Was ist neu

Puscheltag

Mitglied
Beitritt
08.04.2010
Beiträge
19
Zuletzt bearbeitet:

Puscheltag

Es war Mittwoch morgen, nicht allzu regnerisch, aber selbst wenn, heute war Puscheltag, und ich machte mich auf den Weg. Raus aus dem stickigen Randstadtblockzweizimmerasyl, fünf Stockwerke mit einem Aufzug, der so alt war wie ich, hinunter geruckelt, an Ps Kiosk vorbei, der schon seit Jahrzehnten geschlossen war, und ab in den Park.

Dafür brauchte ich inzwischen ungefähr eineinhalb Stunden. Ich war ein langsamer Geher geworden. Die Knie zerschlissen, die Hüfte entzündet, der Rücken gebeugt und alles in allem mehr als nur klapprig. In der einen Hand einen alten Holzstock, von dem bereits passend zu mir der Lack abblätterte, und in der anderen eine moderne Gehhilfe aus Plastik in zeitlosem krankenhausgrau.

Ich setzte mich auf meine Bank, wie ich es jeden Mittwoch seit einem gefühlten halben Jahrhundert tat, und wartete. Puschel kam für gewöhnlich etwas später bei der Fichte gegenüber vorbei. Puschel war ein Eichhörnchen mit rotem buschigen Schwanz, der fast dreißig Zentimeter lang war. Die spitz von den Ohren abstehenden Haare hatten bereits einen Schimmer von grau bekommen. Ich hatte üblicherweise ein kleines Fernglas dabei und beobachtete meinen Puschel genau.

Puschel hatte seinen Namen von Peter, dem Enkel meiner Nachbarin, die vor gut zwei Jahren gestorben war. Peter hatte Puschel bei einem gemeinsamen Spaziergang entdeckt und sofort getauft. Mit einer Wasserspritzpistole. Puschel war damals sichtbar jünger, vielleicht sogar ein bisschen kleiner, aber die Erinnerung mag hier täuschen. Auf jeden Fall war er flinker, eine richtige kleine Sprungfeder. Er flog scheinbar den Baum hoch, floh schnell vor der ungestümen, menschlichen Jugend.

Ich mochte die Wasserpistole nicht, hielt mich jedoch aus Erziehungsangelegenheiten raus und brachte, sozusagen als Entschuldigung, Puschel am nächsten Tag eine kleine Nuss mit, die ich unter der Fichte ablegte. Seitdem kam ich jeden Mittwoch hierher. Aber nicht mehr mit einer Nuss, da ich mir sagen lassen habe, dass die für uns Menschen mit Chemie behandelten Nüsse für so ein kaum drei Tafel Schokolade schweres Fellknäuel nicht gut waren. Das mit der Chemie leuchtete mir zwar nicht zu hundert Prozent ein - aber sicher ist sicher. Und der Ökoladen war einfach zu teuer, glaubte ich. Ich war allerdings noch nie in einem gewesen, denn ich wüsste nicht, wo einer wäre, den ich erreichen könnte.

„Ach.“ Es stöhnte und ächzte neben mir auf meiner Bank. Das überraschte mich, denn ich hatte gar nicht bemerkt, dass sich jemand gesetzt hatte. Aber die Ohren hörten ja auch nicht mehr so gut.

Ein Mann in einem schäbigen Columbo-Mantel grummelte neben mir vor sich hin. Ich sagte mehr aus Versehen: „Wie bitte?“. An einem Gespräch war ich eigentlich nicht interessiert. Der Mann wandte sich mir zu. Er hatte dunkle Augen passend zu seinem dunklen Teint, kurze schwarze Haare und ein lächerliches Ziegenbärtchen. Vielleicht war er mittleren Alters - ach, was heißt das schon.

„Wenn Du gut zweitausend Jahre in einer Flasche sitzen musst, dann hast Du weiß Gott Besseres zu tun, als irgendeiner Göre Wünsche zu erfüllen, nur weil sie Deine Flasche kaputt macht, oder?“
„Wie bitte?“ fragte ich noch mal. Der Fremde räusperte sich und lamentierte weiter.

