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Regentanz

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16.04.2006
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Regentanz

Ein glitzernder Regentropfen fällt auf den Asphalt zu. In ihm brechen sich unzählige Farben, in deutlichen Abstufungen. Der Tropfen zerplatzt auf dem harten Stein, zersplittert in tausend Spritzer und glitzert als unscheinbares Nass auf der Straße.
Sonnes blonder Lockenkopf lehnt an der Fensterscheibe. Ich sehe ihren Rücken. Er hebt und senkt sich in regelmäßigen Abständen. Ihre kleinen Finger zeichnen langsame Formen auf die beschlagene Scheibe. Im Spiegelbild sehe ich, dass ihr Blick auf die Straße geht. Ich wende mich wieder meinem Buch zu.
„Du, Annelie?“ ich hebe den Kopf. „Du hast gesagt, Mama ist jetzt im Himmel.
“Ja Sonne. Mama ist jetzt im Himmel. Sie schaut auf dich runter und passt auf, dass dir nichts zustößt.“
Sonnes große blaue Augen mit den dichten Wimpern wandern nach oben und fragen den grauen Himmel: „Mama? Kannst du mich hören? Wann kommst du zurück!?“
Die Buchstaben vor meinen Augen verschwimmen. Sie werden dick. Und leer. Noch einmal zerrt der Knoten in meiner Brust. Ich hatte das nicht gewollt. Ich habe ihr Sorgen gemacht. Aber ich hatte nicht mehr, als meinen Papa zurückgewollt. Nun ist sie nicht mehr am Leben. Sie war in das Auto gestiegen und die Reifen schlitterten quietschend über die regennasse Straße. Die roten Rücklichter waren das letzte, was ich von ihr sah. Ich hatte hässliche Dinge zu ihr gesagt. Ich hatte ihr die Schuld zugeschoben, dass Papa weg ist. Nun ist auch sie weg.

„Annelie! Ich habe eine Idee!“ ruft Sonne mit einem mal laut. Ich schrecke zusammen und blicke auf. „Sie kann sich einfach zu einem Regentropfen machen und sich nach unten fallen lassen!“ Ich lege mein Buch zur Seite und setze mich mit angezogenen Beinen neben Sonne auf die breite Fensterbank. Sonnes Blick verfolgt aufmerksam die vereinzelt vom Himmel fallenden Regentropfen.
„Siehst du es nicht? Die Farben, Sonne, die Farben! Was glaubst du, wo sie herkommen? Jede Farbe, jedes Glitzern ist ein bisschen von Mama. Sie zeigt uns so, dass sie da ist!“ ich erschrecke vor meiner Stimme. Sie ist brüchig, leise, müde.
Sonnes Augen beginnen zu strahlen. Ihr kleiner Kindermund verzieht sich zu einem breiten Lachen. „Ich muss raus!“ ruft sie und springt auf. In Windeseile hat sie ihre Schuhe und ihre blaue Jacke angezogen. „Komm schon, Annelie! Lass uns Mama begrüßen! Sonst ist sie vielleicht böse auf uns!“ ruft sie und in ihrer Stimme ist perlendes Lachen. „Ich komme gleich nach. Ich muss noch ein wenig hier sitzen“ rufe ich ihr zu. Ich höre die Haustür ins Schloss fallen. Mit einem lauten Krachen, das mich zusammenfahren lässt. Es dauert keine halbe Minute und Sonne steht auf der Straße. Ihr kleines Gesicht ist dem Himmel zugewandt. Der Frühlingsregen wird etwas stärker. Sie breitet ihre Arme aus und lacht. Langsam beginnt sie sich im Kreis zu drehen. Ich muss lächeln. Auf meinem Gesicht regnet es auch. Immer schneller dreht Sonne sich. Mitten auf der Straße. Ihre Augen strahlen und stehen im Kontrast zu den grauen Wolken. Sonne springt in eine Pfütze, immer wieder und wieder. Glitzernde Wassersplitter werden in die Luft getrieben. Sonne öffnet ihren Mund und langsam fallen glitzernden Tropfen hinein. Prallen von ihren roten Lippen ab und landen zersplitternd in ihren Mund. Ich springe auf. Ich reiße meinen Mantel von der hölzernen Garderobe und schlüpfe in meine schwarzen Halbschuhe. Denn sie stehen an der Tür. Hinter mir kracht die Tür ins Schloss und ich renne durch den Regen, bis ich Sonne erreicht habe. Ich nehme sie auf den Arm und drehe mich mit ihr im Kreis, bis wir beide vor Lachen und Weinen keine Luft zum Atmen mehr haben. Sonne bleibt wieder stehen und reckt ihr Gesicht dem Himmel zu. „Sie spricht mit mir, Annelie! Kannst du sie auch hören?“
Ich bleibe stehen und nehme die Stille in mir auf. Der Regen und das Salzwasser laufen mir über das Gesicht, waschen mich. Jäh stoppt der Regen und die Sonne bricht zwischen den Wolken hervor.

 

Hallo Johanna,

zuerst Textkram:

Ich erschrecke vor meiner Stimme.

Ich muss noch ein wenig hier sitzen“KOMMA rufe ich ihr zu.

Sonst ist sie vielleicht böse auf uns!“ ruft sie KOMMA und in ihrer Stimme ist perlendes Lachen.

