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Raschtarden im Sedontenflaum
"Ich las von Sedonten mit Krallenschwund und faulenden Schlundlippen!", schnurrte Drotonte aufgeregt und knabberte an einem saftigen Anklophenblatt. „Die ganzen neumodischen Rezepte und Mittelchen, wie sie die Sedonten in den Städten benutzen, sind - meiner Meinung nach - mehr als unnütz. Ja sogar gefährlich!“
Triaspe nickte seinem Nachbarn zu.
„Das erinnert mich irgendwie an meinen Traum. Immer wieder laufe ich durch die große Stadt. Tausende von künstlichen Wohnstämmen erheben sich neben mir hoch in den Himmel. Dazwischen immer wieder Plattformen, auf denen Handel getrieben wird. Seltsame Nahrung wird überall angeboten und allerhand Luxusartikel der Zivilisation...“
„Lass uns lieber Landeier bleiben, aber dafür gesund!“, unterbrach Drotonte ihn und sah auf ihren Chronometer. „Nein, nein! Die Pflicht ruft! Meine Klone oben im Nest schnurren schon wieder nach Futter" ,sagte der Nachbar und verabschiedete sich hastig.
Auch Triaspes Klone begannen sich zu regen. Es sprang aus dem Nest und landete im federnden Geflecht des Wurzelballens. Der Anklophenbaum wippte leicht hin und her.
Das Sedont drehte sich noch zweimal in der Luft, flatterte mit den kurzen, flaumigen Stummelflügeln und rannte den Wurzelberg hinab. Es raste zu den Schlammgräben am Hang und tauchte den gewaltigen, hornigen Kopf in die schaumige Brühe. Der Schlamm schien zu leben, und schnell zog Triaspe ein paar fette Suhlwürmer daraus hervor und rannte zurück zu seinem Baum. Es landete auf dem Wurzelballen und federte mit einem kräftigen Sprung hinauf ins Nest.
Der große der beiden Klone öffnete seine Schlundlippen und schnurrte brummend, bis Triaspe ihm den Wurm tief in seinen Schlund presste.
Das Sedont holte in kurzer Folge noch mehrere Würmer aus den Gräben, bevor die jungen Klone satt waren und Ruhe gaben.
Triaspe sah hinauf zum Himmel. Die rötliche Sonne stand fast senkrecht am Horizont, ihre Strahlen spendeten herrliche Wärme. Das Sedont genoss die Ruhe und Wärme, und fiel nach kurzer Zeit in einen leichten Schlaf. Lautes Geschnurre weckte es aus seinem Schlaf. Das Sedont sah sich um.
„Was ist denn passiert, Drotonte?“, fragte Triaspe ihren Nachbarn.
„Oh, gar nicht Gutes! Oben am Berg ist ein Stollen der Sammler eingefallen. Es hat wohl einen Erdrutsch gegeben.“, schnurrte Drotonte in ernstem Ton. Triaspes Schlundlippen begannen zu beben.
„Dort wohnen Sirrt und Foladon, zwei meiner alten Klone! Jetzt mache ich mir doch Sorgen...“
Triaspe schaute zu ihren beiden schlafenden Klonen. Dann rannte es den Baum hinunter Richtung Berg. Schon von Weitem bemerkte es, dass ein Teil des südlichen Abhangs abgerutscht war. Überall herrschte geschäftiges Treiben und zahlreiche Helfer hatten begonnen den Stollen der Sammler freizulegen. Triaspe dachte nicht lange nach und half ihnen dabei.
„Die armen Sammler, die Armen. Wenn doch nur nichts passiert ist. Oh je!“ Ein alter Sedont mit blauen Riechfortsätzen schaufelte Erde und Steinbrocken zur Seite, als es passierte. Der Hang geriet erneut ins Rutschen und begrub den Alten unter sich. Auch Triaspe geriet zwischen einige große Steine und wurde mitgerissen. Fürchterliche Schläge zertrümmerten seinen Körper und begruben es.
Als das Sedont erwachte, zerrten einigen Klauen an ihm.
„Ist dir was passiert?“, fragte sein Retter und zog ihn vollends aus dem Schutt.
Triaspe betastete seinen Körper, noch halb betäubt von dem schweren Sturz. Seine Klauen glitten über Rücken und Seite und ertasteten einen breiten Riss in ihrem Körper. Vor Angst bebten seine Schlundlippen. Was war das, was war passiert? Es hätte tot sein müssen! Sein Körper war von oben bis unten aufgeplatzt...
Seine Klauen drangen in den Riss ein und fühlten Blut und...und...