„Nun, wo willst Du eigentlich hin, wenn Deine Flasche kaputt ist. Ich meine, nach zweitausend Jahren hat man schon ein bisschen mehr gefunden als einen Kompromiss. Es ist verdammt noch mal Dein Zuhause, oder?“

Ich schaute verständnislos. Hatte ich heute morgen alle meine vier Pillen genommen? Ich war mir einfach nie mehr sicher, auch nicht mehr über die Anzahl vier selbst.

„Ja, die Luft. Die Luft ist natürlich besser. Keine Frage. Du atmest mit der Zeit halt alles weg. Andererseits wusstest Du auch, wo Du dran warst. Eure Abgase sind ja nicht gerade von schlechten Eltern.“
„Ich verstehe Sie nicht“, erwiderte ich vorsichtig, was den fremden Mann nicht zu stören schien.
„Ach Sprachen, ich spreche viele. Das ist nicht so besonderes. Ich meine, wenn Du da in Deiner Flasche bist, da hast Du viel Zeit die Ohren zu spitzen. Da bekommst Du schon was mit. Man muss ja was tun, oder? Und Fernseher gab es halt früher nicht. Und selbst wenn, wäre kein Platz gewesen, nicht ein klitzekleiner Platz übrig. Du verstehst, oder?“
„Verzeihung, ich höre nicht mehr so gut.“
„Das kommt mit dem Alter. Aber Platz hier, Mann o Mann. Platz ohne Ende. Endlich die Beine ausstrecken.“ Er streckte die Beine aus.
„Die Arme ausstrecken“. Er streckte die Arme aus und stieß dabei fast an meine Mütze. Hätte er sie getroffen, wäre ich sehr ärgerlich geworden.
„Und mit dem Wind pfeifen, hm der Wind.“ Er pfiff eine kleine Melodie vor sich hin. Ein Irrer, wie so viele. Ich wandte mich ab.
„Wenn jetzt der Regen nicht immer wäre, könnte ich mich fast dran gewöhnen. Haha.“
Und nach einer kurzen Atempause: „He!“ er stieß mich an, und ich würde ärgerlich. „Was?“ krächzte ich.
„Wünsch Dir was!“

Ich versuchte, ihn böse anzustarren, ihn einfach wegzustarren. Und dann wandte ich mich wieder meiner Fichte zu. Hoffentlich vertrieb er mir nicht den Puschel mit seinem blöden Getue.

„Das bin ich gewohnt. Das bin ich gewohnt“, rief er mit gekünstelter Stimme und gekünstelten Gebärden aus. „Aber ich kann nicht anders. Mensch, was für ein Stau. Da ist ein echter Druck in mir drin, und ich muss echt aufpassen, dass ich nicht platze. Stell Dir doch vor, nach all den Jahren. Zweittausend Jahre, Mann. Und dann sagst Du es nicht. Und dann sagt er nichts. Ist das gerecht? Nein, sag ich Dir. Aber wenn ich Dir einen Rat geben darf. Halt es simpel. Simpel und einfach, man muss es nämlich selber verstehen, weißt Du, sonst funktioniert es nicht. Und Du bist ein simples Gemüt, oder?“

Ich hatte keine Lust mehr und beschloss zu tun, als ob er nicht da wäre. Wenigstens roch er nicht nach Alkohol. Ihm würde langweilig werden und dann würde er verschwinden. Bei mir gab es nichts zu holen, das sah man mir an. Und wer saß auch schon gerne bei einem alten Mann.

