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Puppenspiel

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14.12.2009
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Puppenspiel

Dong, dong. Wir begrüssen Sie in der S3 nach Lenzburg, Dietikon, Zürich Hauptbahnhof, Stadelhofen, Wetzikon. Ohne Halt bis Lenzburg.
Gemütlich setzt sich der Zug in Bewegung und verlässt den Bahnhof. Sechs Minuten Fahrt - sechs Minuten, welche sie sinnlos auf den gepolsterten, blauen Sitzen verbringen muss. Belanglos wandert ihr Blick wieder zum Fenster. Das ganze Abteil wird gespiegelt und sie kann kaum die schneebedeckten Baumspitzen hinter dem Glas erkennen. Wie ein verschwommenes Bild sieht alles aus.
Doch das Bild ändert sich, als eine ältere Dame schräg gegenüber Platz nimmt. Die feurig rote Tasche der Frau sticht ihr sofort ins Auge. Kunstleder und lackiert - wie es scheint -vernarbte, schrumpelige Hände umklammern den Henkel.
Neugierig und aus Langeweile beäugt sie die Frau. Zu viel Make-up und ein schrecklich weisser Anzug. Beschämt, weil sie sich schon wieder dabei ertappt, wie sie schlecht über Fremde denkt, lässt sie von der Frau ab und wendet sich wieder dem Bild zu.
Eigentlich sollte das Bild zum Film werden, aber nichts rührt sich. Die Dame sitzt regungslos da und umklammert stets ihre Tasche. Ihre Augen sind leicht gesenkt und starren auf den Sitz neben dem Mädchen, wo die Tasche liegt.
Na, was denkst du? In deiner Tasche ist doch irgendwas drin, irgendwas Wichtiges, Spezielles. Sonst würdest du sie doch niemals so umklammern. Also, was ist drin?
Fragen schwirren in ihrem Kopf herum und werden nie gestillt. Plötzlich dreht die Frau den Kopf und sieht sie lächelnd an. „Meine Puppe“, sagt die Frau.
Dong, dong. Lenzburg.
Beängstigt und verwirrt von dieser merkwürdigen Begegnung fährt sie mit dem Fahrrad heimwärts. Rot. Nach langem Warten endlich Orange. Sie setzt den Fuss auf die Pedale und fährt bei Grün los.
Rot - Licht. Das Kreischen übertönt alles und dann, rot.

