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Rache

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31.05.2009
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Rache

Falsche Rache


1

Die Martinshörner waren bereits verstummt, die meisten Notärzte davongefahren. Polizisten hielten das Gebäude noch immer abgeriegelt, ein Leichenwagen, vermutlich nicht der letzte, verließ das Areal.
Scheppernd fiel die Autotür ins Schloss. Monika, nur dürftig zurechtgemacht, das unfrisierte Haar unter einem Tuch versteckt, stieg aus ihrem Wagen, eilte zur Absperrung.
„Halt! Stopp! Sie dürfen hier nicht durch!“ schroff versperrte ihr der herbeigeeilte Polizist den Zugang. „Lassen Sie mich durch!“ schrie sie aufgebracht, „ich will nach meinem Jungen sehen. Er muss da drin sein! Um Himmels Willen, sagen Sie mir, dass er lebt!“
„Wie heißt Ihr Sohn?“
„Florian. Florian Schneider.“
„Kommen Sie bitte mit, Frau Schneider. Wo ist Ihr Mann?“

2

Trotz des sonnigen Tages waren die Rollläden heruntergelassen. Eigentlich konnte niemand mehr glauben, dass hier tatsächlich noch Leute wohnten. Seit Wochen war hier kein Leben mehr. Widerwillig musste sie das Haus verlassen, die Vorräte waren schon längst restlos aufgebraucht. Zu lange hatte sie sich davor gedrückt. Das Tageslicht blendete sie leicht.
„Schrecklich...“
„..und das hier, in unserer Stadt!“
Monika nahm das Gespräch der beiden älteren Damen, die neben ihren abgestellten Tüten auf dem Trottoir standen, im Vorübergehen wahr. Sie bemerkten sie nicht, zumindest taten sie so. Beim Bäcker, er war bis vor kurzem noch Kunde des Handwerksbetriebs ihres Mannes, standen bereits einige Menschen vor der Verkaufstheke und unterhielten sich angeregt über die Geschehnisse der letzten Wochen.
Es war noch nicht allzu lange her, als hier die aktuelle Ausgabe der Bild-Zeitung wohlfeil auslag und das bestimmende, allgegenwärtige Thema der Stadt in großen Lettern auf Seite eins stand. „Kleinstadt-Horror“ lautete die Schlagzeile. Internationale Fernsehanstalten, Journalisten, die noch nie zuvor etwas von dieser Stadt gehört hatten, tummelten sich an jeder Ecke. Wie Heuschrecken fielen sie über das einstige Kleinstadtidyll her. Unvermittelt hielten sie ihren Opfern Mikrofone vor den Mund, warfen die grellen Kamerascheinwerfer an. Es war das immer gleiche Frage-Antwort-Spiel, ein bald sinnentleertes Ritual. Nicht mehr als ein bisschen Gänsehautjournalismus fürs Spießbürgertum.
„Kannten Sie Florian?“
„Sicher.“
„Wie wirkte er auf Sie?“
„Er war ruhig, immer höflich, eben der nette Junge von nebenan...“
Einer wusste nichts zu sagen, schlug weinend die Hände vors Gesicht. Die Nachbarn sahen die Szene dann, wie Millionen andere auch, abends in der Extra-Sendung direkt nach den Nachrichten.
Dieser Spuk war Gott sei Dank vorüber, doch das Alltagleben wollte sich ums verrecken nicht einstellen. Zu tief saß noch der Schock, zu präsent war noch die Katastrophe. Sensationstouristen, rücksichtslos gaffende Mengen, wurden Busseweise durch die engen Straßen kutschiert. Das Böse zieht den Menschen unwillkürlich an.
Als Monika den Laden betrat und das Läuten der Glocke ihren Besuch ankündigte, schaute der Bäckermeister, ein wohlbeleibter Einmeterneunzigmann, zornig auf die Hereinkommende herab. Die Leute, ehemalige Kunden, Nachbarn, Bekannte, straften sie mit Blicken. Dass sie sich überhaupt hierher traue, sei Ausdruck mangelnden Respekts. Der Einkauf wurde zur Tortur.