„Und übrigens“, dozierte er, „hat keiner was von drei gesagt, oder? Hast Du mich drei sagen hören? Nicht über diese Lippen. Nicht einmal zwei.“.
Ich starrte weiter die Fichte an und wünschte, er würde verschwinden.
„Na so einfach geht es jetzt nicht. Der Druck, das habe ich Dir doch schon erzählt. Dabei gäbe es so vieles. Mann, denk einfach, denk simpel, so wie ich gesagt habe; wie wäre es mit dem Nächstliegenden: Ein neuer Stock, ein neuer Hut, ein neues Bein, neues Haus, neue Frau - obwohl in deinem Alter; vielleicht ein neues Alter? Wenn Du mich bei Laune hältst, ist auch das drin. Mann mach hinne, ich bekomme Hunger.“

Hervorragend, bald würde er gehen. Ich musste nur noch ein bisschen ausharren und meine Fichte anstarren. Ich wünschte bereits, Puschel wäre hier. Dann klopfte dieser widerwärtige, aufdringliche Mensch mir mit seiner schweißnassen Hand auf die Schulter und sagte in einem überraschend normalen Plauderton: „Eine sehr gute Wahl.“

Danach war es still. Ich schaute mich um. Er war nicht mehr da. Ich freute mich. Und so, als hätte er nur abgewartet bis wir unter uns waren, kam Puschel die Fichte herunter.

 

Salve pihalbe,

Dein Djinn gefällt mir - auch wenn ich mich frage, woher er nach zweitausend Jahren in derselben Flasche Umgangsformen und Kleider des einundzwanzigsten Jahrhunderts nimmt.

In den meisten Texten diser Rubrik sticht das Seltsame so aufdringlich heraus, dass Deine Idee, es derart subversiv in die erzählte Realität einzubauen, dass der Protagonist es selbst nicht bemerkt, angenehm heraussticht.
Schön auch, wie Du mitwenigen Federstrichen den alten Mann so plastisch darstellst, dass man ihn sich bildhaft auf der Parkbank vorstellen kann.
Und der schnodderige harakter des Djinns gefällt mir ebenfalls.

Weniger schön sind die zahlreichen Fehler im Text. Ich suche Dir ein paar heraus, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Zahlen bis zwölf schreibt man gemeinhin als Wort.

ein einhalb Stunden
eineinhalb
von Peter, der Enkel meiner Nachbarin
dem Enkel
eine richtige, kleine Sprungfeder.
Kein Komma, da "richtig" "klein" näher definiert.
so zu sagen als Entschuldigung
sozusagen
kaum 3 Tafelschokolade
kaum drei Schokoladentafeln schweres
er mittleren Alters-
fehlt ein Leerzeichen vor dem Gedankenstrich
„Wie bitte?“ fragte ich noch mal.
Komma nach der eingebetteten wörtlichen Rede - das fehlt noch häufiger.
Hatte ich heute morgen alle meine vier Pillen genommen.
Fragezeichen statt Punkt.

LG, Pardus

 

Hi Pihalbe,

Ich finde deinen Text echt gut. Vorallem das Spiel zwischen den alten Mann und dem Djinn. Der alte Mann lässt sich absolut nicht auf ihn ein und man kann sich richtig vorstellen, wie er da sitt und ein Gesicht mahct, wie ein beleidigtes KInd:)

KLar waren einige Fehler drinne, aber die sind ja korrigierbar und es geht in erster Linnie um die Story.

Liebe Grüße

PPasing

 

Hallo pihalbe,

ich mag Deinen Nick ;).

Schöne Geschichte! Hat mir gut gefallen, wie Opa und Puschel gemeinsam altern. Da steckt etwas sehr fein gezeichnetes, liebevolles drin.
Die Begegnung mit dem Flaschengeist hat ihren ganz eigenen Charme, weil er so herrlich flapsig daher redet. Und natürlich die Bemühungen, die Welt in ihrer Ordnung zu belassen, muss ja ein Irrer sein oder die Pillen haben schuld.
Was mir auch sehr sympathisch ist, das ist der Wunsch nach Ruhe, der durchschimmert, der Kerl soll weg und das normale Mittwochprogramm soll starten. Die lieben Gewohnheiten ...

Schön wäre, wenn jetzt noch die Textanmerkungen von Pardus ihren Einzug halten würden, dann lässt sich der Leser durch so Kleinkram auch nicht mehr aufhalten ;).

In diesem Sinne
Beste Grüße Fliege

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom