauchte ihn an: „Wie lange will Jean uns hier eigentlich noch warten lassen?“
Der Angesprochene blickte in Roberts funkelnde, an winzige dunkle Murmeln gemahnende Augen, zog eine Augenbraue hoch und zeigte ansonsten eine Miene völligen Gleichmuts, als er antwortete: „Monsieur Aron wird Ihnen Bescheid geben lassen, wenn alles so weit ist.“
Danach drehte er sich auf dem Absatz um und fragte Louis Colet, einen eher unterdurchschnittlichen Expressionisten, ob er ihm noch etwas bringen könne. Roberts Gesicht färbte sich in einer Weise, die mich mutmaßen ließ, er wolle die untergehende Sonne imitieren, doch letztlich schluckte er seine Wut herunter.
Die Worte Maries plätscherten immer noch wie klares Wasser vor sich hin. Ich seufzte und ließ meine Blicke schweifen. Betrachtete man den Himmel, an dem sich nur einzelne versprengte Wolken zeigten und die umliegenden Wälder, die noch immer von einem saftigen Grün waren, so hätte man meinen müssen, es sei noch Sommer.
Doch der Herbst hatte schon vor einigen Tagen seine Herrschaft angetreten und ein Hauch von Vergänglichkeit schwang bereits in der lauen Luft mit.
Mit einem langgezogenen Knarren wurde die Tür des Anwesens geöffnet.


Wie ein verwirrter Lindwurm schob und zog sich unsere Gruppe durch die oftmals engen und verwinkelten Gänge von Jean Arons Château. Einer der Diener führte uns, während wir über das kostspielige Meublement und die auch ansonsten eindrucksvolle Einrichtung staunten. Bald machte ein gedämpftes, aber dennoch aufgeregtes Gemurmel und Getuschel die Runde. Zwar waren wir schon einige Male hier gewesen, doch durch die Tatsache, dass Jean sein Refugium ständig umzuräumen und neu einzurichten pflegte, hatte wir nie Gelegenheit, uns daran zu gewöhnen.
Die gesamte Inneneinrichtung war praktisch das Ergebnis des ungehemmten Waltens von Jeans freiem Willen, denn weder musste er auf gesellschaftliche Normen Rücksicht nehmen, noch sich um Geld Gedanken machen – schließlich war es gut möglich, dass Jean der Reichste von uns war, da sein Vater, der gemeinsam mit seiner Gattin bei einem Unfall ums Leben gekommen war, eine bedeutende und ebenso zwielichtige Figur der französischen Rüstungsindustrie gewesen war.
Überall standen Kleinodien von Jeans zahlreichen Reisen herum, hier eine Öllampe, die aussah wie aus Tausend und einer Nacht, dort ein seltsam geschliffener Kristall. Manche dieser Mitbringsel standen auf eigenen Podesten oder Tischchen, andere auf dem Boden. In einige Räume hatte Jean nachträglich griechisch anmutende Säulen einbauen lassen, überall fanden sich Regale voller Bücher und hier und da auch eine Staffelei. Die Wände und Böden durchliefen die aberwitzigsten Farbwechsel, ohne dass die Kombinationen jedoch jemals völlig willkürlich oder gar geschmacklos wirkten.
Gleich bei meinem ersten Besuch hatte ich unwillkürlich an das Schloss des unglücklichen Prinz Prospero denken müssen.


Schließlich gelangten wir in einem weiten, annähernd quadratischen Raum, dessen hohe Wände, unten noch weiß, weiter oben in ein tiefes Orange übergingen und dort mit allerlei arabesken Verschnörkelungen verziert waren. Es gab nur den einen Eingang, durch den wir uns nun förmlich hereindrängten.
Als sich die Menschenballung schließlich so weit auflöste, dass ich wieder frei atmen konnte, entdeckte ich, dass die unterschiedlichsten Sitzgelegenheiten, ungefähr einen Kreis beschreibend, den Raum füllten: Hier ein dunkelblauer Diwan, dort zwei gepolsterte Stühle und sogar etwas, dass mich frappierend an eine römische Speiseliege erinnerte.
Endlich hatte sich das allgemeine Gemurmel gelegt, als Jeans wohlmodulierte und volltönende Stimme auch schon wieder die Stille brach: „Ah, werte Freunde, wie schön, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid und euch hier eingefunden habt!“
Bislang hatten wir ihn in dem nur von flackerndem Kerzenlicht illuminierten Raum gar nicht bemerkt, so dass nun einige sogar erschrocken zusammenfuhren. Er hatte die ganze Zeit über völlig still und unbewegt auf einem großen thronartigen Stuhl vor einem der schmalen Fenster gegenüber dem Eingang gesessen. Als er nun sprach richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und streckte den rechten Arm in einer grüßenden Geste von sich. Mit der anderen hielt er eine römische Theatermaske vor seinem Gesicht.
Im nächsten Augenblick jedoch warf er sie mit einer kraftvollen Bewegung bei Seite und grinste uns in seiner raubtierhaften Art an. Wahrscheinlich blickten wir alle recht fassungslos drein, denn im nächsten Moment warf er den Kopf zurück, wobei seine blonde Mähne ruckartig mitgerissen wurde und begann schallend zu lachen. Das Schattenspiel der Kerzen ließ seine Züge noch markanter, seine ganze Erscheinung noch knöcherner Wirken, als sie es ohnehin schon waren.


Ja, Jean hatte einen ausgeprägten Sinn für Dramatik, für das Romanhafte allgemein. Stets wirkte er wie der Protagonist in seiner eigenen Geschichte, deren ausgefeilte Pointen zu verstehen, nur ihm allein vorbehalten blieb. So legte er, wie auch an diesem Abend, Verhaltensweisen und ein Gebaren an den Tag, das wohl bei jedem Anderen, der dies nicht mit Jeans Vollkommenheit betrieben hätte, unweigerlich lächerlich hätte wirken müssen.
Darüber hinaus weiß ich über seine Persönlichkeit nicht viel zu berichten, denn selbst wenn er völlig berauscht und augenscheinlich ausgelassen war, legte er jene unsichtbare Theatermaske, die seine ureigenen Ansichten und Absichten vor der Außenwelt verbarg, niemals ab.
Ein starkes Interesse für griechische und klassische Mythologie im Allgemeinen war uns jedoch beiden zu eigen, er besaß ganze Bücherregale voll mit entsprechender Literatur und häufiger schon hatten wir über dieses Thema ausführlich philosophiert. Ich erinnere mich noch, wie er einmal sagte, er bedauere es, dass die vielschichtige, mystische und nebulös lebendige Welt der alten, oft ganz menschlichen Götter des Altertums zu Gunsten der flachen, linearen und profan moralisierenden christlichen Religion geopfert worden sei.