3

Monika wollte, dass aus dem Jungen mal etwas würde. Die notwendige Intelligenz hatte er. Florian las viel, schrieb gerne, diskutierte politisch. Viel Zeit verbrachte er mit der Arbeit an seinen Artikeln, er war ein gerne gelesener Autor der Schülerzeitung, ein angehender Journalist.
„Lies doch mal! Vielleicht änderst du deine Meinung“, erwartungsvoll streckte ihm Florian die frisch gedruckte Ausgabe entgegen.
„Das interessiert doch keinen gescheiten Menschen“, polterte Helmut, „wer will denn etwas von einem Rotzlöffel lesen? Werde du erst mal trocken hinter den Ohren, Grünschnabel!“
Die Schülerzeitung flog ungelesen auf den Boden. Die Tür knallte, Blätter wirbelten durch die Luft. Zutiefst verletzt schmiss sich Florian aufs Bett.
Einen Tag zuvor, Florian hatte gerade einen neuen Artikel beendet und den Chefredakteur zur Besprechung erwartet, donnerte Helmuts aufbrausende Stimme durchs Haus.
„Pack deinen Scheiß wieder ins Auto und verschwind, der Junge muss lernen! Das solltest du besser auch tun!“
Florian sah aus dem Fenster. Autotüren stießen zu, sein ausbleibender Besuch rauschte fassungslos davon.
Ob sein leiblicher Vater anders mit ihm und seinen Freunden umgegangen wäre, wenn er noch lebte? Ob er auch alles mit Füßen getreten hätte, was Florian lieb und wichtig war?
In Mathematik, in Französisch hagelte es seit knapp einem Jahr, solange war nun Monika mit Helmut verheiratet, vierer und fünfer. Florian wusste alles. Vor und nach der Klausur. Nur während der Klausur fürchtete er sich vor einem erneuten Versagen. Helmut spukte durch seinen Kopf, er sah seinen Stiefvater, diesen bigotten Choleriker, fluchen, ihn aufs bösartigste runterputzen. Monika, wegen Depressionen in ärztlicher Behandlung, betete zu Gott, dass die täglichen Streitereien aufhören sollten. Das war ihr Beitrag zur Schlichtung.
„Wenn es diesmal wieder keine Zwei in Mathe wird, brauchst du gar nicht erst zu kommen“ mahnte Helmut am Frühstückstisch, „dann kannst du kucken, wo du bleibst.“ Aber das sei ja wohl zu viel verlangt. Er werde sicher wieder versagen – wie immer eben. Mit jeder weiteren Fünf sah sich Helmut wieder einmal in seinem Urteil bekräftigt, selbst eine Drei war ihm nicht gut genug. Florian sei dumm und faul. Sogar zwei linke Hände habe er. Die guten Noten in den anderen Fächern nahm Helmut nicht zur Kenntnis.
„Manche Eltern kommen zu mir und beschweren sich über ihre faulen Kinder, die angeblich nicht für die Schule lernen wollen. Aber kein Kind ist einfach nur faul, sage ich den Leuten“, Helmuts Bruder, ein Studienrat, wollte vermittelnd eingreifen, „manche haben einfach nur andere Interessen, spielen lieber Fußball oder interessieren sich für Politik, Kunst, Literatur, was auch immer. Ist das denn so schlecht? Auch das muss gefördert werden!“
„Ach, lass mich in Ruhe, Manfred, kümmere dich gefälligst um deinen eigenen Scheiß!“ mit einer unwirschen Handbewegung fegte Helmut die gut gemeinten Ratschläge beiseite. Manfred war doch nur der jüngere Bruder. Selbst noch nicht reif genug. Anstatt zu studieren, hätte er besser früher anfangen sollen zu arbeiten, dachte Helmut, dann hätte er wenigstens Ahnung vom Leben.
„Es ist wirklich keine Schande, das Schuljahr freiwillig zu wiederholen“ hörte Florian seinen Klassenlehrer raten, „sonst schaffst du nächstes Jahr das Klassenziel möglicherweise nicht. Wenn deine Eltern Fragen haben, können sie jederzeit zu mir kommen.“
„Ach was, dann bist du nur ein alter Depp, ein Schandfleck für die Familie, niemand wiederholt bei uns“, tobte Helmut am Mittagstisch, „das Gymnasium ist einfach zu schwer für dich.“ Das Zeugnis fuhr vom Tisch. Florian rieb sich die noch schmerzende, feurige Wange, während die restliche Familie brav aufaß. Mit zittrigen Händen umfasste Monika das Glas um daraus zu trinken; milde lächelte sie Florian zu. Ich bete für dich, sollte dieser Ausdruck signalisieren. Florian verstand.
„Erst machst du einen Hauptschulabschluss. Lieber beherberge ich einen guten Hauptschüler als einen schlechten Gymnasiasten. Aus Martin ist schließlich auch etwas anständiges geworden. Er verdient gutes Geld als Monteur.“ Martin, Martin, Florian konnte es nicht mehr ertragen, dass ihm sein Stiefbruder, dieses geistige Nichts, ständig als gutes Beispiel vorgehalten wurde.
„Danach machst du eine Lehre, ich weiß schon wo“, fuhr Helmut herrisch fort, „Handwerk hat goldenen Boden.“ Traumtänzereien vom Journalismus nicht, meinte er, Käseblättchen gäbe es schon genug, die warteten doch sicher nicht ausgerechnet auf Florian und warum sollte sich überhaupt jemand für Florians pubertäres Geschmiere interessieren?
„Nur harte Arbeit macht einen Menschen aus dir.“
„Du hast doch keine Ahnung! Du hast nie etwas gelesen!“ entfuhr es Florian, „du kannst mir doch nicht meine Zukunft verbauen! Nicht einfach so!“
„Herr Schauter wird ein Auge auf dich haben, Freundchen. Ich erfahre es sofort, wenn du wieder nicht tust, was von dir verlangt wird.“
Den Rektor der Hauptschule kannte Helmut seit Jahren gut, er war ihm freundschaftlich verbunden, er war der Laienprediger seiner freikirchlichen Gemeinde. Sie waren Brüder im Glauben, die Bibel die allumfassende Wahrheit, Buchstabe für Buchstabe die Wirklichkeit. Auch Gott war streng zu seinen Kindern. Weil er sie liebte. Florian würde ihm noch dankbar sein, glaubte Helmut.

