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Punks auf der Frankfurter Buchmesse
Soll mal einer behaupten, Fortuna Düsseldorf Fans wären nicht sensibel genug, und könnten deshalb keine sentimalen Geschichten erzählen, sondern nur was über Fußball, Ficken, Alkohol. Bah, da lach ich aber! Ich schreibe gerne über alles: Über Gott und die Welt, die er erschaffen hat und so. Zwar springen da nur regelmäßig erstklassige Ladenhüter bei raus, die zudem in der Regel nichts für penetrante, unlustige und intellektuell verdorbene Frauen sind. Ich werde den Büchermarkt so lange mit meinen Werken bombadieren, bis die germanische Literaturpäpstin Elke Heidenreich den Stempel mit dem Siegel „Prädikat: Besonders lesenslustig“ eines meiner Schmökern aufdrückt. Das Wort Literaturpunk höre ich sehr gerne, aber nur, wenn im gleichen Augenblick mein Name genannt wird. Ich sag es ja immer, die Eitelkeit...
Die Frankfurter Buchmesse!
Endlich mal die Chance ein bisschen Punk zu machen und mein literarischen Streich Schnickschnackblues einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Darauf habe ich schon den ganzen Sommer ungeduldig gewartet. Außerdem würde ich gerne Ildikó von Kürthy (12) einen Hinweis auf mein Buch geben, denn ihre und meine Geschichten stehen in Opposition zueinander. Während bei Frau von Kürthy die weiblichen Hauptfiguren schwachen Charakters sind und sich deshalb gerne von gutaussehenden, betuchten Ärzten romantisch verführen lassen wollen, das heißt, sie möchten kräftig durchgepimpert werden bis, im wahrsten Sinne des Wortes, der Arzt tatsächlich kommt, handeln meine Geschichten von hässlichen Verlierern, die von Frauen verachtet werden, und die bereits im Rinnstein des Lebens gewesen sind, jedoch den Sinn ihres Daseins erkannt haben und sich jetzt nur den wesentlichen Dinge des Lebens widmen.
9.13 Uhr
Ich klemme einen Karton, vollgepackt mit Werbezetteln, unter den Arm meines besten Freundes Meisen, um ihn unter meinem Kommando an der Eingangskontrolle vorbeizulotsen, ohne zu Bezahlen. „Wo ist Ihr Ticket?“, fragt die Dame meinen Knecht und stellte sich ihm in den Weg. Ich stelle mich dazu. „Das ist mein südamerikanischer Sklave, der versteht kein Wort Deutsch. Der bringt nur schnell die Sachen rein. Der muss gleich wieder in den kolumbianischen Urwald zurück. Dort wird um ihn gefeilscht wie um ein Maultier.“ „Sie betreten die Frankfurter Buchmesse!“ faucht uns der Drachen vom Personal an. Ich grinse - der hessische Dialekt hat was. Mein Trick scheint wohl nicht zu funktionieren. An der Kasse muss mein Freund sich ein Ticket kaufen.
10.32 Uhr
Der Chaot von Freund soll den Messebesuchern das Werbezettelchen in die Hand drücken und ihnen mein Buch aufschwätzen, aber Meisen lässt sich laufend ablenken durch die aufgebrezelte Hostess-Mieze, die im Minirock den Ausstellungsbereich der Selbstverlage verführerisch durchstreift und unsere Wünsche versucht zu erfüllen. Meisens Wunsch mit ihr in die Kiste zu springen, und das Lattenrost auf Belastbarkeit zu testen, wird wahrscheinlich nicht in Erfüllung gehen. Aber zumindest ordert Meisen bei diesem Fabelwesen laufend frischen Kaffee, damit sie ihm näher kommt.
13.44 Uhr
Der überdosierte Genuss von Kaffee hat zur Folge, dass es Meisen plötzlich speiübel wird und er es gerade noch schafft, zum WC zu gelangen, wo er der Toilettenfrau galant auf den Teller kotzt.
15.50 Uhr
Apropos brechen...
Wir brechen uns am Messestand einen Ast ab und bringen kein einziges Buch an den Mann. Ich bereue, dass mir nicht ein ausgefallener Titel für die Geschichte eingefallen ist, wie zum Beispiel - und jetzt, wo es zu spät ist, kommen auf einmal die Ideen: „Menstruation am weißen Palmenstrand“.
Es wird immer später. Gegen die aufkeimende Depression bringt mich der wieder genesende Meisen auf andere Gedanken, in dem er der Meinung ist, wir sollten doch durch die Messehallen schlendern und uns ein bisschen umschauen und Spass haben. Für mein Buch würde sich doch niemand interessieren. Recht hat er wohl, denk ich mir. Nächstes Mal nehme ich wohl besser meinen besten Freund, den dicken Fatzo, mit. Es ist der einzigste Mensch auf Erden, den ich kenne, der es schafft, aus einer Dose Aldi Feuertopf ein 3-Gänge-Menü zu hexen. Beruflich tut er Sonnenbrillen verkaufen, die er sich preisgünstig für ein paar Pfennige in Asien besorgen tut. Solches billiges Produkt verhökert er dann in Deutschland skrupellos als teuere Markenware. Wer dazu in der Lage ist, kann bestimmt auch gut Leute für erstklassige Ladenhüter begeistern, wie ich sie in der Regel schreibe.