Dong, dong, dong, dong. Es hätte wohl nicht mehr viel gefehlt und ich wäre im Reich der Träume gelandet, doch die Wanduhr im Wohnzimmer war wohl anderer Meinung. Immer deutlicher kann ich die Umrisse meines Zimmers erkennen, meine Augen lassen mich nach und nach die Konturen zuordnen.
Kalt und böse starrt mich die Porzellanpuppe an. Sie hat keine Seele, sie ist leer und einsam. Ihr Blick ist schneidend, sie wendet ihn nicht ab - eisern bleibt er an mir haften. Aber ich möchte mich nicht abwenden, nicht von einer Puppe. Sie oder ich, um das geht es. Wer zuerst nachgibt, wer sich kleinkriegen lässt. Die Umgebung wirkt verschwommen, als ob man durch den Boden eines leeren Glases blicken würde, ich starre wie hypnotisiert in die dunklen Höhlen meines Gegners. Müde, meine Augenlider flattern; ein ungleicher Kampf, aber ich möchte nicht verlieren, nicht kampflos aufgeben. Deshalb fokussiere ich nichts anderes, als die kalten, einsamen Augen der Porzellanfigur. Sie gewinnt, ich muss es eingestehen, mein Kopf brummt und ich habe das Gefühl, dass meine Augen sich allmählich verkrampfen. Dann trübt sich die Sicht und das Licht verschwindet.
In weiter Ferne höre ich ein Piepen, es wird immer lauter. Krampfhaft versuche ich meine Augen zu öffnen; Licht schiesst in meine Augen und ich muss kläglich nachgeben. Erneuter Versuch, und ich gewinne. Langsam wird die Sicht klarer, der Schrank, der Wecker, die Puppe.
7:15, ich habe verschlafen. Wiederum treffen meine Augen auf ihre Augen und wieder lässt mich ihr Blick nicht los. Steh auf. Doch die Puppe lässt mich nicht; ihr Blick hält mich gefangen. Sieh weg, es ist nur eine Puppe. Eine Puppe mit einen weissen Kleidchen und einem roten Schal. Der rote Schal wird zu Blut - Blut, das aus ihrem Hals strömt und vom Kleid gierig aufgesogen wird. Doch dann verschwindet das Blut nach und nach, übrig bleibt nur der Schal.
Grün. Gefährlich und kühl glotzt sie mich an, zum töten wie gemacht, die Kreuzung. Tag und Nacht wartet sie im Stillen auf ein neues Opfer. Ist es soweit, saugt er gierig das Blut auf. Rot in Weiss.
Wahllos nehme ich mir den erst besten Sitz und lege meine Tasche neben mich.
Am Donnerstagmittag war eine 16-Jährige mit ihrem Fahrrad in Lenzburg unterwegs. Als sie die Kreuzung überquerte, fuhr ein Geisterfahrer über Rot. Ein hinzugezogener Notarzt konnte nur noch den Tod des Mädchens feststellen…
Betrübt werfe ich die Zeitung weg und wende mich dem Schauspiel hinter der Scheibe zu.
Weiss. Wie ein Schutzschild, ein Mantel, hinter dem sich die Realität verbirgt; verborgen und verdeckt von der Aussenwelt. Eine Welt voller Trauer, Schmerz und Hass und niemand kommt davon.
Dong, dong. Aarau.
Kälte überfällt mich.

Hastig stampft sie durch den Schnee und kommt erschöpft im Klassenzimmer an. Sie setzt sich auf ihren Stuhl und versucht dem Lehrer zuzuhören. Doch heimtückische Müdigkeit übermannt sie, schleichend und erbarmungslos. Sie hat komplett Besitz von ihr ergriffen.
Eine Puppe, bloss eine Puppe. Keine Seele, keine Gefühle, keine Macht.
Was willst du? Tod – Meinen Tod?
Dong, dong. Pause.
Ausgelaugt stapft sie im Dunkeln zum Bahnhof. Ihre Füsse versinken im nassen Schnee. Gerade noch rechtzeitig kann sie die S3 erwischen. Sie steigt ein und macht es sich in einem Abteil gemütlich. Ihre Tasche legt sie neben sich.
Der Zug rollt in die Dunkelheit…

 

Salve Tabea93 und herzlich willkommen bei KG.de,

Dein Text ist bleibt für die Rubrik "Alltag" reichlich seltsam, rätselhaft. Das kann zum einen daran liegen, dass ich die geschilderte Bahnstrecke nicht kenne, und nicht weiß, wo Aarau einzuordnen ist. Zum anderen ist mir nicht ganz klar, wer den Mittelteil erlebt, bzw träumt: die alte Frau, das Mädchen, oder eine dritte Person. Ein paar klärende Worte im Text wären hier schön, um den Absatz im Gesamtzusammenhang einordnen zu können.

Außerdem langst Du mit der ständigen Wiederholung starker Symbole - die Puppe (natürlich ist sie böse), die Farben rot und weiß im Kontrast, und natürlich viel Blut - dramaturgisch in die Vollen. Zu voll für meinen Geschmack, da brüllt einen das Drama an, und lässt kaum Luft für möglicherweise vorhandene leisere Zwischentöne.

Viel tragischer finde ich es, dass die Protagonistin des ersten Abschnitts bereits eine Bahnfahrt von sechs Minuten als sinnlos vertane Zeit empfindet. Das ist ein echtes Drama des Alltags, wenn nicht so viel Muße bleibt.