4

Florian musste nicht mehr lernen. Alles war Wiederholung. Eine Schülerzeitung gab es an der neuen Schule nicht, Französisch ebenso wenig. Er besuchte die Abschlussklasse der Hauptschule. Die meisten seiner Mitschüler konnten weder richtig schreiben, noch lesen. Mit angestrengtem Blick und einem Finger auf dem Text, stammelten sie diesen wie Grundschüler langsam runter, begannen verhaspelte Sätze erneut, der Finger hastete zurück.

Florian stand gerne am Tagblatt-Turm und las die ausgehängten Artikel über das Zeitgeschehen. Er malte sich aus, wie es wohl sein würde, wenn dort seine Artikel hingen. Ob er mal fragen solle, ob sie einen Volontär bräuchten? Schließlich würde die Schule bald beendet sein.
„Du schreibst gerne? Hast du Vorkenntnisse?“ mit prüfendem Blick musterte der Journalist den jungen Mann, der vor ihm stand.
„Ich habe für eine Schülerzeitung geschrieben.“
„Eine Tageszeitung ist natürlich etwas gänzlich anders als eine Schülerzeitung, wir müssen jeden Tag eine neue Ausgabe rausbringen. Und jetzt machst du dein Abi? Du siehst noch sehr jung aus.“
„Nein, ich mache meinen Hauptschulabschluss.“
„Und dort gibt es eine Schülerzeitung?“
„Nein, ich war mal auf dem Gymnasium..“
„Okay, Junge, dann komm wieder, wenn du dein Abi machst. Sonst wird das nichts mit uns, tut mir leid.“
Enttäuscht verließ Florian das Verlagsgebäude. Was dieser Journalist wohl von ihm hielt? Bestimmt dachte er, dass er ein Versager sei. Versager, schimpfte Florian auf sich selbst.
„Hey Flori, wie geht’s?“ Dennis riss ihn aus seiner trüben Gedankenwelt.
„Gut“, log Florian noch etwas abwesend.
„Auf welche Schule gehst Du denn jetzt? Ich habe dich schon ewig nicht mehr gesehen.“ Florian wäre am liebsten im Erdboden versunken. Leider konnte er seinen ehemaligen Klassenkameraden nicht immer ungesehen ausweichen.
„Hör mal, ich hab’s eilig. Ich kann jetzt nicht mit dir reden. Ein anderes mal vielleicht, okay?“ Schnellen Schrittes lief Florian weiter.
„Flori! Rufst du mich an, ja?“
Dennis war auf dem Gymnasium sein bester Kumpel gewesen, doch Florian konnte nicht anders. Er wollte Dennis nie wieder sehen, auch wenn es schmerzlich war.

