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Regenfels

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08.11.2004
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Regenfels

Ein schrecklich regnerischer Tag. Pater Wail saß nur in seiner beschaulichen Kirche und wartete vor sich hin. Es war Zeit, um sich Beichten anzuhören. Doch niemand kam. Der Regen prasselte nur so auf das alte Dach.
Er war nun schon fast sechzig Jahre alt; seine Augen wurden immer schlechter. Hätte er nicht eine bescheidene Drahtbrille getragen, er wäre blind gewesen.
Er kratzte Zeichnungen von den maroden Bänken, staubte die Marienstatue ab. Was hätte er auch anderes machen sollen? Früher war er voller Ideen, voller Enthusiasmus. In der Zeit, als noch eine akzeptable Anzahl an Menschen seine Messen besuchte, hatte er immer nach neuen Methoden gesucht, seine Zuhörer an sich zu binden. Doch es wurden immer weniger und weniger. Bis nur noch er selbst da war. In seiner kleinen Kirche, fast gemeindelos. Allein.
Wenn es regnete konnte Pater Wail immer besonders gut nachdenken. Stunde um Stunde. Tag für Tag.
Dann kam immerhin noch eine ältere Frau. Osteuropäischer Akzent. Sie war gegen die Heirat ihres Sohnes. Warum? Verstand er gar nicht richtig. Um eine Wiederholung des Gesagten zu bitten, war zwecklos. Zu undeutlich sprach die Frau. Der Pater sprach vom heiligen Sakrament der Ehe und von Toleranz. Die Frau verstand es sicher nicht. Sie ging.
Und nun saß er wieder da. Schaute nach draußen. Hielt die Hand in den Regen. Oh, was hätte er anders machen müssen, um nicht gerade hier zu sein? Er hatte doch Ambitionen und Träume gehabt. Davon war nichts mehr da. Nur die Regentropfen, die von seinen alten Händen hinunterliefen.
Es dämmerte bereits. Er wollte gerade die Eingangstür schließen, da stürmte ein junger Mann herein. Pater Wail kannte ihn. Er stand seit ein paar Wochen immer nach der Messe vor der Kirche und schaute sich die Leute genau an. In der Kirche selbst war er nie gewesen. Bei acht Zuhörern bei einer Messe wäre er ihm sicher aufgefallen. Er schien erschöpft zu sein. Sicher lief er eine lange Zeit durch den strömenden Regen. Gewiss hatte er wenig Geld. Das konnte man an seiner Kleidung erkennen. Obwohl heute ja schließlich alle Jugendlichen in Lumpen durch die Straßen gehen. Zumindest dachte der Pater dies.
Der junge Mann, er war vielleicht zwanzig, bat um rasche Beichte. Seine Gesichtszüge verrieten Leid. Er musste ein wirkliches Problem haben. Es war nichts Lapidares wie eine ungewünschte Hochzeit. Es war ernst. Das musste es sein. Seine Stimme zitterte. Er war ungeduldig. Drängte auf eine schnelle Unterredung.
Sie gingen also sofort in den Beichtstuhl.
„Was ist, mein Sohn?“, fragte Wail. „Vater, ich habe gesündigt. Meine letzte Beichte mag schon Jahre zurückliegen. Vater, ich bin der Kirche oft fern geblieben, doch bitte ich um Hilfe.“, erwiderte der Jugendliche. „Ich habe meine Freundin schlecht behandelt, ebenso meine Eltern, war oft unehrlich und habe gestohlen. Ich habe keine Freunde mehr. Keine. Ich war noch niemals reich, nein ganz gewiss nicht. Arm war und bin. Und ich bin so voller Neid. Neidisch auf all die Menschen, die für nichts alles bekommen. Das wollte ich ändern, doch habe ich mich auf die falschen Menschen eingelassen. Jetzt habe ich hohe Schulden, die abzahlen muss. Sonst geschieht mir Schreckliches.“, sagte er weiter.
„Mein Sohn, es gibt stets die Möglichkeit sein Leben zu ändern. Mit Gottes Hilfe wirst du dein Unheil abwenden können. Und wenn du Schutz brauchst, Kirche und Polizei werden dir stets helfen.“, entgegnete Pater Wail. Er schaute auf seine Armbanduhr. Ein Geschenk von einem alten Freund. Zur Priesterweihe hatte er sie bekommen. Sie war aus Gold oder nur vergoldet. Das wusste er nicht. Er hatte nie danach gefragt.
„Hilfe? Ja, die kann ich gebrauchen“, sagte der junge Mann, „geben Sie mir Ihre Uhr her. Sie sieht wertvoll aus. Her damit!“. „Nein, meine Uhr werde ich dir nicht geben. Suche einen ehrlichen Weg aus deiner Lage. Sieh wohin dich deine Taten gebracht haben! Dies ist der falsche weg aus deiner Situation hinaus.“, sagte Pater Wail entschieden. Was er sagte, meinte er stets entschieden.
„Geben Sie mir die Uhr oder Sie müssen sterben!“, der junge Mann zog eine Pistole.
„Das wirst du nicht tun. Steck deine Waffe ein. Meine Uhr werde ich dir nicht geben. Niemals.“, betonte der Pater.
„Jetzt geben Sie mir doch endlich die Uhr.“, er war sehr nervös.
„Nein. Dies ist meine Uhr. Ich werde Sie dir nicht geben.“, wiederholte der Pater.