„Was ist mit dir? Ist dir was pass...großes Orakel! Was ist – das?“
Andere Sedonten wurden neugierig und unterbrachen ihre Grabungsarbeiten. Sie kamen zu ihnen.
Der Retter versuchte, die große Wunde näher in Augenschein zu nehmen. Triaspe merkte, wie es in Panik geriet. Es spürte weder Schmerz, noch die Taubheit einer tödlichen Verwundung. Mit einem großen Satz sprang es weg von seinem Retter und den anderen neugierigen Sedonten. Dann eilte es so schnell wie möglich zu seinem Baum und schwang sich ins Nest. Niemand war ihm gefolgt.
Triaspe blickte entsetzt zu ihren schlafenden Klonen. Dem Orakel sei Dank! Sie schlummerten friedlich.
Das Sedont betrachtete seine verwundete Seite. Das Fleisch war aufgerissen, innen glitzerte gelbes Blut. Eigentlich hätten seine Gedärme und Organe aus der Wunde quellen müssen. Stattdessen entdeckte Triaspe irgendwelche gebogenen Röhren und Schlaufen. Sogar einige metallische Komponenten. Zum Orakel, was war das? Was ging da vor mir ihm?
Es begann, an der Wunde zu reißen. Dabei verspürte es weder Schmerzen, noch verstärkte sich die Blutung. Nur ein kleines Rinnsal lief seine sehnigen Beine herab.
Irgend etwas war dort, in seinem Inneren. Es konnte seltsame Extremitäten erkennen, helles Fleisch, das es selber bewegen konnte. Seine Klauen zerfetzte einige Bänder und plötzlich merkte es, wie es frei kam. Triaspe konnte sich innerhalb ihres scheinbar toten Körpers bewegen und es versuchte, daraus hervor zu kriechen. Mit aller Kraft wand es sich hervor.
Seine Haut begann, Falten zu werfen und die ehemals kraftvollen Beine wurden unbeweglich. Schleier benetzten kurzzeitig die Augen und mit einem letzen Ruck fiel die schlaffe Hülle zu Boden. Heiliges Orakel von Burnedom, was war mit ihm passiert! Ein Alptraum...
Triaspe sah an sich herab, ein neuer Körper war dem alten entstiegen. Helle, ausgetrocknete Haut umgab ihn, zwei filigrane Gliedmaßen mit winzigen Krallen hatten die beiden klauenbewehrten Stummelflügel ersetzt. Die Sprungbeine sahen ähnlich kläglich aus, und wirkten, als würden sie jeden Moment auseinander brechen. Sie hatten kaum Muskeln und waren annähernd federlos. Dort, wo sich sein leuchtend rotes Gleichgewichtsorgan befinden sollte, hingen zwei unbekannte, faltige Drüsen. Der ganze Körper war von sehr feinen und extrem dünnen Federn bedeckt, und nur an manchen Orten bildeten sie einen flächenartigen Verbund.
Triaspe versuchte, klagend mit den Schlundlippen zu brummen, aber das wollte ihr nicht gelingen. Was hatte diese Verwandlung zu bedeuten? Niemals hatte es davon gehört, das jemand sich so verändert hatte!
Das Sedont - war es überhaupt noch eines – bemerkte, das jemand seinen Baum betreten hatte. Als es sich umdrehte, sah es seinen Nachbarn Drotonte hinter sich stehen. Dieser sah Triaspes leere, tote Hülle auf dem Boden liegen und das fremde, abstoßende Wesen im Raum stehen. Und Drotonte begann lauthals zu kreischen!
„Drotonte, ich bin es. Triaspe!“, wollte es ihm zurufen. Doch nur ein fremdes Krächzen kam aus seinen verkümmerten Schlundlippen. Unartikulierbare Laute, die kein Sedont erzeugen, und schon gar nicht verstehen konnte.
Triaspe geriet in Panik, als ihr Nachbar immer schriller schrie. Er würde alle Sedonten der Gegend hierher locken und wenn sie es hier fanden, in dieser Gestalt und mit der toten Sedonten-Hülle im Nest.... Und noch dazu ohne sich artikulieren zu können!
Die beiden Klone waren von dem Lärm erwacht und instinktiv stimmten sie in das Geschrei mit ein.
Drotonte hob seine Klauen und stieß nach ihm. Es wollte das fremde Wesen von den Klonen fernhalten. Triaspe rannte an ihm vorbei und schwang sich den Baum herunter.