Mit Ferdi kam er nach ein paar Anfangsschwierigkeiten gut aus. Zu verschieden waren ihre Welten zu Beginn, doch Florian passte sich rasch an. Ihn zum Freund zu haben war an dieser Schule sehr vorteilhaft. Ferdi war gefürchtet und respektiert. Ein dunkelhaariger, kräftiger junger Mann, ein italienischer Haudegen. Er sah deutlich älter aus als sechzehn. Er war ganz das Gegenteil von Florian. Wenn Florian ins Kino ging, um Filme ab sechzehn anzuschauen, musste er zum Beweis seinen Ausweis vorzeigen. Er sah auch schwach genug aus, um ein beliebtes Opfer der Schulgang zu sein.
Doch nun hatte er Ferdi zum Freund. Sollte jemand auf Florian losgehen, ihm etwas abziehen wollen, schritt Ferdi ein. Er half ihm aus verzwickten Situationen und Florian half Ferdi bei den Hausaufgaben. Er erledigte sie für ihn. Außerdem tranken sie gerne in ihrer Freizeit. Florian vertrug mittlerweile ziemlich viel Bier, aber auch schon einiges an Whisky.
„Und, hast du Mathe gelernt, Arschloch?“ Ferdi schlug Florian heftig grinsend auf die Schulter.
„Nö, wozu? Ist doch immer derselbe Schrott.“ Florian musste aufpassen, dass er nicht als Streber galt. Ein Streber war einer, der tatsächlich lernte. Streber wurden gehänselt. Die Lehrer nahmen das nicht wahr, sie lebten in ihrer eigenen gutmenschlichen Welt.
„Hast du deinen Flachmann dabei?“
„Klar.“
„Dann lass uns mal ein paar Schlücke nehmen. Das ist die beste Vorbereitung, Ferdi.“
„Lasst uns beten. Herr, gib uns den nötigen Verstand um die Aufgaben zu verstehen...“ Ferdi äffte den Rektor nach.

Florian schrieb auch Ferdis Bewerbungen. Ferdi erhielt bald eine Lehrstelle als Stuckateur und freute sich auf das bald beginnende Berufsleben. „Auf dem Bau gibt’s schon morgens Bier“, erläuterte Ferdi strahlend. Florian wollte nicht auf den Bau, Schreiner oder Maler werden, er hatte auch gar kein handwerkliches Geschick. Was er wirklich wollte, blieb ihm versagt. Bewerbungen erschienen illusorisch. Er war Realist. „Wahrscheinlich werde ich Leiharbeiter oder Hartz IV-Empfänger“, sagte er zu Ferdi und bemühte sich, den Satz irgendwie spaßig rüberzubringen.
„Ach was, komm, bewirb dich doch auch bei uns. Dann arbeiten wir zusammen, Alter. Das wird geil!“ Ferdi nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle und reichte sie an Florian weiter. „Mal sehen...“

