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Rache

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18.04.2002
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Rache

Alles rächt sich einmal, irgendwann ...
Dieser Satz meines Ausbilders blieb mir unauslöschbar im Gedächtnis haften. Ja, ich habe ein gutes Erinnerungsvermögen, wenn nicht, wäre ich nicht in Schwierigkeiten.

„Das nicht wirklich Fremde erkennen wir als ein andersartiges Etwas. Damit ist es uns letztlich wieder so vertraut, wie ein einfaches Ding aus unserer Umgebung.
Wenn dieses unbekannte Etwas lebt, sich dadurch vom ‚toten Ding’ aus unserer ursprünglich bekannten Umgebung abhebt, ist es weniger fremd als das vertraute Ding, welches nicht lebt. In diesem Fall ist das Vertraute verschiedener vom Beobachter, als das mit uns gemeinsam Lebendigkeit aufweisende Fremde.
Das nicht wirklich fremde Etwas erscheint also doch bedingt vertraut, kann nicht tatsächlich fremd sein. Es unterscheidet sich vom wirklich Fremden, welches nicht erkennbar ist. Wir werden demnach Erkenntnis lediglich in einem Rahmen gewinnen, der uns schon geläufig ist, nicht das wirklich Fremde betreffend.“

Mein ketzerischer Gedanke war immer, dass dieses Postulat nicht nur auf Außerirdische, sondern auch auf menschliche Erkenntnis im Allgemeinen angewendet werden kann. Natürlich habe ich dies lieber nicht geäußert …
Jetzt sitze ich hier, unter für mich mysteriösen Umständen auf einen unbekannten Planeten entführt und kann mir über die schlauen Reden meines Professors für transterristische Psychologie den Kopf zerbrechen. Diese Wesen hier sind wirklich fremdartig, dermaßen anders, ich kann sie mit unseren Begriffen kaum beschreiben. Warum haben die Außerirdischen mich hierher geholt? Laut Professor Underdoo dürften sie sich überhaupt nicht mit mir abgeben:

„Falls unser Erkenntnissystem eine Untereinheit des Erkenntnisspektrums der Fremden ist, ähnlich, wie in unserer Welt quantenphysikalische Phänomene in der makroskopischen Physik enthalten sind, dann kann es zu einer einseitigen Kommunikationsaufnahme kommen. Welche Motivation für diese Kontaktaufnahme sollten andere Lebewesen haben? Sie wäre immer die Beziehung zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Bekannten, der eine unterlegen, der andere überlegen. Spielt der Überlegene seine Stärke aus, erscheint von uns aus gesehen ein Kontakt nicht wünschenswert. Will der Überlegene aufgrund irgendwelcher moralischer Vorbehalte keine Macht ausüben, ist er wahrscheinlich so friedfertig, dass er eine Beziehung zu kriegerischen Menschen scheut oder sogar verabscheut.“

Soweit die Theorie. Die Praxis hingegen bestätigt, dass ich hier als Gefangener sitze, einer ungewissen Zukunft entgegensehe. Quälend langsam vergeht die Zeit, wie soll ich mich ablenken? Hätte ich nicht ein außerordentlich gutes Gedächtnis, wäre mir die Entführung erspart geblieben. Ich habe die Astronautenausbildung nämlich nur bestanden, weil ich in dem für mich schwierigsten Fach, der Logik, betrogen habe. Aufgrund gewisser, sagen wir ‚Beziehungen’, die mit meinem durchtrainierten Körper und der schicken Astronautenanwärter-Uniform zu tun hatten wusste ich, welche Aufgaben in der Prüfung zu beweisen sein würden, und lernte die logischen Folgerungen einfach auswendig. Ich bin trotzdem noch heute stolz: Schließlich war ich einer der wenigen Prüflinge, die folgende Aufgabe durch einen Beweis löste:
‚Das Raumschiff von drei Astronauten ist nicht mehr steuerbar, es wird bald in der Erdatmosphäre verglühen. Der Kommandant muss eine für zwei Personen ausgelegte Rettungskapsel navigieren. Nun soll der Erste Offizier raten, in welchem von drei Frachtcontainern das rettende Fahrzeug verborgen wurde, allein der leitende Vorgesetzte kennt die Antwort. Gelingt dem Offizier richtig zu raten, darf er sich in Sicherheit bringen, ansonsten wird sein Kollege gerettet. Der Offizier wählt die mittlere Box. Jetzt überrascht der Kommandant seine Untergebenen: Er öffnet den ersten Container, dieser enthält keine Rettungskapsel. Sofort gibt er dem Offizier die Möglichkeit, erneut einen Frachtbehälter auszuwählen. Ist es für ihn empfehlenswert, die vorherige Auswahlentscheidung zu ändern?’