„Tötet es! Es hat Triaspe umgebracht und versucht zu fliehen. Tötet das fremde Biest!“, schrie der Nachbar schrill, nicht ohne damit Wirkung zu erzielen. Von allen Seiten eilten Sedonten herbei und versuchten ihm den Weg abzuschneiden. Beinahe hätte der Triaspe-Mutant es bis zu den Schlammgräben geschafft. Dahinter lagen die Flechtensümpfe, und dort hätte es sich vielleicht verstecken können. Aber Dizopa und Gladorum, zwei kräftige Sedonten aus der Nachbarschaft, brachten es zu Fall. Triaspe wurde in den Schlamm geschleudert und blieb dort liegen.
„Es hat meinen Nachbarn getötet. Reißt das hässliche Biest in Stücke!“, hörte es Drotonte schreien.
Die aufgebrachten Sedonten wollten dem Ruf nachkommen, als ein riesiger Sedont aus der Menge trat und schützend die Klaue über Triaspe hielt.
„Nein, es muss leben!“
Der Ortsvorsteher, Thaleum, schaute grimmig in die Runde.
„Ich werde euch später erklären, warum. Zuerst aber will ich das Wesen verhören. In meinem Nest, und... allein!“
Die aufgebrachten Sedonten murmelten zwar noch missmutig, machten aber Platz und zerstreuten sich nach einer Weile. Thaleum war sehr angesehen und würde schon wissen, was richtig war.
Der Ortsvorsteher lief zu seinem Nest, Triaspe hinter sich herziehend. So sprangen sie in Thaleums großes Nest.
„Ich glaube, das muss ein ziemlicher Schock für dich gewesen sein, aus der Hülle zu kriechen. Hast dich erschrocken, was?
Was genau ist passiert, hast du irgendwelche Erinnerungen? Moment, noch den Übersetzer anlegen...“
Der große Sedont legte Triaspe einen kurzen Draht um den Hals.
„Was ist das?“, fragte es, jetzt wieder mit verständlicher Stimme sprechend.
„Ein Übersetzter. So verstehst du dich selber wieder. Sag mir jetzt, was passiert ist.“
Triaspe überwand langsam seine Angst. Es würde dem Ortsvorsteher vertrauen müssen, immerhin hatte er sein Leben gerettet.
„Ich wurde drüben am Berg schwer verletzt. Meine rechte Seite war aufgerissen, aber ich spürte keinen Schmerz. Ich konnte den Riss ohne weiteres vergrößern und aus der toten Haut klettern. Weißt du, was mit mir passiert ist?“
Der große Sedont nickte.
„Ich werde dir jetzt ein Mittel injizieren. Danach wird dir einiges klarer. Aber es dauert einige Quatonten, bis die Wirkung eintritt.“
Thaleum spritze ihm das Mittel, eine farblose Flüssigkeit. Was blieb ihm schon anderes übrig, als das zu akzeptieren?.
„Deine Erinnerung kehrt gleich zurück. Wenn ich dir einfach nur die Wahrheit erzählen würde, könntest du mir nicht glauben. Darum das Erinnerungs-Serum, das dein eigenes Ich wieder an die Oberfläche holt.“
In Triaspes Hirn entstanden seltsame Bilder. Er sah unbekannte Gegenden mit fremdartigen Wäldern und Meeren. Nie gesehene Lebewesen und Szenen aus vergangenen Zeiten. Aber langsam fing Triaspe an, zu verstehen.
„Ich komme nicht von hier?“, sagte es.
„Nein, du – und ich und viele Andere – kommen nicht von hier. Wir sind Forscher und untersuchen weit entfernte Völker.“
Triaspe nickte. Noch mehr Bilder und Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf. Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
„Ich... bin gar kein... zu groß geratenes, eingeschlechtliches... Hähnchen! Ich bin... ein Wissenschaftler. Dr. Raymond deBruinje - von der Erde!“
Thaleum nickte.
„Durch deinen Sturz wurde deine Tarnung beschädigt. Die Anzüge sind ansonsten ja sehr realistisch und vermögen sogar kleine Blutungen zu simulieren und anschließend heilen zu lassen. Zusammen mit der neu konditionierten Erinnerung des Trägers ergeben sie wirklich ein perfekter Aufzeichnungsgerät und Beobachtungsinstrument.
Bei solch großen Verletzungen wie deinen, versagen sie dann aber leider irgendwann. Gott sei Dank kommt das nur sehr selten vor!“
Dr. deBruinje musste jetzt grinsen. „Ich hatte Sex mit mir selber... unglaublich! Was für ein Erlebnis....“
Die beiden Wissenschafter mussten lachen.
„Interessant!“, schnurrte eine wütende Stimme hinter ihnen. Als Thaleum und deBruinje sich umdrehten, sahen sie vier Sedonten im Eingang zum Nest stehen. Sie näherten sich drohend, mit gefährlich erhobenen Klauen.
„Zwei Raschtarden im Sedontenflaum. Tötet sie!“, zischte Drotonte böse...