5

Als Monika im Radio hörte, was sich an Florians Schule ereignete, ließ sie alles stehen und liegen. Sie hatte Angst um ihren Sohn. Von weitem sah sie die Absperrungen. Es war gespenstig ruhig geworden. Kein Sirenenlärm, kein Hubschrauberkreisen mehr. Männer in schwarzen Anzügen trugen schweigend Leichensäcke aus dem Gebäude.
Schaulustige, Kamerateams und bangende Eltern standen vor den Absperrungen. Monika eilte zum Schulgebäude.
„Halt! Stopp! Sie dürfen hier nicht durch!“, schroff versperrte ihr der herbeigeeilte Polizist den Zugang. „Lassen Sie mich durch!“ schrie sie aufgebracht, „ich will nach meinem Jungen sehen. Er muss da drin sein! Um Himmels Willen, sagen Sie mir, dass er lebt!“
Doch Florian war tot. Außer ihm noch der Rektor, ein Mädchen und drei Jungen. Eine halbe Stunde zuvor hatte Florian die Schule betreten.
Monika wusste nicht, dass es ihr Sohn war, der den Todeslauf durchgeführt hatte. Sie glaubte nicht, dass ihr Sohn fähig sein könnte, einen Amoklauf zu begehen. Niemand konnte das ahnen. Okay, er war in letzter Zeit sehr zurückhaltend, geradezu verschlossen. Aber nein, eine solche Tat hätten sie sich niemals vorstellen können, gaben Nachbarn und Mitschüler zu Protokoll. Er war doch der Sohn eines angesehenen Geschäftsmannes, er kam aus gutem Hause. Die Eltern waren gläubig, die Familie saß sonntags herausgeputzt in der Kirche. Es konnte nun wirklich keine Anzeichen für eine solche Tat geben.
Dutzende Polizisten krempelten Monikas Haus um. Computerfestplatten, DVDs, Videofilme, Spielkonsolen, alles nahmen sie mit. Auch Florians Tagebücher, Schulhefte und ein Brief, der auf dem Bett lag, verschwanden in den Kartons der Polizei.
Abends rief die Familienministerin im Fernsehen alle Eltern auf, verstärkt darauf zu achten, was ihre Kinder am Computer oder im Internet spielten. Der Täter sei möglicherweise psychisch krank gewesen, meinte der Innenminister, doch gäbe es derzeit noch keine belastbaren Hinweise darauf. Die Untersuchungen hielten weiter an.
„Das einzige Gefühl, das Ihr mir vermittelt habt, ist, dass ich ein Versager bin“ schrieb Florian tags zuvor in seinem letzten Brief, „Ihr habt mich nicht sein lassen, wie ich bin. Schuld seid Ihr alle. Ich will Rache.“

 

Friedvolle Grüße

und Willkommen auf KG.de.

Amokläufe zu ergründen ist durchaus ein reizvolles, aber auch recht schweres Thema für eine Kurzgeschichte. Dein Versuch überzeugt leider überhaupt nicht.

Zunächst mal kommst Du nicht über das, was man so im allgemeinen über Amokläufer und ihre Umgebung ließt und hört, nicht hinaus. Die wahre Motivation für so eine Bluttat ist aber eine Kombination aus vielen Faktoren, die in Deiner Geschichte, wenn überhaupt erwähnt, nur angeschnitten werden. Das ist zu simpel, da solltest Du noch etwas in die Tiefe gehen und dem Täter und seinem Umfeld mehr Tiefe verpassen.

Und damit kommen wir zum zweiten und wesentlich schlimmeren Kritikpunkt. Du erzählst alles, zeigst aber nichts, verstößt damit gegen den alten Grundsatzt "show, don't tell".

Als Beispiel mal diesen dritten Abschnitt:

Monika wollte, dass aus dem Jungen mal etwas wird.
bis
... er war der Laienprediger seiner freikirchlichen Gemeinde.

Da schilderst Du die familieäre Situation Deines Protagonisten, ohne sie uns aber näher zu bringen. Statt hier nur zu berichten, solltest Du in einigen Szenen schildern, wie es in der Familie zugeht. Lass die Personen interagieren und auch reden. Dadurch kommen einem die Personen näher, dann kann man auch mit ihnen fühlen.

Bevor Du Dich an einen dringend benötigte Überarbeitung machst, empfehle ich Dir das studieren einiger KGs, nicht nur auf dieser Seite (obwohl Du hier auch eine Menge sehr guter KGs finden kannst), sondern auch mal in gedruckter Form. Da kannst Du sehr viel lernen.