Und ein belangloser Blick - ist dieser Ausdruck eine Schweizer Spezialität? Für mich klingt das reichlich schräg.

Naja, nichts für ungut. Im großen und ganzen hat mir der Text ansonsten gefallen.

LG, Pardus

 

Hallo und Danke Pardus

Dein Text ist bleibt für die Rubrik "Alltag" reichlich seltsam, rätselhaft. Das kann zum einen daran liegen, dass ich die geschilderte Bahnstrecke nicht kenne, und nicht weiß, wo Aarau einzuordnen ist. Zum anderen ist mir nicht ganz klar, wer den Mittelteil erlebt, bzw träumt: die alte Frau, das Mädchen, oder eine dritte Person. Ein paar klärende Worte im Text wären hier schön, um den Absatz im Gesamtzusammenhang einordnen zu können.

Wahrscheinlich ist die Rubrik "Seltsam" zutrefflicher! Ich dachte mir, dass das Mädchen dies in ihrem Alltag erlebt.
Aarau liegt im Kanton Aargau. Die Bahnstrecke Lenzburg - Aarau ist meine Schulstrecke. Unter der Woche fahre ich sie jeden Tag.

Der Mittelteil erlebt das Mädchen. In der Geschichte gibt es einen Wechsel der Erzählerform. Es ist für mich besser verständlicher in der ich- Form. Auch beginne ich mit dem Schluss und steige dann in den Anfang ein. Das kann auch sehr verwirren.

Außerdem langst Du mit der ständigen Wiederholung starker Symbole - die Puppe (natürlich ist sie böse), die Farben rot und weiß im Kontrast, und natürlich viel Blut - dramaturgisch in die Vollen. Zu voll für meinen Geschmack, da brüllt einen das Drama an, und lässt kaum Luft für möglicherweise vorhandene leisere Zwischentöne.

Diese Farben haben viele Bedeutungen. Die Ampel, das Blut, der Schal, die Tasche, das "Rotlicht" der Ambulanz. Eigentlich hat es ja Blaulicht, das ist wahrscheinlich auch etwas seltsames an der Geschichte. Es sollte eigentlich nicht so dramatisch auf den Leser wirken. Blut spielt eine Rolle aber das rot der Ampel ist für mich wichtiger.

Viel tragischer finde ich es, dass die Protagonistin des ersten Abschnitts bereits eine Bahnfahrt von sechs Minuten als sinnlos vertane Zeit empfindet. Das ist ein echtes Drama des Alltags, wenn nicht so viel Muße bleibt.

Und ein belangloser Blick - ist dieser Ausdruck eine Schweizer Spezialität? Für mich klingt das reichlich schräg.

hmmm.. gute Frage :)
Ich schaue immer wieder ohne Grund irgendwo hin ohne dabei richtig zu überlegen, das ist für mich belanglos.
Diese sechs Minuten sind für mich persönlich Zeitverschwendung.
Vor allem am Morgen, da möchte ich länger schlafen und muss aber mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren.

Naja, nichts für ungut. Im großen und ganzen hat mir der Text ansonsten gefallen.

Danke und lg tabea93 :)

 

Auf Wunsch der Autorin aus Alltag nach Seltsam verschoben.

 

hallo tabea93

ich finde deine geschichte, wenn man bedenkt, dass du noch an den anfängen stehst(denke ich zumindest), sehr gelungen. klar hat es ein paar holpersteine darin, aber im grossen und ganzen bringst du die "message" rüber.

mfg piccolo

 

hallo tabea93

ich finde deine geschichte, wenn man bedenkt, dass du noch an den anfängen stehst(denke ich zumindest), sehr gelungen. klar hat es ein paar holpersteine darin, aber im grossen und ganzen bringst du die "message" rüber.

mfg piccolo


hallo piccolo :)

danke, ist wirklich meine erste Geschichte.

lg, tabea

 

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