Ach, wie schön sind Testaufgaben mit realistischem Bezug, richtig motivierend!
Tja, damit habe ich damals gepunktet - wenn ich die Chance …
Oh, meine ‚Gastgeber’ kommen, sie sehen nicht besonders sanftmütig aus.
Ich weiß nicht, auf welche Weise die Fremden das machen, erstaunlicherweise kann ich sie verstehen, und bekomme Antworten auf alles, was ich sage.
Mist! Verdammter Mist! Wenn ich alles wirklich kapiert habe, wurde ich von ihnen ‚eingeladen’ weil ihnen ‚bekannt geworden ist’, dass wir Erdenbürger Wahrscheinlichkeitsrechnungen durchführen können. Offenbar sind ihnen die Lehren unserer frühen Forscher und Philosophen zumindest teilweise vertraut, besonders werden Mathematiker geschätzt, deren Erkenntnisse sie nur unvollständig verstehen. Außerdem kennen diese Typen aktuelle Daten, zum Beispiel alle amtlichen Eintragungen von mir: Mein Alter, den Ausbildungsweg, meine Prüfungsergebnisse - meine Prüfungsergebnisse! Deshalb wurde ich entführt! Was sagen die Entführer da?
Das soll jemand begreifen: Ihre Schlussfolgerungen müssen nicht immer mit ‚wahr’ beziehungsweise ‚falsch’ enden, sondern können auch mit ‚für wahr gehalten’ oder ‚für falsch’ gehalten abgeschlossen werden! Erkennen sie durch diesen Interpretationsspielraum mehr oder weniger von der Realität der Welt, als wir? Erspart ihnen diese Art der Erkenntnisdefinition nicht viele soziale und wissenschaftliche Konflikte? Ich wundere mich wirklich, dass sie ihr System ändern wollen. Sie meinen tatsächlich, ich hätte eine große Zukunft bei ihnen, wenn ich ihre Aussagenlogik mit Hilfe unserer Wahrscheinlichkeitsrechnung präzisieren könnte -
anderenfalls ...
Ich wusste es: Alles rächt sich einmal, irgendwann.

 

Hi Woltochinon,
irgendwie werde ich aus deiner Geschichte nicht ganz schlau.
Da sitzt also ein Astronaut, der von Aliens entführt wurde, auf einem anderen Planeten. Und diese Aliens wollen ihn auf ihre Mathematik "umschulen" (schlechtes Wort)
Soweit die Handlung, wenn ich nichts vergessen habe.

Nur kann ich leider den Gedankengängen deines Ports nicht ganz folgen.
Vor allem, wo du das Prüfungsbeispiel mit der Rettungskapsel bringst (und es dann nicht mal auflöst).
Auch, wie er die Logik-Prüfung bestanden hat, deutest du nur an, wir erfahren nicht, wie der Prot in seine Lage kam, nichts...