Kaum hatte Jean zu sprechen begonnen, war es ihm schon wieder gelungen, uns zu bloßen Zuhörern zu degradieren. Er hatte uns gebeten Platz zu nehmen und ohne weitere Umschweife seinen Vortrag begonnen. Ich selbst musste mit der sperrigen Speiseliege vorlieb nehmen und rutschte nun, in dem Versuch darauf gleichzeitig halbwegs aufrecht und bequem zu sitzen, unruhig hin und her.
„…und so stieß ich schlussendlich auf die geheimnisvolle Figur Hassan-i Sabbahs.“
Einen Moment lang ließ er den Namen im Raum stehen.
„Der Alte…“, kam es schließlich in nachdenklichem Tonfall von Julian Carras, einem melancholischen Schriftsteller, der ursprünglich aus Barcelona stammte. „Der Gründer der fanatischen Sekte der Assassinen.“
Dem zufriedenen Lächeln, das sofort Jeans Lippen umspielte, entnahm ich, dass wir anderen wieder einmal ratlos dreinblickten. Dann sprang er förmlich von seinem Thron auf und begann, diesmal heftig gestikulierend, erneut zu erzählen: „Ja, Hassan-i Sabbah, Gründer und Meister der Assassinen. Immer mehr zog es mich in den Dunstkreis aus Mysterien und Halbwahrheiten, die seinen Namen umgeben. Ich war erstaunt festzustellen, wie viele Legenden noch immer von den alten Männern und Frauen Persiens, jenes uralten und stolzen Landes zwischen gluthauchender Sonne und wachsfarbenem Sand, über ihn erzählt werden.“
Man konnte ohne Weiteres erkennen, wie Jean wieder einmal mitgerissen wurde, durch die faszinierte Begeisterung für seine eigene Erzählung. Während er erregt weitersprach, trat ein Glitzern in seine Augen, das mir um so heller zu werden schien, je dunkler es in der Welt dort draußen wurde.
„Man sagt, er habe Jünglinge mit Opium betäuben lassen, um sie in seine schier uneinnehmbare Feste zu verschleppen. Dort aber habe er dafür gesorgt, dass ihnen jede nur erdenkliche irdische Freude zuteil wurde. Nach einer Weile jedoch ließ Hassan-i Sabbah die jungen Männer erneut betäuben und zu sich führen. Er machte ihnen klar, dass sie im Paradies gewesen seien und dieses nur durch ihren Märtyrertod zurückerlangen könnten. So schuf er sich eine Armee professioneller und zu allem bereiter Attentäter.“
Der Gedanke an solche Machenschaften amüsierte Jean sichtlich, während ich mich, wohl nicht als einziger, fragte, worauf er eigentlich hinaus wollte.
„Doch euch ist sicherlich aufgefallen, wie unlogisch, man möchte fast sagen: kindisch diese Geschichte ist“, fuhr er fort, mit Mimik und Gestik sein Überlegenheitsgefühl zum Ausdruck bringend. „Ein wenig gutes Essen, Frauen und ein hübscher Garten und erwachsene Männer sollten nicht merken, dass sie noch auf unserer Erde wandelten, sich im Paradies wähnen? Nein, wohl kaum!
So trieb ich meine Nachforschungen weiter und letztlich sollte ich das Geheimnis der Assassinen entdecken. Dies kam natürlich viele hundert Reise-Kilometer, einige Bände entsprechender Fachliteratur und unzählige Gespräche später, doch“, hier legte er eine dramatische Pause ein, „für euch, liebe Freunde, und euer Amüsement nahm ich diese Strapazen selbstverständlich auf mich.“
Kaum hatte er geendet, da verbeugte er sich auch schon tief, als hätte irgendwer in dem im Zwielicht liegenden Saale geklatscht. Tatsächlich bestand das einzige Geräusch in konfusem Getuschel und Geflüster.
Als Jean sich wieder aufrichtete, hielt er plötzlich ein kleines, unscheinbares Säckchen in Händen und verkündete: „Und hier ist es! Für euch!“ Dabei reckte er die Hand, in der er seine neuste Errungenschaft hielt, empor.
„Augenscheinlich ist es nichts als ein grünes Pülverchen, doch es ist zugleich auch das Tor zum Paradies.“
Robert Duras, der ganz offensichtlich immer noch schlechter Laune war, meldete sich nun zu Wort. Fast schon spöttisch fragte er: „Jean, du willst uns doch jetzt hoffentlich nicht erzählen, dass dieses Zeug da einen quasi auf Zeit ins Jenseits befördert?“
Mit einer Mischung aus Belustigung und Missbilligung antwortete Jean: „Aber nein, ich bin zwar als Exzentriker verschrien, aber verrückt bin ich noch nicht, Robert. Vielmehr glaube ich, dass es sich um eine äußerst starke Droge mit halluzigener Wirkung handelt. Wenn dich das Pulver ins Jenseits bringt, dann nur in den Himmel oder die Hölle, die in deinem Kopf bereits existiert.“


