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Quotidien
Handlung und Charakter © by Lady Silver
Abgesehen vom Züricher Bahnhof gehört alles mir. Ähnlichkeiten zu lebenden Personen oder Gebäuden sind unbeabsichtigt.
Mein Wecker klingelt pünktlich um halb Sechs, am Morgen. Eine neue Woche beginnt. Ich bleibe noch im Bett liegen, nur wenige Minuten, um die Ruhe zu nutzen, denn um diese Zeit ist es noch ruhig. Es ist angenehm, die Ruhe, die Stille.
Heute hat man sie nicht mehr, Menschen hetzten über die Strassen, den Kaffe holt man sich an einem Automaten, man nimmt sich keine Zeit um ihn in Ruhe zu trinken, sondern leert den Inhalt der Plastikbecher auf dem Weg zur Arbeit. Eine gehetzt Welt, ein gehetztes Leben, Ruhe findet man nur am Morgen um diese Zeit, in der noch alles schläft.
Nach einer kurzen Dusche, hole ich mir Frühstück. Ich gehe aus meiner Wohnung und hole mir eines ein paar Häuser weiter, an der andern Straßenseite, in der Bäckerei. Eigentlich wäre der Laden noch nicht geöffnet, aber für mich macht der Chef der Bäckerei eine Ausnahme, so hole ich mir wie jeden Montagmorgen mein Frühstück, zwei belegte Laugenbrötchen und einen tief schwarzen Kaffe. Der Beginn, der Woche muss ja gut sein. Ich begrüße den Chef mit einem freundlichen „Guten Morgen“, welches er mir gleichbedeutend zurück gibt und zahle.
In der kleinen Bäckerei gibt es mehrere schwarze Holztische mit Barhockern. An einem der Tische nehme ich Platz und geniesse mein Frühstück, in aller Ruhe. Als ich fertig bin ist es genau sechs Uhr in der Früh.
Noch vor zwei Wochen war genau um diese Zeit eine alte Frau aufgetaucht. Ich wusste nie wie alt sie wirklich war. Nach ihrem Äußern zu Urteilen war sie schon achtzig oder darüber, doch sie war fitter als manch andere in ihrem Alter. Vor zwei Wochen war sie die Treppe hinunter gefallen uns tödlich verunglückt. Sie war immer sehr nett, aber durch ihren Tod wurde mir erst richtig bewusst, dass wir irgendwann sterben, das kann heute sein, vielleicht aber auch morgen oder erst in zwanzig Jahren. Der Tod kommt plötzlich, oftmals ohne Vorwarnung. Besonders den jungen Menschen ist das oft nicht so bewusst.
Ein Quietschen lässt mich aus meinen Gedanken auftauchen. Ein Kunde betritt die Bäckerei, eine junge Frau. An ihrem Arm glänz ein silberner Armreif und eine Uhr. Diese bringt mich dazu meine Eigene an zuschauen. Ich muss mich spurten, sonst verpasse ich meinen Bus. Ich laufe noch schnell in meine Mietwohnung, hole meine Schulsachen und meine Geldtasche. Ich laufe zur Bushalltestelle die nur wenige Minuten von meiner Wohnung entfernt ist.
Man merkt, dass langsam der Tag beginnt, der östliche Horizont hellt auf und langsam kehrt Leben in die Strassen. Nach wenigen Minuten kommt der Bus. Ich zeige schnell mein Bus-Abo, der Fahrer nickt mir zu, obwohl ich schon seit fast zwei Jahren fast jeden Morgen mit diesem Bus fahre, habe ich noch nie mehr als ein ‚Guten Morgen’ mit dem Fahrer ausgetauscht. Nach gut zehn Minuten erreiche ich mein Ziel, den Bahnhof.
