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Quiztaxi
Giovanni war Taxifahrer, der „Neue“ beim „Quiztaxi“. Um ihm die Nebensächlichkeiten, wie zum Beispiel das Drücken des Knopfes für die automatisch Verlesung der Frage, hatte der Sender ihm eine Sekretärin zur Seite gestellt: Miss Manipaenni. Frau Manipaenni war klein, zart und sensibel.
Erste Tour, Frankfurter Flughafen, 08:45 h
„Signorina, nickese gugge. Steigese ein. Nickes kann besser als Giovanni sein. Hehehe.“ Genauer betrachtet hätte die Signorina bezüglich Oberweite mindestens zwei Plätze im Quiztaxi belegen müssen. Giovanni nahm nach dem ersten Blickkontakt nur noch den Ausschnitt wahr, er registrierte weder nicht, dass die einsteigende Dame offensichtlich Amerikanerin und eine Person öffentlichen Interesses war. Die Dame, die Giovanni so nonchalant angesprochen hatte, sah sich zu ihrer Begleitung um und forderte sie mit der Bemerkung: „You first, Mahatma“ und einer kurzen Geste auf, vor ihr ins Taxi einzusteigen. Die Begleitung schien indischer Herkunft zu sein, mit viel Stoff und wenig Haut, genau das Gegenteil der Amerikanerin.
Als die beiden Damen saßen, drückte Miss Mannipaenni den Sirenenknopf. Nichts geschah, sie drückte erneut, nichts, erneut, nichts, erneut, nichts, nichts. Giovanni blickte Miss Mannipaenni fragend an, sie hektisches Einschlagen, Schweiß auf der Stirn. „Warum ich?? Warum mir?“ Tränenüberströmt brach sie auf dem Beifahrersitz zusammen, zog die Schnürsenkel aus den Schuhen und begann eine Henkersschlinge damit zu binden. Giovanni war Gentleman genug um, Miss Manipaenni an dieser Stelle einen Tipp zu geben: „Bei nächster Frage, Tastatura in duo mani und dann einefach fest zuschlagen.“
Giovanni wandte sich seinen Fahrgästen zu.„TaTaTaTa! Hier Sie sitze inne Quistaxi. Könne macke viele Kohle, nur Frage Antwort gebe, Ma hat ma Glück, ma hat ma nickese.“ Die Inderin schaute erstaunt auf Giovanni, dann auf ihre Freundin.
„Pam, he knows me? I never saw him before.”
"No, Mahatma, he only has bad accent”, und zu Giovanni, lächelnd “I heard of this. Lets spiel, bitte carry us to Main-Hauptbahnhof-Station.” Giovanni registrierte nicht das Lächeln ihres Mundes, seine Augen bekamen gerade zwei Antworten, die keine Frage offen ließen. Frau Gandhi schüttelte ob der verklärten Abwesenheit des Taxifahrers den Kopf und versuchte rüttelnd seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Miss Mannipaenni schreckte hoch, entsann sich ihrer Pflichten und drückte prompt den nächsten Knopf, erste Frage.
Ansage:“ Hier spricht der automatische Anrufbeantworter vom Quiztaxi. Wir sind leider im Moment mit Kandidaten beschäftigt. Sie können jedoch....“ Ein gequälter Aufschrei fuhr dem Anrufbeantworter in die Parade. „Neiiin, bitte“ Nochmal der Knopf. „Hier spricht der auto...“ Noch ein Aufschrei. Miss Manipaennis Haare wurden gerauft. Nächster Knopf. „Liebe Kandidaten, wie nennt man in Sachsen ein junges Nadelgehölz?“ Kurzes, erleichtertes Stöhnen.
Frau Ghandi hatte inzwischen festgestellt, dass das bloße Schütteln des Fahrers keinen Erfolg versprach und versuchte es nun auch laut und verbal. „Attention!“
Giovanni hatte noch ausreichend Blut im Kopf, um seinen Pflichten nachzukommen. „Bravo, Bellissima. A Tännchen stimmt. 100 Euro. Viele Geschenke für Bambini suhause.“ Kurzes, unauffälliges Antippen von Miss Manipaenni. Knopf drücken.
„Richtig. Noch zwei Kilometer zum Ziel.“ Aufschluchzen. „Es funktioniert! Mein Gott, endlich, das mir.“ Sie begann selig lächelnd die Schnürsenkel-Henkersschlinge wieder aufzulösen. Die Ansage wurde automatisch fortgesetzt: „2. Frage: Welcher Künstler wurde in Nairobi geboren und begann nach Studium von Bio, Zoologie, Meeresbiologie und erfolgreicher Promovierung als englischsprachiger Deutsch-Singer eine Karriere als akustischer Rentner-Beglücker?“ Pamela wusste es nicht und schaute Mahatma an, Mahatma verstand nix und schaute zu Miss Manipaenni, Miss Manipaenni fühlte sich unter Druck gesetzt und drückte in einer Übersprungshandlung den nächsten Knopf. „Richtig, noch ein Kilometer bis zum Ziel.“
„Neiiin!“ Miss Manipaenni kramte verzweifelt in der Handtasche nach ihrem Revolver, den sie stets mitführte für den Fall, dass das Leben nicht länger lebenswert sein sollte. Giovanni klärte souverän die Lage.