Nur eine Messerspitze.
Nur eine Messerspitze, hatte Jean gesagt, und wir sollten uns hüten, mehr von dem rätselhaften grünen Pulver mit der sandartigen Konsistenz zu nehmen, das könne fatale Folgen haben. Natürlich hatten wir uns an seine Anweisung gehalten, wie wir es bislang stets in allem getan hatten, doch nun, als die orientalische Wunderdroge zu wirken begann, fragte ich mich, ob diese Messerspitze nicht bereits zu viel gewesen sei.
Nach der Einnahme des Pulvers setzte bei mir sofort ein seltsames Gefühl ein, als habe eine unsichtbare Hand meinen Verstand sacht aus meinem Körper heraus genommen und sich nun daran gemacht, mich dieser Welt immer weiter zu entrücken. Ich betrachtete mich selbst, als sei ich nur eine Person unter vielen, ja, mein ganzes Ich-Gefühl geriet seltsam aus den Fugen. Mehr und mehr wuchs in mir ein Gefühl der Geringschätzung für alle irdischen Dinge, da sie mir nunmehr abstrakt und unwirklich erschienen, während mein Geist in immer entlegenere Sphären fortdriftete. Den Raum, in dem ich mich körperlich noch immer befand, nahm ich nur noch wie durch einen verklärenden, entfremdenden Nebel war.
So war ich zwar erstaunt, jedoch keinesfalls betroffen, als ich sah, wie meine leere fleischliche Hülle völlig desorientiert und geistlos durch das Zimmer wankte, dann gegen einen Stuhl stieß und unbeholfen zu Boden fiel, um unter konvulsivischen Zuckungen liegen zu bleiben. Ebenso verhielt es sich mit den Körpern der Anderen.
Gelegentlich glaubte ich diese unartikulierte Laute murmeln zu hören, doch verstand ich sie nicht. Und selbst wenn ich sie verstanden hätte: Was auch immer in dieser profanen Welt des Materiellen ausgesprochen werden konnte, schien meine Aufmerksamkeit nicht mehr wert zu sein.
So wandte ich mich ab und überließ mich dem Davontreiben. Angst hatte ich nun keine mehr, zu natürlich erschien mir mittlerweile, was mit mir geschah. Ich glaube, Sterbende fühlen so, kurz bevor es endgültig vorbei ist.
Bald glaubte ich eine Anzahl hell scheinender, unheimlich komplex wabernder Flammen vor einem Hintergrund ätherischen Nichts dahingleiten zu… nun ja, „zu sehen“ wäre nicht korrekt, schließlich sah ich sie nicht wirklich, dennoch möchte ich auch nicht sagen, dass ich sie lediglich fühlte. Wie dem auch sei, jedenfalls nahm ich sie wahr.
Schnell begriff ich, dass es sich hierbei um meine Gefährten handeln musste. Wir alle glitten auf etwas zu, dass uns mit unwiderstehlicher Kraft anzog, beinah wie ein Magnet. Dieses etwas war gewaltig in einer Weise, die jeder Beschreibung trotzt und weder hatten wir die Kraft, noch den Willen, uns ihm zu widersetzen.
Einige von uns waren schneller als der Rest und – ob durch Erfahrung oder eine Art Instinkt kann ich nicht sagen – ich wusste, dass der Schnellste von allen Jean war.
Ob kurz darauf oder Äonen später konnte ich nicht bestimmen, da die Zeit mehr und mehr an Bedeutung verlor, doch letztlich erreichte der wunderschöne irisierende Avatar Jeans den gewaltigen Pol.
Beinah sofort jedoch hörte ich Jean als spräche er direkt in meinen Gedanken und seine Stimme war verzerrt von einem unfasslichen Schrecken, als er panisch schrie: „Nein, nicht du! Das kann nicht…“
Es folgte ein Schrei, als habe jemand Jean ein Messer zwischen die Rippen getrieben. Dann: „Flieht von hier! Es darf euch nicht kriegen!“
Eine eiskalte Furcht umklammerte mein Herz und Jeans Wort verfehlten ihre Wirkung nicht: Zuerst fühlte ich mich bedächtig zurückgezogen, dann wie rückwärts gerissen und letztlich stürzte ich. Ich stürzte und stürzte zurück in die vergessen geglaubte Fleischlichkeit.


Benommen, mit rasendem Herzen und einem Gefühl nie gekannter Verwirrung kam ich langsam in jenem Zimmer wieder zu mir, von dem aus unsere außerkörperliche Odyssee ihren Anfang genommen hatte und das sich jetzt boshaft um mich zu drehen schien.
Ich bemerkte, dass auch die Anderen ihr Bewusstsein zurückerlangten, versuchten sich aufzusetzen und sich die schmerzenden Köpfe hielten.
Da schnitt ein neuerlicher gellender Schrei Jeans durch das leise Fluchen und Murmeln der Wiedererwachenden. Mit einer Miene in die alles Grauen dieser und anderer Welten eingebrannt schien, flog Jean förmlich durch das Zimmer und durch die Tür hinaus.
Anfangs wollte mir meine Muskulatur nicht recht gehorchen, doch mit aller Willenskraft, die mir zu Gebote stand, kam ich schließlich taumelnd auf die Beine.
Seinen erschütternden Schreien folgend hetzte ich Jean nach, entschlossen, dem Gepeinigten beizustehen. Der Großteil der Anderen schloss sich mir an. Schnellen Schrittes ging es durch die verwinkelten Korridore, vorbei an all den bizarren Souvenirs und ausgefallenen Gegenständen.
Wir gelangten ins Obergeschoss und das Geräusch von Jeans hastenden Schritten verriet mir, dass er letztlich in die große Bibliothek hier oben gerannt war. Schon drangen von dort aus wiederum Schreie zu uns, die entsetzlicher waren als alles zuvor. Hätte man Jean mit glühenden Eisen behandelt und ihm die Fingernägel heraus gerissen, niemals hätte er so geschrieen. Plötzlich verstummte er.
Nur widerwillig stieß ich die Tür der Bibliothek auf. Wir stürzten hinein und sahen uns von dem Anblick überwältigt. Links von mir sank Marie mit einem Seufzer zusammen. Robert wusste seiner Gefühle nicht anders Herr zu werden, als in einen nichtendenden Schwall von Flüchen zu verfallen, während Tränen seine Wangen hinab rollten.
Jeans heißes Blut starrte uns an. Es starrte uns an, wie es von der Decke troff, wie es an den Wänden klebte, wie es begierig in den Teppich kroch. Zerfleischt wie von den mächtigen Fängen eines scheußlichen Ungetüms lag Jean Arons lebloser Körper da, der Ausdruck des nackten Horrors auf ewig in seine Züge gemeißelt. Seine leblosen Augen blickten stumpf auf die eigenen Gedärme, die um ihn verstreut lagen.
Das ganze Zimmer wirkte wie das Bild eines diabolischen Künstlers und für einen wahnwitzigen Augenblick fragte ich mich, ob Jean daran gefallen gefunden hätte. Ob er sich das Bild an die Wand gehängt hätte, um Besucher zu schockieren.
Woher ich noch die Kraft dazu nahm weiß ich nicht, doch ich trat auf Jeans Leiche zu, beugte mich hinab, nahm das Buch, dass seine toten Finger umklammert hielten und blickte auf die aufgeschlagene Seite.
Ich las die Worte Homers:

Auch den Kerberos sah ich, mit bissigen Zähnen bewaffnet
Böse rollte er die Augen, den Schlund des Hades bewachend


Was tut also ein Mensch, der solches gesehen und erlebt hat?
Die Antwort ist diese: Er wartet bis die Eindrücke jener drogenbedingten Entkörperung durch ihre Fremdartigkeit undenkbar und unglaubwürdig werden. Er legt sich für alles, was an seinen Erlebnissen unnatürlich scheint eine, wenn auch unwahrscheinliche, rationale Erklärung zu recht. Er verdrängt die Bilder des Schreckens und des Todes.
So hätte auch ich es getan. So hätte ich es getan, wenn ich nicht fürchten müsste, dass der Horror noch nicht vorüber ist, dass jene bösartige Entität, die Jean Arons Verhängnis wurde, noch nicht genug Blut gekostet hat.
Wenn nicht die zerrissenen Überreste Roberts vor neun Tagen in seinem von innen verschlossenen Appartement gefunden worden wären.
Wenn ich nicht in jeder Nacht von irgendwo aus der Düsternis dort draußen dieses nervenaufreibende Bellen hören müsste, dass jedes Mal ein wenig näher gekommen zu sein scheint.