Ich höre die Haustür ins Schloss fallen [. M] mit einem lauten Krachen, das mich zusammenfahren lässt.

Es dauert keine halbe Minute KOMMA und Sonne steht auf der Straße.

Prallen von ihren [roten] Lippen ab und landen zersplitternd in ihren Mund.
Rot wirkte hier eher auf mich wie geschminkt, zersplitternd klingt nach etwas Solidem wie Glas

Ich reiße meinen Mantel von der hölzernen Garderobe und schlüpfe in meine schwarzen Halbschuhe. [Denn sie stehen an der Tür. würde ich weglassen: Wortwiederholung und keine neue Info] Hinter mir kracht die Tür ins Schloss

Eben habe ich Jobärs "Bergsommer" gelesen, indem es auch um Trauer um einen geliebten Menschen geht. Jetzt deinen "Regentanz". Auch hier wieder eindringlich und berührend. "Kitschgrenze" werden die anderen sagen, aber du verstehst es, mit Sprache umzugehen, schillernde Bilder zu erschaffen.

Ein bisschen habe ich mich über das Alter der beiden Schwestern gewundert: Sonne wirkt noch so klein und geht dann allein auf die Straße (was Grund zu Befürchtungen gab). Hat die Schwester das Sorgerecht? Wie hast du dir das gedacht?

So, genug für heute mit so traurigen Geschichten! Obwohl ja auch deine Geschichte Raum für Hoffnung lässt.

Gruß, Elisha

 

Hallo Johanna,

Du hast es gut geschafft, gefühlvoll zu schreiben ohne kitschig zu sein und bei mir kam auch eine dem Thema angemessene, irgendwie schöne traurige Stimmung rüber.

Ich reiße meinen Mantel von der hölzernen Garderobe und schlüpfe in meine schwarzen Halbschuhe. [Denn sie stehen an der Tür. würde ich weglassen

Genau das habe ich mir, wie Elisha, auch gleich gedacht.

Ein glitzernder Regentropfen fällt auf den Asphalt zu. In ihm brechen sich unzählige Farben, in deutlichen Abstufungen. Der Tropfen zerplatzt auf dem harten Stein, zersplittert in tausend Spritzer und glitzert als unscheinbares Nass auf der Straße.

Dieser Anfang ist zwar schön geschrieben, zog mich aber nicht wirklich in die Geschichte rein. Ich fänd es auch nicht als nötig. Bei mir wäre der Effekt besser gewesen, wenn Du die Passage ganz weggelassen hättest, und die Gesch. damit begonnen hätte:

Sonnes blonder Lockenkopf lehnt an der Fensterscheibe. Ich sehe ihren Rücken. Er hebt und senkt sich in regelmäßigen Abständen

Der Anfang ist ja wichtig, und so hättest Du gleich einen guten Anfang....naja, nur meine Meinung, man trennt sich natürlich ungern von an sich gelungenen Sätzen.
Ab da fand ich es eben erst so richtig interessant.

Aber schön zu lesen :thumbsup:

 

Hallo Johanna,

so ganz kommt deine Geschichte bei mir nicht an. Ein bisschen dieser Zwiespalt zwischen Trauer und Trost, aber schon das Schuldgefühl kann ich zwar theoretisch nachempfinden, in der Geschichte wird es für mich jedoch nicht spürbar.
Auch scheint mit die Mischung der Ebenen nicht konsequent genug.
Dazu mehr in den Details.

Etwas aus der Abteilung "Ganz penibel"
Wenn die Tropfen glitzern sollen, muss irgendwo die Sonne oder eine Straßenlaterne scheinen. Der graue Himmel lässt beides nicht zu.

Die roten Rücklichter waren das letzte, was ich von ihr sah.
Tempus: gesehen habe.
ruft Sonne mit einem mal laut.
mit einem Mal
Sonnes Blick verfolgt aufmerksam die vereinzelt vom Himmel fallenden Regentropfen.
hat sich das Wetter geändert? Die Eingangsbeschreibung schreibt zwar nicht wirklich von heftigem Regen, ließ ihn aber eher in mir entstehen als ein vereinzeltes Tröpfeln.
Sie ist brüchig, leise, müde.
Erschrickt man nicht eher vor seiner Stimme, wenn sie lauter als beabsichtigt ist?
Der Frühlingsregen wird etwas stärker.
Belasse es bei Regen, die Jahreszeit ist für die Geschichte völlig unwichtig und wenn solltest du sie eher einführen. Hier bringt es nur aus dem Text.
Glitzernde Wassersplitter werden in die Luft getrieben
Noch einmal: Glitzern ist eine Lichtspiegelung. Wodurch glitzern diese Wasserperlen? Wenn sie tatsächlich, wäre ja als Verwebung von Realität und Fantasie denkbar, durch die Mama im Himmel entstehen sollen, dann müssten die Ebenen mE mehr verwischt und sogar gezielt auf die Abwesenheit von Licht hingewiesen werden. So wirkt es, als hättest du es leider nur vergessen und sich Annelie einfach nur eine schöne Erklärung für die kleine Schwester ausgedacht.
Denn sie stehen an der Tür.
Da stehen sie doch meistens, ist also unwichtig.

Lieben Gruß, sim

 

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