Kane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Axel.

du baust zunächst geschickt Spannung auf, der Leser weiß nicht, um was es eigentlich geht. Irgendetwas Fürchterliches muss passiert sein.

„Schrecklich...“
„Und das mitten unter uns!“

Reaktionen in Läden, Auflauf von Fersehteams beschreibst du geschickt.

Sie verabscheute es, die Supermärkte und Discounter mit ihren Einkäufen zu fördern
- würde ich weglassen, mich wundert, dass sie nicht in größeren Supermärkten einkauft!

Monika wollte, dass aus dem Jungen mal etwas wird.
- dass aus dem Jungen mal etwas würde ?

Du berichtest über die schwierige häusliche und schulische Situation Florians, über seine Stärken und Schwächen.


Monika, unter Depressionen leidend,
- anders formulieren ?
- eine zwei (eine Zwei)
- Mit jeder weiteren fünf (Fünf ?)
- eine drei (Drei)


Florian landet dann in der Hauptschule, wird dort völlig unterfordert, schämt sich, wenn er ehemalige Klassenkameraden trifft. Resigniert.
Und dann kommt der "Hammer":

Florian war tot.

„Das einzige Gefühl, das Ihr mir vermittelt habt, ist, dass ich ein Versager bin“ schrieb Florian tags zuvor in seinem letzten Brief, „Ihr habt mich nicht sein lassen, wie ich bin. Ich will Rache.“
Kann mir aber nicht erklären, warum er "Rache" an Leuten nimmt, die mit seiner Situation nichts zu tun haben. Die Schwierigkeiten hatte er doch mit seinem Stiefvater! Vielleicht auch noch mit Lehrern des Gymnasiums.

Ich finde du "zeigst" zu wenig, es gelingt dir nicht, die Tatbestände, die zur Katastrophe führen, aufzudecken. (Ist natürlich auch äußerst kompliziert)

Dennoch habe ich deine Geschichte nicht ungern gelesen. Teilweise fand ich sie spannend.

Gruß

Kurtchen

 

Vielen Dank für die prompten Kritken und Verbesserungsvorschläge. Ich werde den überarbeiteten Text demnächst online stellen.

@Kurtchen: Ja, die "Rache" ist fehlgerichtet. Das ist das Irrationale eines Amoklaufs. Ich wollte darauf hinweisen, dass die vorherrschenden Erklärungsmuster zu kurz greifen.

 

Falsche Rache
4

Florian musste nicht mehr lernen. Alles war Wiederholung. Eine Schülerzeitung gab es an der neuen Schule nicht, Französisch ebenso wenig. Er besuchte die Abschlussklasse der Hauptschule. Die meisten seiner Mitschüler konnten weder richtig schreiben, noch lesen. Mit angestrengtem Blick und einem Finger auf dem Text, stammelten sie diesen wie Grundschüler langsam runter, begannen verhaspelte Sätze erneut, der Finger hastete zurück.

Sorry, wenn ich hier ein paar Vorurteile zerstöre, aber das ist Bullshit.
Das was du da beschreibst sind geistig Behinderte. Die aber leben in entsprechenden Einrichtungen und gehen nicht auf die Hauptschule. Ich war selber auf der Hauptschule, bin dann nach der 10. Klasse aufs Gymnasium gewechselt, da meine Wunschausbildung nur mit Abitur zu bekommen war (Und jetzt, wo ich am Ende der 12. bin weiß ich nicht mehr ob ich diese Ausbildung überhaupt noch will, da ich ja auch studieren könnte. Das Leben kann ironisch sein :lol:). Die Hauptschule hört damit auf, dass man Gedichte schreibt und interpretiert. Texte mit dem Finger abzulesen kam nicht einmal in der 5. Klasse vor.

Ein Streber war einer, der tatsächlich lernte. Streber wurden gehänselt. Die Lehrer nahmen das nicht wahr, sie lebten in ihrer eigenen gutmenschlichen Welt.
dito.
So geistig umnachtet ist kein Mensch. Wenn du geschrieben hättest, die Lehrer interessiert es nicht hättest du verdammt Recht. Natürlich gilt das nicht für alle, aber trotzdem.

 

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