 

Schalom,

sollte irgendwer, der dieses Schriftstück zu lesen bekommt mutmaßen,

sollte irgendwer, der dieses Schriftstück zu lesen bekommt, mutmaßen,

Rüstungsindustrie

Hat man im neunzehnten Jahrhundert – irgendwie wähne ich mich da bei deinem Stil – schon von Rüstungsindustrie gesprochen? Will sagen, das Wort sticht da irgendwie raus.

linearen und profan moralisierenden christlichen Religion

Schöne Beschreibung.

Coole Story, hat mir gefallen. Schön auch, wie konsequent du diesen anno dazumal-Stil durchziehst.

Aber warum hören Jeans Freunde, Opfer, Opferfreunde, oder zumindest der Erzähler, das Bellen des Kerberos? Müsste die Hölle, die sie einholt, gemäß der Wirkungsweise des Zeugs, das sie sich da reinpfeifen, nicht individuell auf jeden abgestimmt sein?

Den Prospero hab ich erst gar nicht kapiert, aber ja, doch, im Nachhinein, schön dekadente Stimmung in deiner Geschichte von Anfang bis Ende.

Grüße

JC

 

Hallo Abdul,

hab mir deine Geschichte durchgelesen und gleich mal vorneweg,
ich finde sie gut. Du bringst eine gute Stimmung des alten Frankreichs mit rein, auch wenn mich die Geschichte irgendwie an den Pakt der Wölfe erinnert (jo, wieso auch immer..hehe).
Gut beschrieben fand ich die Szene als der Typ die Droge geschluckt hatte und das Ende. Fast das ähnliche hab ich zwar schonmal in einem dieser Gespenstergeschichten-Hefte gelesen (kennt die wer?) aber trotzdem, finde ich, schließt dass das ganze sehr schön mit einem offenen Ende ab.
Und das du nur am Rande erwähnt hast das dieser Robert zerfetzt wurde.
Ein Zitat, sei es nun bei Quinn´s Geschichte mit Mathäus am Anfang oder hier bei dir, eines des Homers trägt natürlich sehr zur Stimmung bei und gibt einen
subtilen Einblick auf das Monser (wenn ich das richtig verstanden hab...sonst blamier ich mich grade).

Gelegentlich glaubte ich diese unartikulierte Laute murmeln

heißt das nicht unartikulierten?...falls ich mich ihren sollte, entschuldige ich mich.

Also, ich habs gern gelesen,

Jekyll and Hide

 

Hallo Abdul,

sollte irgendwer, der dieses Schriftstück zu lesen bekommt mutmaßen,
Bekommt,

Die Treffen bei Jean Aron waren es immer wert gewesen. Und so waren wir alle stets schon Tage vor dem abgesprochenen Datum in heller Aufregung.
Das zweite „waren“ ist ein bisschen hässlich, vielleicht: Gerieten wir in Aufregung.

Wir, das war eine Gruppe von jungen, in reiche Elternhäuser hineingeborenen Pariser Künstlern
Der Stil ist natürlich überladen, aber er sollte nicht ganz so umständlich werden, sondern vielleicht eher eleganter daherkommen: Wir, das war eine Gruppe von jungen Pariser Künstlern aus gutem Hause.

Vielmehr versuchten wir Künstler darzustellen, um unseren Snobismus zu rechtfertigen und jederzeit gescheit daher reden zu können.
So was gibt doch Stoff für eine schöne Szene. Zeig mir, was für Pfeifen das sind. Lass einen ein absolut grottiges Gedicht vortragen oder jemand auf dem Klavier rumstümpern. Das ist doch verschenktes Potential, das man dankbar umsetzen könnte.

ausbleibende Bewunderung von Seiten des unverständigen Publikums
Entweder er hält sich für einen unverstandenen Künstler, wie dieser Satz nahelegt, oder für einen unfähigen Künstler, wie die letzten Sätze implizierten.

die sich, gekleidet in den neusten Pariser Chic, mit mir zusammen in dem wildwuchernden Garten vor Jean Arons Anwesen – seinem „Château“, wie er zu sagen pflegte – aufhielten.
Der Satz verstößt gegen eine ganz banale Stilregel: Nicht Subjekt und Prädikat so weit von einander positionieren, dass sie ein Fernrohr brauchen um einander zu sehen.

Der Angesprochene blickte in Roberts funkelnde, an winzige dunkle Murmeln gemahnende Augen, zog eine Augenbraue hoch und zeigte ansonsten eine Miene völligen Gleichmuts
Es ist zu viel Mimik für „völligen Gleichmut“.

doch durch die Tatsache, dass Jean sein Refugium ständig umzuräumen und neu einzurichten pflegte,
Das ist aber sehr beamtisch: Doch da Jean sein Refugium …

Gleich bei meinem ersten Besuch hatte ich unwillkürlich an das Schloss des unglücklichen Prinz Prospero denken müssen.
Werf mir noch nen Knochen hin, und wenn’s nur nen Stichwort ist. Aber der Name für sich, sagt mir wenig. Ich tippe dunkel auf den Typen aus der Geschichte mit dem roten Tod im Palast, aber keine Ahnung.
(Okay, gegoogelt: Shakespeare Drama, hab ich ne Bildungslücke, könntest trotzdem für Banausen wie mich irgendwie noch Shakespeare in den Satz schmuggeln).

Mit der anderen hielt er eine römische Theatermaske vor seinem Gesicht.
Sagt mir nichts und bei aller Ausführlichkeit, in der du sonst die Szenerie beschreibst, ruiniert mir die Unkenntnis dieses Details das Bild.