Züge rollen ein, andere rollen aus. Geschäftsmänner in teueren Anzügen steigen aus, bestimmt Manager oder in ähnlich hohen Positionen, doch nicht nur die sieht man. In einem andern Eck sitzen mehrer Jugendliche. Sie rauchen. Ich glaube, dass sie nicht nur Nikotin rauchen sondern auch Hanf. Dem schweren, süsslichen Duft zufolge liege ich gar nicht so falsch mit meiner Vermutung. Aber das ist halt so, sie sind immer hier und wickeln ihre illegalen Geschäfte ab. Die Polizei weiss das und ist darum auch hier öfters unterwegs. Aber die Dealer sind nicht so blöd, zumindest manche von ihnen nicht. Mindestens einmal im Monat bin ich dabei, wenn zivile Polizisten Dealer festnehmen, aber es sind immer nur die Anfänger, die kleinen Fische. Die großen Fische spielen in einer anderen Liga. Aber die Polizei ist da fast machtlos, das Ganze ist Mittlerweile zu sehr verstrickt. Die Oberbosse zu finden ist manchmal fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ich bin froh, dass ich keinen solchen Beruf ausübe. Ich habe großen Respekt vor der Polizei. Den jeden den sie festnehmen, ist nur einer unter vielen. Obwohl sie selten die wichtigen Leute finden, geben sie nicht auf, sondern machen weiter, versuchen die Nadel im Heuhaufen zufinden.
Mein Zug rollt ein, ich suche mir einen gemütlichen Platz am Fenster, von dem ich die Leute beobachten kann. Wie jeden Tag stolziert eine junge Frau am Zug vorbei, mit Tonnen von Make-up im Gesicht und ihrem edlen reinrassigen Hund, der seinen Stammbaum wahrscheinlich zwölf Generation zurückverfolgen kann.
Wie immer steht auch der junge Mann wieder neben der Bank, die zwischen den Bahngleisen stehen. Nicht älter als siebzehn, achtzehn und raucht seine Zigaretten. Jeden Morgen drei, momentan ist er gerade an der Zweiten, da der Zigarettenstummel der Ersten noch rauchend neben seinen Füssen liegt, und gerade von denselben ausgetreten wird.
Ich beobachte weiter sehe viele Menschen. Einer der Angestellten am Bahnhof, der für die An- und Abfahrt der Züge sorgen, lauft am Abteil vorbei. Er wirkt gehetzt und müde. Etwas muss falsch gelaufen sein und er muss die Sache in Ordnung bringen. Wahrscheinlich hat die Nachtschicht und das ist sein letzter Zug, denn ihn von seinem warmen Bett trennt.
Meine Gedanken schweifen ab, zu alten Erinnerungen, sodass ich gar nicht bemerke wie sich der Zug in Bewegung setzt. Die Stadt zieht an mir vorbei, genau so die Dörfer. Ich packe, meine Schulsachen aus, gehe nochmals alles was ich für den heutigen Unterricht wissen muss durch. Als der Fahrkartenkontrolleur ins Abteil kommt suche ich meine Ausweiskarte und gehe die Hausaufgaben durch. Es hat schon Vorteile, wenn man sich während der Zugfahrt nochmals alles für den Unterricht anschauen kann. Nach einer guten Stunde komme ich an.
Der Züricher Bahnhof, ein Bahnhof wie er im Buch steht, mit allen Sonnen aber auch Schattenseiten. Mehrere Geschäfte sind geöffnet, glänzen mit ihren Produkten aber auch ein Blick auf die Junkies und Punks bleibt nicht aus, ganz zu schweigen von den vielen Leuten die an einem vorbei hetzten, eben ein typischer Bahnhof.
Ich gehe gemütlich zu meiner Schule. Da der Weg nicht sehr weit ist, gehe ich und geniesse die nicht mehr ganz so frische Luft. Da, wie in einer richtigen Großstadt, Verkehr herrscht und was auch nicht fehlen darf, der typische Fluglärm. Es ist nicht so schlimm, man gewöhnt sich daran, obwohl ich nie in einer solchen Stadt leben könnte.
Bald sehe ich die Schule. Ein modernes Gebäude nicht älter als 3 Jahre. Der Architekt verband Altes mit Neuem, viel Glas, aber alles wirkt ein wenig Antik. Ich mag das Gebäude sehr, mit seinen großen, hellen Räumen. Noch wenige Minuten bis der Unterricht beginnt sehe ich, als ich auf meine Uhr schaue. Ich bin mal wieder gedanklich abgedriftet. So mache ich mich auf den Weg ins Klassenzimmer.
Neben mir sitzt, wie immer, ein guter Freund von mir und wie jeden Montagmorgen erzählt er, wen er am Wochenende auf einer Party aufgegabelt hat. Es ist wie immer, ein typischer Montagmorgen.
Lady Silver 20. Februar 2005