- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Psychedelic
Die braune, bröselige Masse in meinem Mund schmeckt ekelhaft. Er verzieht sich, ohne, dass ich Kontrolle darüber habe. Rob schaut mich irritiert an:
„Ist was? Schmeckt’s dir nicht oder was?“ Ich will nicht, dass er böse wird. Immerhin hat er mir den Trip bezahlt. Tapfer nehme ich noch ein großes, braunes Stück von dem getrockneten länglichen Pilz aus der kleinen Plastiktüte und schiebe es in meinen Mund. Ich kaue verbissen, bis ich den widerlichen Geschmack kaum noch wahrnehme und schlucke dann schnell. Die hohen dichten Bäume bewegen sich verspielt in der leichten Brise. Es ist Mittag. Ina steht neben mir, sie ist schon ziemlich zugedröhnt, ihre Augen sind trüb auf irgendetwas gerichtet, das für alle, die den Rausch nicht kennen, unsichtbar ist. Sie schiebt sich mit langen, dünnen Fingern eine braune Locke aus der Stirn, die Glocken an ihrem Handgelenk klingeln beinahe vorwurfsvoll. Ich bin nur froh, dass ich endlich alles in mir habe. Lächelnd blicke ich zu Rob hoch: „Nee, echt. Gutes Zeug.“ Durch seine Brille zwinkern mir seine Augen verschwörerisch zu. Er legt seinen muskulösen Arm um meine Schultern und zieht mich zurück zu Lukas Haus. Seine Eltern sind verreist, er hat sturmfrei und wir gehen psychedelic. In Lukas Garten sitzen ein paar Leute. Zaide hat eine kleine Bong in der Hand. Sie presst ihre Hand an das Glasrohr und inhaliert tief, bis sie eine Hustenattacke bekommt. Sie hustet, verschluckt sich, hustet wieder. Ihre Augen tränen. Sie hat Asthma. Lukas sitzt neben ihr, mit Shorts und freiem Oberkörper, er schlägt ihr sachte auf den Rücken. Nach ein paar Minuten hat Zaide sich beruhigt, sie grinst, röchelt ein bisschen und flüstert: „Nee, echt. Gutes Zeug.“ Lukas und Rob lachen. Ich starre sie nur an. Sie schnappt mir wegen ihren langen, schwarzen Haaren und ihren Brüsten, die riesig sind und immer gut sichtbar, regelmäßig die heißesten Typen weg. Nick winkt mich zu sich ins Gras, dankbar gehe ich zu ihm und lasse mich fallen. Ungeduldig warte ich auf den Trip, ich will richtig high sein. Dabei fühle ich mich immer so überlegen und reif, und mutig. Meine Mutter würde es niemals machen, ein gepflegtes Glas Rotwein zu klassischer Musik, ja. Aber Drogen? Niemals, da hat sie viel zu viel Angst, viel zu viel braves Spießbürgertumsblut in sich, viel zu viel Langeweile. Und viel zu wenig Sinn für die spirituelle Erfahrung. Zaide sitzt mittlerweile auf Robs Schoß, sanft küsst er ihren Nacken. Das blöde Flittchen, so toll sind ihre Haare auch nicht. Und Titten habe ich auch.
Nick kneift mich in die Seite: „Na, Nora. Schon woanders?“ Ich kehre mit meinen Gedanken zurück zu ihm, weg von Zaide, der Bitch. Was sie kann, kann ich schon lange. Ich lache Nick an:
„Klar, immer. Am Ende des Regenbogens. Willst du mit kommen?“ Demonstrativ lehne ich mich vor und gebe ihm einen langen, feuchten Kuss, der mehr Lecken ist, als Küssen, aber bestimmt ganz gut aussieht. Wir machen noch ein bisschen rum aber langsam werde ich ernsthaft frustriert weil ich den Pilz nicht spüre. Dafür spüre ich, wie Rob mich beobachtet. Wie er meine Bewegungen kontrolliert, schaut, ob ich den Trip auskoste. Aber mir erscheint dieser ganze Tag, mein ganzes Leben, Dasein, Tun so vollkommen sinnlos. Was will ich eigentlich hier mit den ganzen Usern, die ihr Leben verkiffen ohne zu denken. Im Kopf ist das einfach, tatsächlich auszusteigen schwieriger. Sobald ich mich ein bisschen distanziere, lecken die Hunde Blut. Wenn man einmal in dieser Szene ist, kommt man so leicht nicht mehr raus. Minas Bild schiebt sich in meinen Kopf. Die blasse Mina, mit den roten Haaren und dem leisen, weisen Lachen. Sie wollte raus, letztes Jahr. Rob und die Anderen haben sie fertig gemacht, jetzt wandelt sie herum wie ein bleiches Gespenst, das seine Zunge verschluckt hat und mit ihr allen Lebensmut.