Das Schattenspiel der Kerzen ließ seine Züge noch markanter, seine ganze Erscheinung noch knöcherner Wirken, als sie es ohnehin schon waren.
Ja, wirken muss klein, aber auch dann ist es unelegant, weil das letzte Subjekt „seine ganze Erscheinung“ Singular ist, das Verb aber Plural erfordert; das mag grammatikalisch noch richtig sein, es ist aber einer der Fälle, wo man einfach den Kopf schütteln und es anders formulieren sollte.

„Aber nein, ich bin zwar als Exzentriker verschrien, aber verrückt bin ich noch nicht, Robert. Vielmehr glaube ich, dass es sich um eine äußerst starke Droge mit halluzigener Wirkung handelt. Wenn dich das Pulver ins Jenseits bringt, dann nur in den Himmel oder die Hölle, die in deinem Kopf bereits existiert.“
Ich hab davon auch schon mal gelesen, von den Assasinen, aber ich dachte die hätten einfach Haschisch genommen und davon auch ihren Namen abgeleitet. Aber was weiß ich schon?

Den Raum, in dem ich mich körperlich noch immer befand nahm
Befand,

Ich fand das Ende sehr gelungen, vielleicht ein wenig kurz, die Textproportion könnte etwas anders sein, weniger Exposition mehr vom Ende. Ruhig noch ausführen, dass der nächste zerfetzt wird. Durch die Erzählkonstruktion wirkt das ganze ein wenig zu distanziert. Thematisch hat mich die Geschichte an „Über den Acheron“ erinnert, doch diesmal bleibst du am Ball und blendest nicht aus, die „Jenseits-Reise“ findet statt und geht nicht gut aus.
Mit einigen Veränderungen an der Struktur und wenn du die Sprache an manchen Stellen behutsam glätten würdest, hättest du – zumindest für meine Verhältnis – eine sehr starke Geschichten, so bin ich mal wieder der Nörgler vom Dienst.

Gruß
Quinn

 

Hallo Proof,

Zunächst einmal vielen Dank fürs Lesen und Kritisieren.

Hat man im neunzehnten Jahrhundert – irgendwie wähne ich mich da bei deinem Stil – schon von Rüstungsindustrie gesprochen?

Hm, in meinen Gedanken fand die Geschichte eh etwas später statt, aber ich kann mir schon vorstellen, dass man das Wort bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebrauchte. Auf jeden Fall gab es da schon eine solche, die die Bezeichnung gerechtfertigt hätte.
Was die Wirkungsweise des Pulvers betrifft hast du recht, da ist mir ein Logikfehler unterlaufen. Wobei Kerberos für den Protagonisten noch ganz angemessen erscheint, schließlich hat auch er zumindest ein starkes Interesse an klassischer Mythologie. Vielleicht sollte ich den Satz mit Roberts Tod so ändern, dass die Todesart nicht so sehr an die Jeans erinnert?
Freut mich natürlich, dass dir die Geschichte gefallen hat.


Hallo Jekyll,

Auch dir meinen Dank, dass du dir die Zeit für meine Geschichte genommen hast.

ich finde sie gut.

Das liest man wohl immer gern. :)

Du bringst eine gute Stimmung des alten Frankreichs mit rein,

Merci.

auch wenn mich die Geschichte irgendwie an den Pakt der Wölfe erinnert (jo, wieso auch immer..

Vielleicht weil der Film neulich lief. Was anderes fällt mir auch nicht ein. :D

Ja das Ende begegnet einem in ähnlicher Form wohl öfter. Ich selbst habe mich was das Bellen als Drohung betrifft bei Lovecrafts "Der Hund" bedient. Auch sonst habe ich mich bei der Geschichte ordentlich überall bedient, beziehungsweise einige kleinere Anspielungen versteckt. Wer eine findet: Nur her damit, ich fürchte schon langsam, ich habe sie zu gut versteckt. :Pfeif:

heißt das nicht unartikulierten?...falls ich mich ihren sollte, entschuldige ich mich.

Nein, das muss schon unartikulierte heißen. Ich glaube, du hast dass missverstanden weil in dem Satz ein Komma fehlt (wenn ich nicht gerade vertue...) Ich tu es erst mal rein.


Hallo Quinn,

Danke für deine stets hilfreichen Nörgeleien. :D

Das zweite „waren“ ist ein bisschen hässlich, vielleicht: Gerieten wir in Aufregung.

Du hast recht, werde ich ändern.

So was gibt doch Stoff für eine schöne Szene.

Jaaa... Eigentlich schon. Aber mit fast sechs Seiten hat die Geschichte für mich längentechnisch schon fast ihre kritische Masse erreicht.

Entweder er hält sich für einen unverstandenen Künstler, wie dieser Satz nahelegt, oder für einen unfähigen Künstler, wie die letzten Sätze implizierten.

Kam da die Ironie nicht rüber? Jetzt im Nachhinein hält er sich für unbegabt und gibt mit Ironie seine damalige Einstellung wieder.

Ja, wirken muss klein, aber auch dann ist es unelegant, weil das letzte Subjekt „seine ganze Erscheinung“ Singular ist, das Verb aber Plural erfordert; das mag grammatikalisch noch richtig sein, es ist aber einer der Fälle, wo man einfach den Kopf schütteln und es anders formulieren sollte.

Über dem von dir zitierten Satz habe ich schon beim Schreiben gegrübelt. Hättest du vielleicht eine elegantere Variante?

Ich hab davon auch schon mal gelesen, von den Assasinen, aber ich dachte die hätten einfach Haschisch genommen und davon auch ihren Namen abgeleitet.

Ich bin kein Fachmann, aber soweit ich weiß basiert das mit dem Haschisch auf übler Nachrede, weil es so ähnlich klingt. Ist eh sehr mysteriös der Verein...

Thematisch hat mich die Geschichte an „Über den Acheron“ erinnert, doch diesmal bleibst du am Ball und blendest nicht aus, die „Jenseits-Reise“ findet statt und geht nicht gut aus.

Das war auch meine Idee. Das Grundthema fasziniert mich und beim "Acheron" wurde ja kritisiert, er sei am Ende zu unspektakulär. Auch wollte ich diesmal zumindest ein Bisschen moderner Schreiben. (Ich weiß, ist noch kein Stephen King, aber ich habe nicht ein einziges Mal das Wort "blasphemisch" benutzt, obwohl die Versuchung groß war. :D )

Mit einigen Veränderungen an der Struktur und wenn du die Sprache an manchen Stellen behutsam glätten würdest, hättest du – zumindest für meine Verhältnis – eine sehr starke Geschichten, so bin ich mal wieder der Nörgler vom Dienst.

Dann vielen Dank für das, was ein Lob hätte sein können. ;)
Nein, im Ernst: Ich gedenke diesmal durchaus an der Geschichte herum zu verbessern, was ja bislang nicht zu meinen Stärken zählte. Aber in wie weit ich hier ganze Textstellen hinzufüge oder stark in ihrer Proportion ändere...


Ach ja, zu Prospero: Das wird wohl tatsächlich wenn überhaupt nur jeder zweite Leser verstehen. (Entweder hat man Shakespeare oder Poe gelesen, passt beides.) Aber es ist ja nicht essentiell für die Geschichte. Ich fand nur, dass der Titel so ziemlich cool klingt. ;)


Gruß,
Abdul (der Verbessernde Araber)

 

Wobei Kerberos für den Protagonisten noch ganz angemessen erscheint, schließlich hat auch er zumindest ein starkes Interesse an klassischer Mythologie.

Das ist schon klar. Aber für die anderen macht es halt keinen Sinn.

Vielleicht sollte ich den Satz mit Roberts Tod so ändern, dass die Todesart nicht so sehr an die Jeans erinnert?

Würde ich vorschlagen. Dann müssen wir aber mehr über ihn erfahren, seine Interessen, Wünsche, Ängste etc., aus denen wir dann ein Verhängnis ableiten können.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Abdul!

Mir hat es viel Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen. Wirklich eine Geschichte, die mich fesseln konnte, trotz oder gerade wegen des Köpfchens, das man beim Lesen gebrauchen musste.
Deine Geschichte ist nicht ganz einfach zu lesen und zu verstehen. Wenn jemand keine Kenntnisse über Prospero, Cerberos oder die Assassinen hat, wird es für denjenigen ungleich schwieriger, deine Anspielungen zu verstehen. Ich maße mir jetzt auch nicht an, alle verstanden zu haben.
Prospero und Kerberos als Titel finde ich schonmal sehr passend. Beide erkennt man meines Erachtens in deiner Geschichte wieder, ob jetzt so, wie von dir gewollt, weiß ich nicht. :)

„…und so stieß ich schlussendlich auf die geheimnisvolle Figur Hassan-i Sabbahs.“
Einen Moment lang ließ er den Namen im Raum stehen.
„Der Alte…“, kam es schließlich in nachdenklichem Tonfall von Julian Carras, einem melancholischen Schriftsteller, der ursprünglich aus Barcelona stammte. „Der Gründer der fanatischen Sekte der Assassinen.“
Hassan-i Sabbah war "nur" Förderer der Assassinen, glaub ich, nicht deren Begründer. Aber das ist hier auch nicht so wichtig. :)

Ich selbst habe mich was das Bellen als Drohung betrifft bei Lovecrafts "Der Hund" bedient. Auch sonst habe ich mich bei der Geschichte ordentlich überall bedient, beziehungsweise einige kleinere Anspielungen versteckt. Wer eine findet: Nur her damit, ich fürchte schon langsam, ich habe sie zu gut versteckt.
Ja, da hast du es dem Leser nicht ganz leicht gemacht. Darf ich raten?
Ich tipp auf jeden Fall auf mind. eine Geschichte von Poe, Shakespeares "Der Sturm" und irgendwie fühle ich mich auch an den Roman "Dämon" von M. Delaney erinnert.

Für diesen ganzen mythologischen Kram kann ich mich einfach begeistern, deshalb fand ich deine Geschichte auch wirklich klasse.

Beste Grüße

Nothlia

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Nothlia,

Ich weiß, das klingt jetzt abgedroschen, ist aber wirklich ehrlich gemeint: Danke fürs Lesen und die positive Resonanz.

Ich tipp auf jeden Fall auf mind. eine Geschichte von Poe, Shakespeares "Der Sturm" und irgendwie fühle ich mich auch an den Roman "Dämon" von M. Delaney erinnert.

Mit "Der Sturm" und den diversen Geschichten von Poe (natürlich vor allem "Die Maske des Roten Todes") hast du auf jeden Fall recht. An "Dämon" habe ich beim Schreiben zwar nicht gedacht, da ich das Buch aber vor einer Weile las, kann es natürlich sein, dass es mich beeinflusst hat.
Was die sonstigen Anleihen betrifft wird es auch schon schwieriger, diese zu erkennen, aber das grüne Pulver der Assassinen kommt in ähnlicher Form in Umberto Ecos "Baudolino" vor. (Allen die dieses Buch noch nicht gelesen haben kann ich es nur ans Herz legen - wie fast alles von Eco.)
Wer "Der Schatten des Windes" von Carlos Ruiz Zafón (auch empfehlenswert) kennt, wird auch eine Kleinigkeit entdecken können. Sonst sind es nur Winzigkeiten, die einem Leser wohl wirklich nicht mehr auffallen können.


Gruß,
Abdul

edit: Ich habe mal (in Ermangelung einer zuverlässigeren Quelle und aus reiner Faulheit) bei Wikipedia wegen Hassan-i Sabbah nachgesehen. Es gelingt mir beim besten Willen nicht, da raus zu lesen, ob er Gründer oder nur irgendwann Meister der Assassinen war.

 

Hallo Abdul,

Anfangs war ich nur mäßig von deiner Geschichte begeistert. Ich glaue es ist ein Unterschied zwischen Schreibstil 19 Jh und Erzählweiße 19 Jh. Diesen Trick mit dem Aufschreiben der damaligen Ereignise mag ich persönlich auch überhaupt nicht ...
Aber der Schluß hat mich wieder versöhnt. Das ist eine recht gute Pointe.
Die Atmosphäre insgesamt hat mir gut gefallen, ich hätte mir aber gewünscht, dass du sie in einem "moderneren" Schreibstil ohne zu viele unnötige Verschnörkelungen präsentierst:
Ein paar Beispile, was mir nicht gefallen hat:

sollte irgendwer, der dieses Schriftstück zu lesen bekommt mutmaßen, dass sein Inhalt auf einer überreizten, mit Drogen noch weiter angestachelten Phantasie und einem ungesunden Interesse für griechische Mythologie beruht, so kann er sich sicher sein, dass auch ich dies verzweifelt hoffe.
oder
Sicher, die meisten von uns kamen aus Paris, bewohnten dort die „besseren“, sprich reicheren Viertel, waren den Trubel und das bunte Treiben der Stadt gewohnt und die Anreise störte uns in unserer angestammten Bequemlichkeit, doch:

Der Mittelteil ist wenig Spannung, weil eigentlich nur von Punkt A zu B erzählt wird, ohne das Spannung aufkommt und ohne, dass der Leser etwas hat, auf das er wartet. Hier könntest du dir noch etwas einfallen lassen, was den Leser besser mitreißt.

um unseren Snobismus zu rechtfertigen und jederzeit gescheit daher reden zu können.
Das klingt nicht nach einem versonbtem Künstler
Neben mir, und mich empfindlich in meiner Ruhe störend, saß Marie Péguy,
Beistrich
seine ganze Erscheinung noch knöcherner wirken, als sie es ohnehin schon war.