„Riiiichtig. Wenn nickese wisse, könne Passante frage.“ Er hielt an der nächsten Bushaltestelle. Dort stand ein älterer Herr mit Gitarre, der klimpernd und Indian Lady summend auf den nächsten Bus wartete. Pamela: „Oh curious. He looks like Roger Whittacker! Isn´t it?“
Giovanni war begeistert. „Bravo, bravissimo. Bella, mi Amore. Roger. Anteworte korrektissima. 200 Euro. Noch mehr viele Geschenke für Bambini suhause.“ Das hilfsbereite Herantreten des älteren Herren ignorierend beschleunigte Giovanni und richtet seine geteilte Aufmerksamkeit auf Pams Ausschnitt einerseits und den nötigsten Straßenausschnitt anderseits.Miss Manipaennis ganze Hoffnung ruhte derweil auf dem nächsten Knopf.
„3. Frage: Wie ist der Name des inzwischen weltweit bekannten Tieres, das Ihnen gerade übergeben wird?“ Miss Manipaenni hatte inzwischen ihren Revolver gefunden, wurde beim Hören der Frage jedoch von ihrem Pflichtgefühl überfraut und suchte nun mit zunehmender Panik nach dem Stofftier. Giovanni wollte den drohenden Suizid von Miss Manipaenni umgehen und tröstete: „Wenn nickese mehr da, nickese schlimm. Weihnachten zuende! Geschenke nickese nötig. Sage einfach was für Tier der Bär ist.“Pam verstand im Extrakt lediglich, dass Weihnachten zuende sei.
„In Sweden they call it Knut. And you?” Miss Manipaenni hörte die korrekte Antwort und drückte erleichtert den nächsten Knopf. Ansage: „Richtig. Wir sind am Ziel. Sie haben 300 Euro gewonnen.“
Miss Manipaenni war gerührt: Antwort richtig, Knopf richtig, alles funktionierte reibungslos. Womit hatte sie das verdient? Verschämt wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann war ihre Beherrschung zuende und sie schluchzte hemmungslos vor Glück in den weißen Plüschbären, der in der Handtasche aufgetaucht war. Giovanni zückte das Portemonnaie des TV-Senders und fragte Miss Manipaenni: „Kann die kriege?“ Mahatma fühlte sich angesprochen und strich, ohne auf Miss Manipaenni zu warten, das Geld ein. „No Krieg, no violence, independent India.“
„Alto Signorina, könne mache alles doppelt, mit Antwort von eine Frage. Solle abspiele?“ Mahatma blickte fragend zu Pamela. „Why not!“ Pam zuckte mit den Schultern, und vieles zuckte mit und wippte nach, sogar Giovannis Augen. Miss Manipaenni drückte den Knopf, zufrieden mit sich und der Welt, ein letztes Mal.
„Hier spricht der automatische Anrufbeantworter vom Quiztaxi. Wir...“ Ein hysterischer Schrei, nicht länger Verzweiflung, nein, Hass motivierte nun Miss Manipaennis Stimmbänder zu Höchstleistungen. Sie schlug die Tastatur kreischend mit wutverzerrter Miene auf das Lenkrad, „15. Frage: Wie heißt der Schriftsteller der den großen Roman...“ gegen das Armaturenbrett, „Noch 125 Kilometer bis zum Ziel...“, gegen das Wagendach, „Die Anwendung wird wegen eines schwerwiegenden Systemfehlers ...“ auf den Getriebetunnel „4. Frage: Wie wird in Schweden das Ende der Weihnachtszeit genannt?“ Miss Manipaenni unterbrach verblüfft ihre Aktivitäten und begann zu Kichern. Giovanni: „Oh, Signora, schwäre Frage, könne noch Joker per Telefone fragen. Habese Freund in Schweden?“ Pamela blickte fragend zu Mahatrma. „Your friend Knut, isn´t he from Sweden?“ Und zu Giovanni gewandt: “Why shall i telefonieren?“
Miss Manipaennis Kichern wandelte sich in einen äußerst lauten und intensiven Lachanfall. „Richtige Antwort Giovanni! Richtige Antwort!“ Während sie sich die Lachtränen abwischte, übernahm Giovanni stolz das Drücken des Knopfes auf der Tastatur.
Ansage:„Sie haben leider verloren. Viel Glück bei Ihren weiteren Vorhaben.“ Das Lachen erstarb schlagartig. Giovanni gab, ohne jegliche Irritation, die zweiten 300 Euro an Pamela. „Könne dort bei meine Freund Paolo eine Kaffee trinken? Paolo hat auch eine Bruder.“ Seitenblick zu Mahatma. Pam lächelte. „Why not. Very amusing Taxi, maybe your friend too.“ Giovanni stieg aus, lächelt voller Vorfreude und nahm beiläufig zur Kenntnis, dass Miss Manipaenni mit irrem Blick murmelnd in ihrer Tasche nach ihrem Revolver kramte.