15.59 Uhr
Ein strahlender Cerno Jobatai kommt uns entgegen. Der hat bestimmt ein Dutzend Brennstäbe verspeist, meint Meisen. Stimmt, sage ich und füge hinzu, deswegen nennt man ihn auch ab jetzt Tschernobyl Jobatai. Tja, ein Legastheniker auf der Buchmesse. Es kommt mir ein wenig so vor, wie wenn ich Heino auf einem Punkrock-Konzert antreffen würde.
16.11 Uhr
Da drüber ist ja Michael Mittermeier, stellt Meisen begeistert fest. Ja, mit dem war ich mal frühstücken. Ich kann mich noch genau erinnern. Ich nahm Erdbeermarmelade und er Waldfrucht, lüge ich. Und wir beide konnten uns negativ über Roger Willemsen äußern...
16.16 Uhr
Ein interessantes Reisebuch über die Costa Brava verschwindet unauffällig in Meisens Plastiktüte eines Discountmartes. Mal eben ein paar Sachen mitgehen lassen, da kennt er kein pardon. Meisens weitere Hobbys sind übrigens Bumsen, Saufen und Krankfeiern. Das kann er echt gut. Dazu hat er Talent. Noch was zum Krankfeiern. Meisen ist der Meinung, die Leute auf der Arbeit sind im Grunde genommen doch froh, wenn er abwesend ist - ein Störenfried weniger.
17.00 Uhr (Five o’clock)
Die Uhr pfeift - Feierabend naht. Der Messetag neigt sich dem Ende zu. Zurück an unserem Stand schiele ich zum Austellungsregal. All meine Bücher sind noch da. Mir kommen die Tränen nahe und Meisen plötzlich wieder der Hostess-Mieze. Ich kann nicht verstehen, was er ihr ins Ohr flüstert, doch daraufhin wirft sie kokett den Kopf in den Nacken und lacht. Bestimmt ein netter erlogener Spruch, um sich einzuschmeicheln. Dann raunt er ihr noch etwas zu. Vielleicht versucht er ihr ein Date anzudrehen, der alte Halunke? Oder ist es wieder mal Meisens Standardspruch: Darf ich dein Lausbube sein und dir meine Portokasse zeigen? Das Turteln geht in die nächste Runde und Meisen hält sich tapfer und lässt nicht so schnell locker.
Von dem Turteln werde ich abgelenkt, denn ein böser Gedanke setzt sich schlagartig in meinem Kopf fest - ich habe keinen Bestseller geschrieben. Bleibt nur allein der Traum von einer Motoryacht, einem Düsenjet und einem Schloss in Schottland mit dicker Bibliothek. Ich sollte meinen unkreativen Steuerberater kündigen und mir einen pfiffigen PR-Berater zulegen. Ob das so einfach geht, dazu muss ich erst meinen habgierigen, karrieregeilen Rechtsanwalt konsultieren. Um noch mehr Geld zu sparen, sollte ich auch ihm irgendwann kündigen.
Halt! Es scheint doch tatsächlich zu aller Überraschung noch etwas Aufregendes zu passieren. Ein mir auf den ersten Blick sofort unsymphatischer, dicklicher Herr blättert in meiner Schwarte rum und vertieft sich in den Text. Dann legt er das Buch wieder ins Regal als er merkt, dass ich ihn offentsichtlich mustere. „Sind Sie der Autor dieses Werkes?“ spricht er mich an und weist mit seinen Wurstfingern auf mein Buch. „Si!“, mein ich nur schnippisch. „Was ich kurz gelesen, mein Lieber, dazu kann ich nur sagen: Es ist der Tiefpunkt in der deutschen Literaturgeschichte. Der absolute Abschaum. Guten Tag!“
Pöh, ist mir doch egal. Ich lasse eh keine Kritik zu. Genau wie Gott. Er lässt auch keine Kritik an seinem Konzept zu. Eines Tages werde ich mich für diese Blödmänner von Kritikern ans Kreuz schlagen lassen, damit ihnen ihre sündigen Beurteilungen vergeben werden...
„Pass bloß auf, du freilaufendes Neidhammel,“ spreche ich zu mir selbst. „Das ich dich nicht eines Tages in eine Käfigbatterie sperre. Dort wirst du heulen und mit den Zähnen knirschen. In alle Ewigkeit.“ Gott, vergib mir.
Nachdenklich schlendere ich Richtung Bücherregal. Mein Joggingschuh wird urplötzlich von einer Gehhilfe mit Einkaufskörbchen überrollt, die zittrig von einer Omi manöveriert wird. Gottes Strafe folgt eben auf den Fuß.
17.30 Uhr
Meisen und ich verlassen enttäuscht die Messe. Ach so, Ildikó von Kürthy bin ich auch nicht begegnet. Schade eigentlich. Ich hätte viel zu fragen gehabt. Wie man zum Beispiel einen Bestseller schreibt...