L.G.
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

Erfreulich, dass dich zumindest der Plot überzeugen und für meinen Stil entschädigen konnte. Der ist wohl nicht für jeden was.
Ob ich aber überhaupt noch mal etwas in einem wirklich modernen Stil schreiben werde, weiß ich nicht. Es ist ja nicht so, dass ich mich hinsetze und denke: "So, jetzt schreibe ich mal was, dass sich anhört, als läge ich schon rund achtzig Jahre unter der Erde." Im Gegenteil, ich schreibe von ganz allein so, wie ich halt schreibe. Bei dieser Geschichte dachte ich sogar, relativ modern geschrieben zu haben und war ziemlich überrascht, als Proof schrieb, er würde die Geschichte nach meinem Stil im 19. Jahrhundert ansiedeln.

Das klingt nicht nach einem versonbtem Künstler

Stimmt, aber meine Idee war es ja auch, dass sich seine gesamte Wahrnehmung nach den darstellt.

Ich glaue es ist ein Unterschied zwischen Schreibstil 19 Jh und Erzählweiße 19 Jh. Diesen Trick mit dem Aufschreiben der damaligen Ereignise mag ich persönlich auch überhaupt nicht ...

Könntest du das vielleicht erläutern? So ganz verstehe ich nämlich nicht, was du hier mit dem Unterschied zwischen Schreibstil und Erzählweise meinst und auch welchen Trick du ansprichst erkenne ich nicht wirklich.

Danke dafür, dass du dich mit meiner Geschichte auseinander gesetzt hast.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Abdul!

Ich hab nicht alle Kritiken gelesen, deswegen kann es sein, dass ich das ein oder andere zum zweiten Mal erwähne. Das erste, was bereits erwähnt wurde, was Du aber sicher gerne noch einmal hörst, ist: Hat mir super gefallen! :)

Also echt jetzt ... Hab mich beim Lesen dauernd so gefühlt, als läse ich einen Lovecraft. Und das ist ja schonmal nichts Schlechtes. Sprachlich suaber; der Aufbau ist der "großen alten" Schule angeglichen; dichte Atmosphäre; und ein mysteriöses Buch am Ende (bei dem es sich leider nicht ums Necronomicon handelt, aber man kann ja nicht alles haben) ... Prima!

Ich denke, das Meiste ist bereits gesagt worden. Den Titel fand ich klasse. Bei Prospero musste ich an Poe denken - passt.

Die Worte Maries plätschernden
plätscherten

... angetreten, und ein Hauch von Vergänglichkeit schwang bereits in der lauen Luft mit.
Mit einem langgezogenen Knarren wurde die Tür des Anwesens geöffnet.
Hat mir klasse gefallen, die Stelle!

... von Julian Carras, einem melancholischen Schriftsteller, der ursprünglich aus Barcelona stammte.
Ich hab die "Schatten des Windes"-Anspielung gefunden. Wo ist mein Preis?

als habe eine unsichtbare Hand meinen Verstand sacht aus meinem Körper heraus genommen
Ich habe keinen passenden Vorschlag, aber "genommen" finde ich zu schwach, zu ungenau, zu unlyrisch.

Anfangs wollten mir meine Beine nicht recht gehorchen, doch mit aller Willenskraft, die mir zu Gebote stand, kam ich schließlich taumelnd auf die Beine.
Wiederholung

Jau, das wär's von meiner Seite. Hat echt Spaß gemacht zu lesen!

Bis denne,
Fisch

PS: Sei beruhigt: Das Buch "Dämon" von Delaney hat Dich nicht beeinflusst - denn es ist eines der schlechtesten, die ich je gelesen habe, und davon findet sich in Deiner Geschichte zum Glück nichts wieder. ;)

 

Hallo Fischstäbchen,

Das erste, was bereits erwähnt wurde, was Du aber sicher gerne noch einmal hörst, ist: Hat mir super gefallen!

Wer hört das nicht gern! Vielen Dank dafür.
Doppelt erfreut bin ich natürlich ob der Tatsache, dass du dich an Lovecraft erinnert fühltest. Und was das Necronomicon betrifft: Ich muss ja nicht ständig dafür Schleichwerbung betreiben ist ja auch so ein Bestseller.

Ich hab die "Schatten des Windes"-Anspielung gefunden. Wo ist mein Preis?

Herzlichen Glückwunsch! Damit wären wir dann auch wieder beim Necronomicon. Du wirst als Preis ein handsigniertes Exemplar erhalten. Dafür musst du lediglich 10 Euro an eine Addresse schicken, die ich dir gleich per PN durchgebe! (Porto und so weiter, du verstehst? ;) )
Den "plätschernden" Fehler habe ich korrigiert. (Warum habe ich den nicht selbst gesehen?)
Die Sache mit der Wiederholung von "Beine" habe ich gelöst, indem ich beim ersten mal "Muskulatur" schrieb, ich glaube das ist ganz in Ordnung so.

Ich habe keinen passenden Vorschlag, aber "genommen" finde ich zu schwach, zu ungenau, zu unlyrisch.

Da hast du ebenfalls recht, das hat mich beim Schreiben auch schon gestört. Werde mir was besseres einfallen lassen.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Zerbrösel-Pistole,

Danke fürs Lesen und Heraussuchen der Fehler. Natürlich bin ich froh zu lesen, dass dir die Geschichte zusagte.

Entweder steckt hier wirklich viel Arbeit drin, oder du hast eine mehr als gute Geschichte lässig aus dem Ärmel geschüttelt.

Weder noch. Eher irgendwas dazwischen. :D


Gruß,
Abdul

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo abdul,

auf deinen tipp hin habe ich mir mal diese geschichte zu gemüte geführt.

verschiedenen Halluzigene
verschiedenen Halluzinogene

immer diese drogen :D

auch hier wieder sehr stilsicher formuliert, hat mir gut gefallen.
der prot ist ebenfalls sehr gelungen, besonders schön, dass er selbst seine "freunde" als untalentiert abtut.