Nicks Kopf liegt in meinem Schoß, er lächelt mich an, und ich weiß, dass er weiß, dass wir nur Freunde sind. Und nur Freunde bleiben.
Ich spüre immer noch nichts von dem guten Zeug, mittlerweise ist es mir auch egal. Ich schaue lieber Zaide dabei zu wie sie mit Rob spielt, ihn heiß macht, ohne ihn wirklich ran zu lassen. Das kann sie schon gut.
Weil ich weiß, dass die Anderen es erwarten, springe ich ein bisschen durch den Garten und tue, als würde ich Gespenster sehen und Gott, Licht und Schatten. Aber tatsächlich sehe ich nichts.
Ich liege auf dem Boden, als Rob kommt. Er nimmt meine Hand, dreht sich zu den anderen um:
„Ich kümmere mich mal um die Kleine.“ Ich sehe noch, wie Nick mich alamiert anschaut, dann sehe ich nur noch Rob und seine Hand die meine fest umschlossen hält. Wir gehen um die Hausecke. Lukas Haus ist ein bisschen außerhalb und ein bisschen schäbig, aber für unsere Zwecke war das immer gut. Jetzt bin ich mir da nicht mehr sicher. Mein Herz schlägt schnell, zu schnell. ‚Das ist doch nur Rob‘, sage ich mir. Immer wieder. Aber mein Herz beruhigt das nicht. Genauso wenig wie mich. Wir bleiben stehen, er nimmt mein Gesicht zwischen seine großen Hände und schaut mich an. „Kleine Nora. Das war ein schöner Tag, oder? Ich habe ihn dir geschenkt Nora. Und jetzt musst du mir etwas schenken. Nichts ist umsonst, auf dieser Welt.“ Er zieht seine Hose herunter, drückt mich auf die Knie. Sein Penis riecht unangenehm und seine Schamhaare kitzeln an meiner Nase. ‚Umsonst geht nur die Sonne auf‘, höre ich die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. Um mich ist es schwarz, als ich seinen Penis in meinen Mund nehme. Schwarz. Und es bleibt schwarz, als er seine Hose hochzieht und mich auf dem Boden liegen lässt wie schmutzige Kleider, die man getragen hat und nicht mehr braucht.
Mein Herz hat aufgehört zu schlagen und ich bin dankbar für das dumpfe schwarz, dass mich einlullt, mich alle Gefühle und Gedanken vergessen lässt.
Ich weiß nicht, wie lange ich schon auf dem Boden liege, als Zaide kommt. Eigentlich ist das auch egal. Plötzlich ist sie da. Sie beugt sich über mich, flüstert sanfte Worte in meine wunden Ohren.
Sie streichelt zärtlich meinen Kopf, dann legen sich ihre Lippen auf meine. Ich fühle ihre Zunge in meinen Mund gleiten und lasse es geschehen. Sie spielt mit meinen Lippen, ich weiß nicht wie lange. Eigentlich ist das auch egal. „Ich liebe dich. Alles wird gut.“, haucht sie. Irgendetwas sagt mir, dass Zaide vor allem sich selbst liebt. Oder hasst. Was vielleicht auch dasselbe ist.
Dann spüre ich ihren Finger in meinem Mund, er gleitet immer weiter nach hinten in meinen Hals. Ich will, dass sie aufhört, aber ich bin so müde. Ich kotze auf die schönen Blumen und ich denke noch ‚die schönen Blumen‘, aber dann ist es mir auch egal. Ich kotze und kotze, weil ich mich so vor mir ekle und vor Zaide und Rob und meiner Mutter und dieser ganzen scheiß verdammten Welt. Mein Kopf liegt in der braunen, bröseligen Masse, die gerade noch in mir war und Zaide schaut mich an als gefalle ihr, wie ich in meiner eigenen Kotze liege. Meine Augen richten sich gen Himmel und der Himmel ist schwarz.