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Regentropfen

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17.08.2004
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Regentropfen

Herr Anders schließt die Augen und streckt den Kopf hoch in die Luft. Die Einkaufstüte in der Hand wird schwer und schwerer, er läßt sie los und sie fällt geräuschlos zu Boden. Der Wind streicht sanft um sein Gesicht und Regentropfen prasseln auf ihn hernieder, aber er genießt es. Er lächelt, weil er daran denkt, was seine Enkelin wohl sagen würde, wenn sie ihn jetzt sehen könnte, wie er so im Regen steht und alles vergisst, was um ihn her ist.

Frau Karlowski tritt aus dem Haus, und beinahe hätte sie den Mann übersehen, der wie angwurzelt auf dem Gehweg steht, der umrahmt ist von Lebensmitteln und in den Himmel starrt. Verärgert weicht sie aus und schnappt nach Luft, bereit ihrer Wut Ausdruck zu verleihen, denn so geht es nun mal nicht, niemals, nein. Genau das denkt Frau Karlowski, dass das ja nicht wahr sein kann. Dass es regnet und die Lebensmittel im Schmutz liegen und sie sich ihren Weg bahnen muss, um so einen unverschämten Kerl.

Herr Simon sitzt in seinem Auto und seine Finger umklammern das Lenkrad und er kann nicht glauben, was er gerade gehört hat. Er müsste sich zu seiner Tochter umdrehen, aber er weiss, dass er nicht nur das Lenkrad, sondern auch seine Beherrschung festhält, und dass alles aus dem Ruder laufen würde, wenn er losläßt. Also packt er es nur noch fester und starrt hinaus in den Regen. Und die Wörter und die Regentropfen, die auf ihn einprasseln, laufen langsam an der Oberfläche hinab und er wünscht sich plötzlich, einer der tausenden Tropfen zu sein, um unterzugehen und zwischen ihnen zu verschwinden, wo ihn keine Tochter finden kann.

Herr Schmitz nimmt Anlauf und noch bevor er springt, weiss er, dass seine Frau furchtbar böse werden wird, wenn er sich und seine neue Hose beschmutzt. Aber er kann nicht wiederstehen, weil die Pfütze einfach zu schön ist und zu verlockend schimmert und nur darauf wartet, dass jemand hineinspringt. Es ist manchmal ganz leicht wieder ein Kind zu sein, denkt Herr Schmitz als er sich einen Weg durch den Vorhang aus Regen bahnt und platschend in der Pfütze landet, so dass die Tropfen nach allen Seiten hinweg fliegen. Ganz leicht.

Frau Chauchat merkt nicht, wie das Wasser aus der Pfütze auf ihr Kleid spritzt, denn sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, so schnell zu laufen, wie sie kann. Sie blickt angestrengt auf den Boden und die Tränen in ihren Augen fächern die Straße in ein graues Mosaik und so zersplittert wie der Gehweg, ist auch ihr Herz, weil der Schmerz nunmal stärker ist als das Wasser kalt, das langsam durch ihr Kleid sickert und an den Beinen hinabläuft, um sich wieder in einer Pfütze zu sammeln.

Jakob wischt die beschlagene Scheibe des Busses wieder sauber, damit er weiter alles da draußen verfolgen kann, aber so schnell wie die Leute in sein Blickfeld geraten, so schnell sind sie daraus auch wieder verschwunden und er merkt nicht, dass ein Augenblick doch eine Ewigkeit ist.

 

Hallo Malachy,

eine Geschichte über den Regen. Eine Geschichte darüber, wie unterschiedliche Menschen die gleiche Situation erleben - ein Busfahrer, der an diesen Leuten vorrüber fährt und nichts von ihren Gedanken, ihrem Schicksal ahnt.
Ich finde die Aussage hinter deiner Geschichte sehr schön, sprachlich hast du sie, für meinen Geschmack, auch gut umgesetzt.

Im Alllgemeinen kann ich mit solchen Geschichten aber nicht so richtig was anfangen, weil sie im Grunde genommen eben doch nichts erzählen. Man erfährt weder, warum die Frau weint, noch warum der Regen Herr Anders so glücklich macht. Es sind nur Momentaufnahmen und das ist es, was mich jetzt ein wenig unbefriedigt zurück lässt.

LG
Bella

 

Hi Bella,

gerade das Warum ist doch das Unwichtige :) Ich wollte die Ewigkeit abbilden, anhand von Ereignissen, die eigentlich nur ganz kurz sind.

Aber wenn man die kurzen alle zusammennimmt, dann ergibt sich die Unendlichkeit ... Na ja, ein Versuch ergibt sich zumindest.

liebe Grüße
Malachy

 

Hallo Malachy, ...geradeaus geschrieben, manchmal etwas kantig!
Dein bester Satz:"(...)fächern die Straße in ein graues Mosaik(......)" Dann geht es aber auch gleich in dicken Sülz über. Die Allegorie mit dem Gehweg geht leider in die Hose! Nach Gehweg übrigens n Komma setzen. Solltest dann auch nicht allzu lange auf den Punkt verzichten.
Übrigens bei deiner Geschichte bietet es sich eine Hintergrundmetapher "Der Himmel weint" an.....müsstest dann den Bogen zu der Frau, die weint finden.
Trotz dessen! Du hast ein Stimmungsbild gezeichnet. Gebe Dir recht, dass Ursachen nicht im Vordergrund stehen müssen.

viele grüße buchbinder

 

Hi,

@ buchbinder: du hast Recht - das Bild mit Schmerz und Wasser ist nicht allzu glücklich, ich habe eben versucht, das Thema "Regen, Wasser" überall mit einzubauen - ausgebessert habe ich es noch nicht gleich, weil mir noch nichts kräftiges eingefallen ist, aber ich denke noch drüber nach.

@ Crazy Janey
vielen Dank für die Hinweise bzgl. Rehtschreibung und Kommasetzung - ich mache die kleinen Biester immer ganz nach Gefühl und meistens auch falsch :)

Freut mich, dass euch die Geschichte gefallen hat

liebe Grüße
Malachy

 

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