„Nein, nicht du! Das kann nicht…“

da scheint der gute jean doch tatsächlich irgendwas rituelles vergessen zu haben, um den alten köter in seiner hütte zu lassen. man kann eben nie genug reiseinformationen sammeln :D

ansonsten kann ich nur noch sagen: respekt! sprachlich gewandt, am ende nimmt das tempo mMn erheblich zu und für dein alter bleibt mir nichts anderes zu tun:

sich verbeugend

subart

ps.: assasinen kommt wirklich von haschisch, ursprünglich haschashinen oder so ähgnlich

 

hallo,

Hat mir wirklich gut gefallen, deine Geschichte! Ganz besonders der Schluss.

Du verwendest an zwei verschiedenen Stellen die Konstruktion hier dieses und jenes, dort jenes und dieses. beim ersten Mal kommt es sehr gut, beim zweiten Mal hat es mich vom Lesen abgelenkt, denn ich habe die ganze Zeit überlegt, wie man das zweite Auftauchen verhindern könnte.

Was Quinn über die möchtegern Künstler geäußert hat, kann ich nur unterstreichen. Gib uns Beispiele. :)

bis bald
Georg

 

Grüß dich Subart,

immer diese drogen
Ich greife eben konkrete gesellschaftliche Probleme auf. Drogen, Rap-Musik und Reisen ins Reich des Abseitigen verderben die heutige Jugend! ;)

ansonsten kann ich nur noch sagen: respekt!
Danke, danke...

für dein alter bleibt mir nichts anderes zu tun:

sich verbeugend

Auch dafür meinen Dank, obwohl ich für mein Alter gar nicht verantwortlich bin.


Hallo Schrei Bär,

Hat mir wirklich gut gefallen, deine Geschichte! Ganz besonders der Schluss.
Das liest man gern!

Du verwendest an zwei verschiedenen Stellen die Konstruktion hier dieses und jenes, dort jenes und dieses.
Danke für den Hinweis, hätte ich so nicht gemerkt.

Was Quinn über die möchtegern Künstler geäußert hat, kann ich nur unterstreichen. Gib uns Beispiele.
An sich habt ihr recht, aber die Geschichte ist so schon nicht wirklich kurz. Da noch einige Charaktere rein zu hauen... Ich weiß nicht.


Gruß,
Abdul

 

Servus Abdul.

Ich finde diese ganze Korrekturleserei der anderen immer etwas spießig und verzichte daruf. Deine Geschichte hat sehr schön begonnen. Besonders ein Mensch der etwas belesen ist und/oder über eine gewisse freie Phantasie verfügt (was heute größtenteils vereinheitlicht ist), kann sich richtig in die Atmosphäre reinversetzen. Es waren nur ganz wenige Stellen, wo Du die passenden Worte etwas verfehlt hast. Schon fast professionell. Aber nachdem sie die Drogen genommen hatten ging es mir zu schnell. Versteh mich nicht falsch: Die Idee, daß die Drogen tatsächlich bewirken, daß man den Himmel bzw. den Hades erreichen kann bzw. nicht mehr selbst darüber entscheiden kann wohin es einen führt finde ich sehr gut. Nur geht es einfach viel zu schnell. Ich hätte, um die Geschichte zu perfektionieren, ab der Stelle, wo sie dem vermeintlichen Himmel entgegenschweben noch ein paar Sätze eingebaut, z.B., wie ihnen erstens bewußt wird, daß sie sich tatsächlich auf einer außerkörperlichen Reise befinden und dann entweder "sortiert" werden, da das oberste Wesen annimmt, sie wären tatsächlich tot und sie feststellen müßen, daß es nicht nur den Himmel gibt, oder sie werden für ihren Frevel bestraft bzw. haben irgendwas vergessen, was der Alte der Assasinen wußte. Sie hätten auch schon das Paradies mit seinen Reizen sehen oder erleben können und dann wandelt sich plötzlich die Szenerie in die Hölle oder sie werden gefragt, ob sie tot sind etc., der Hades besteht ja auch aus vielen Ebenen und Du hättest Erlebnisse aus "Aneas in der Unterwelt" oder so mit einfließen lassen können, irgendwas in der Art. Vom Höllenhund verfolgt zu werden ist auch eher unlogisch, er bewacht ja den Eingang in die Unterwelt. Die Rückkehr in den eigenen Körper hätte sich auch etwas schwieriger oder dramatischer darstellen müßen. Ich will sagen, daß Ende ist unrund und etwas schluderhaft. Bei einem solchen Beginn erwarte ich mehr und will dann nicht so abgefertigt werden. Du hast die einzelnen Charaktere schon zu stark herausgearbeitet um es so schnell enden zu lassen. Die Themen Assasinen, griechische Mythologie und Götterwelt im Allgemeinen und der Höllenhund und Unterwelt im Speziellen ist zu groß, um in ein paar Sätzen abgehandelt zu werden. Deine Idee bietet den Stoff für eine lange Geschichte oder einen Roman.

 

Hallo Felix-Florian,

Zunächst einmal danke für dein Interesse und deine Anmerkungen.

Ich finde diese ganze Korrekturleserei der anderen immer etwas spießig und verzichte daruf.
Hm, ich finde die eigentlich zumeist recht hilfreich, besonders dann, wenn es nicht nur um Rechtschreibung, sondern auch um Stil geht.

Besonders ein Mensch der etwas belesen ist und/oder über eine gewisse freie Phantasie verfügt (was heute größtenteils vereinheitlicht ist), kann sich richtig in die Atmosphäre reinversetzen.
Da habe ich ja ein Glück, mir hier eine so erlesene Leserschaft erwählt zu haben. :Pfeif:

Es waren nur ganz wenige Stellen, wo Du die passenden Worte etwas verfehlt hast. Schon fast professionell.
Danke dir für das Lob.

Aber nachdem sie die Drogen genommen hatten ging es mir zu schnell.
Deine Idee bietet den Stoff für eine lange Geschichte oder einen Roman.
Sicher hast du recht, dass die Inspirationsquellen für die Geschichte viel bieten und es mag sein, dass ich auch innerhalb dieser Geschichte einiges noch mehr hätte ausbauen können - das haben schließlich schon einige hier angemerkt. Aber es ist ja auch immer die Frage, was man will. Und in dieser Kurzgeschichte, die ja auch schon ihre sieben Seiten hat, wollte ich eben bestenfalls eine Ahnung vom Jenseits vermitteln und den Protagonisten keine Odyssee antreten lassen. Das wäre dann auch eher Fantasy gewesen.
Im Großen und Ganzen bin ich für mich mit dem Umfang der Erzählung ganz zufrieden.


Gruß,
Abdul

 

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