Irgendwie lässt mich diese Geschichte sehr unbefriedigt zurück, schade...

glg Hunter

 

Hallo Hunter,

natürlich hätte ich mir gewünscht, gerade bei einem SF-Stammleser mit meiner Geschichte anzukommen.
Ist mir nicht gelungen.
Das, was Du vermisst (wie kam er in die Situation) ist für die Gedanken in der Situation (für mein Empfinden) nicht wichtig. Eigentlich will ich nur, dass der Leser die Aussagen von Prof. Underdoo durchdenkt, sich mit der Prüfungsaufgabe und der unüblichen Logik beschäftigt- vielleicht ein wenig Vergnügen beim Überlegen empfindet. Also: Leider keine Aktion.

Vielen Dank für Deine faire Anmerkung,

bis dann,

tschüß… Woltochinon

 

Doch doch du bist angekommen, für mich genialer schwarzer Humor... nicht mehr nicht weniger... eine Frage, woher hast du die Ausführungen des Professors? Selber ausgedacht? wenn ja, dann... hui, respekt...

greetz Jay

 

Hi!

Ich habe hauptsächlich ein Problem mit der Dramarturgie der Geschichte:
- der Anfang ist unspannend, der erste Absatz völlig allgemein, der zweite (da Zitat eines Profs) sehr schwer verständlich. Da steigen viele Leser vielleicht schon aus. Erst der dritte Absatz erklärt, was eigentlich los ist.
- es geschieht eigentlich fast überhaupt nichts, alles findet im Kopf der Figur statt. Es ist immer schwierig, so etwas spannend zu gestalten.
- die Quizaufgabe mit den drei Frachtraumtüren ist geklaut bei "Der Preis ist heiß".
- der eigentliche Kern der Geschichte, d.h. was die Aliens von der Figur wollen, haut niemanden vom Stuhl.

Sprachlich habe ich nichts einzuwenden, die Erzählstruktur mit den Zitaten des Professors finde ich im Grunde ganz gut. Aber das Resultat ist einfach weit entfernt von spannender Unterhaltung und für mich leider auch als philosophische Betrachtung nicht interessant genug.

Fazit: routiniert geschrieben, aber eher zäh als interessant.

Uwe
:cool:

 
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Hallo Jay,

na, wenigstens ein Lichtblick! Ich weiß ja, dass ich mit meiner Auffassung, was SF auch sein kann, hier einen schweren Stand habe. Soll schon so ein kleiner Seitenhieb auf die Theoretiker sein.
Alles Kursive selbst ausgedacht.

Danke,
tschüß… Woltochinon


Hallo Uwe,

das Rätsel gibt es in verschiedenen Varianten, habe halt eine dazu gefügt. Ist genauso geklaut wie die Idee der Zeitmaschine o.ä.
Ja, die Dramaturgie ist ein Problem, vor allem weil ich halt einfach auch Gedankengänge spannend finde.
Für die Aliens ist eine logische Hilfe mit philosophischen Auswirkungen halt viel essentieller als für uns, haben leider den falschen erwischt.
Es stimmt: Der Einstieg ist ziemlich abschreckend, da muß ich mir noch eine Änderung überlegen, sonst treibe ich Aliens samt Lesern in die Flucht…
Der erkenntnistheoretische Teil (über´s Fremde) beschreibt schon ein Grundproblem des SF, da hätte ich mehr Diskussion erwartet.

LG,

tschüß… Woltochinon

 
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Hallo Woltochinon,

hat Dich der Nuss-Schalen-Thread inspiriert? Es ist etwas schwierig zu lesen an den Stellen der Professoren-Zitate. Besonders das zweite ist sehr aufschlussreich. (Sind Wesen überhaupt intelligent, wenn sie mit den Menschen Kontakt aufnehmen würden?)

Dein armer Protagonist wird nun die großen Fragen beantworten müssen, die vielleicht keine Antwort haben. Mit "für wahr/falsch gehalten" wird aber nicht nur dort so manches abgeschlossen, bloß bei den Menschen steht es nicht dabei.

Ich fürchte, Uwe hat recht, wenn er sagt, dass die meisten Leser schon beim ersten Professoren-Zitat aussteigen könnten. Keine Ahnung, aber möglicherweise steht die Geschichte unter "Philosophisches" besser?