Der Jugendliche schoss. Er schoss durch das wundervoll verzierte Holzgitter. In alle Richtungen flogen die Splitter. Und wieder schoss er. Und ein weiteres und letztes Mal. Dreimal schoss er in die Brust des Paters. Sein Talar sog das Blut auf. Er sank zusammen. Röchelte.
Der junge Mann lief aus seiner Seite des Beichtstuhls, öffnete die Tür des Paters, nahm seine Uhr, rannte fort.
Es war wieder still. Der Pater lag am Boden. Leise, mit schwacher Stimme, rief er um Hilfe. Niemand nahm ihn war. Kein Zuhörer.

Und der Regen prasselte auf das Dach.

 

Hallo anubis737,
ich muss sagen, die Geschichte lässt mich einigermaßen zwiegespalten zurück. Da ist der Pater, um den sich eigentlich keiner kümmert. Da ist der junge Mann, der hohe Schulden hat, offenbar bei irgendeiner zwielichtigen Organisation. Der junge Mann kommt immer wieder in die Kirche, bittet schließlich darum, beichten zu dürfen. Du handelst die Reaktion deines Protagonisten mit einem " Pater Wail hielt die Situation für ernst" ab. Warum hält er sie für ernst? Macht er sich keine Gedanken darüber, was mit dem jungen Mann passiert sein kann? Was denkt er, was fühlt er?
Dann der Dialog - war der Anfang noch schön, kommt mir der Dialog unnatürlich vor, gekünstelt. Gegen Ende bessert es sich wieder, wenn auch...

Sein Talar sog das Blut auf. Sank zusammen. Röchelte.
der Talar hier der Handlungsträger ist, der röchelt und...

Der Anfang ist wirklich gut. Gegen Mitte, ab dem Dialog, wird es schwächer. Es wirkt, als habest du schnell fertig werden wollen. Das Ende ist für mich nicht nachvollziehbar. Ist der junge Mann so verzweifelt? So hat er auf mich nicht gewirkt...

gruß
vita
:bounce:

 

Ich freue mich wie immer über Lob und Kritik (eigentlich komisch; Lob und Kritik ist ein solch geflügelter Ausdruck geworden, als wäre Kritik das Gegenteil von Lob; dabei ist Kritik doch eigentlich ein neutraler Begriff...).
Danke.

 

vita,

ich versuche zu ändern, was zu ändern ist.

Vielleicht fehlt mir bei diesem heißen Wetter auch die nötige Konzentration. ;)

 

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