Schwarzhumorig fand ich sie jedenfalls auch.

vio


Ich sehe gerade, Du hast inzwischen geantwortet. Aber die Zitate müssen ja irgendwie so sein. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, wenn der Protagonist diese theoretischen Formulierungen in seinen eigenen Worten noch einmal sagt/denkt und dabei seine Haltung zu den Theoretikern klar wird. Dann kann der Leser beruhigt sein, wenn er es nicht hundertprozentig verstanden hat (weil ja der Protagonist auch damit klar kommt), aber er sieht vielleicht die Quintessenz der Aussagen.

In der ersten Zeile hast Du "sie" statt "sich" geschrieben.

 
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Hallo vio,

die Geschichte ist schon vor dem Nuss-Schalen-Thread entstanden. Ich habe hin und wieder Philo-Texte geschrieben, die auch SF sind. In diesem Fall habe ich (wegen der Nuss-Schalen-Diskussion) lieber hier gepostet, außerdem tendiere ich da zu Uwes Ansicht, für Philo müssten die Aussagen mehr ausgebaut sein. Es gibt aber schon einiges zu überlegen.

Zitat:
Mit "für wahr/falsch gehalten" wird aber nicht nur dort so manches abgeschlossen, bloß bei den Menschen steht es nicht dabei.

Bei dieser Bemerkung von Dir musste ich schon schmunzeln, sie ist sehr treffend. Der arme Aristoteles…

Danke für Deine Hinweise (das Überdenken der Haltung des Prot. zu den Theoretikern ist ein guter Ansatz, schließlich geht es auch um einen Seitenhieb auf die Theoretiker), der Tippser wird gleich ausgebessert.

Alles Gute,

tschüß… Woltochinon

 

Auf Wunsch des Autors von Science Fiction nach Philosophisches verschoben.

 

Hallo,

ich habe den Text etwas überarbeitet, damit die philosophische Fragestellung zielgerichteter ist.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon!

Erst denkt man, dass es jetzt aber kompliziert wird (wegen dem Statement des Profs), aber die Sache ist interessant und macht Sinn. Diese Rache des Schicksals sehe ich durchaus als generelles Phänomen, nicht nur in diesem Beispiel wirksam, finde ich gut, das es nicht nur für einen Spezialfall gilt. Wie sagt schon der Volksmund: Lügen haben kurze Beine. Manchmal zu kurze.
Der Text über das Fremde, ist das zitiert oder von dir? Finde ihn bemerkenswert, ein Philo-Problem (Empirismus) und ein echtes Dilemma für SF. Warum postest du das, es ist doch recht grundlegend, nicht in SF?


- Pol

 

Hallo Polaris,

freut mich besonders, wenn ich einen SF-Leser hier in diese Rubrik locken konnte!

Der Text des Professors ist von mir, es stimmt, da werden schon recht grundlegende Dinge angesprochen, der Empirismus würde nach diesen Aussagen versagen.

„Warum postest du das, es ist doch recht grundlegend, nicht in SF?“

- Das war mal in SF, doch dort konnte man nicht viel damit anfangen…

Die Frage ist, ob das wirklich Fremde sich offenbaren könnte, da gibt es Raum für viele Gedankenspiele.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Woltochinon!

Du hast das Rätsel nicht aufgelöst.
Soll der Astronaut seine Entscheidung ändern?

- Pol

 

Hallo Polaris,

die Wechselfrage wird immer wieder mal aufgegriffen und diskutiert, wundert mich, dass bis jetzt niemand darauf eingegangen ist.
Zwei Türen, hinter einer steckt der Gewinn - also braucht man nicht zu wechseln: Entweder man hat mit der Wahl Glück gehabt oder nicht. Falsch - das Wechseln bringt einen Vorteil, kann man mit der Bayes´schen Formel der Wahrscheinlichkeitsrechnung ausrechen, gibt auch Überlegungen, die das veranschaulichen.

L G,

tschüß Woltochinon

 

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