Was ist neu

Reise

Mitglied
Beitritt
03.12.2002
Beiträge
768
Zuletzt bearbeitet:

Reise

Windstill brandet der Applaus während das Ruder des kleinen Schiffes die milchige See entzwei schneidet. Die feinen Umrisse des Holzes graben sich grob durch die miteinanderkämpfenden Strudel, welche das glatte Wasser in einen verzerrten Spiegel verwandeln. Immer wieder befreit die Spitze des Schiffes Luft aus weißen Bergen, in die es sticht; alles in Begleitung des tosenden Applauses, der sich in der Entfernung erhebt und doch so nahe scheint. Bei sinkendem Spiegel verliert das Ruder wieder die Kontrolle, als wäre es gebrochen und das Schiff treibt auf die blassen Klippen im Norden zu, bevor sich das Land zu heben beginnt und den braunen Rumpf wieder in die Ferne trägt. Dort hält es inne, dreht sich nur geduldig im Kreis und wartet auf den nächsten Zug der Lunge. Es wartet, bis ein neuer Schwall dampfgeschwängerter Luft seinen Platz in der Brust des Mannes, der jeder sein könnte, beansprucht. Sein Körper ist gezeichnet; ohne Farbe. Seine Augen sind geschlossen und blicken in die ihm Friede bringende Unendlichkeit der selbst erzwungenen Finsternis.
Ein kurzer Friede, der gebrochen wird von dem Bild klatschender Hände. Immer wieder schlagen unzählige Handflächen ineinander. Der Applaus schwillt zu einem wilden Rauschen an, dass dem des Meeres gleicht; dessen Wellen brechen sich an seinem Geist und unterhöhlen das Gestein, das feste Gefüge seines Verstandes. Ich möchte Reisen, flüstern seine Lippen. Ich möchte fort von hier.

Ein kalter Luftzug bringt die Flucht, als sich Wolken von Dampf und Schwermut mit der Welt hinter den Türen vermischt. Und mit ihm schwebt ein Ton, der im grauen Rauschen erst untergeht. Doch er ist da und kämpft sich vom Grund herauf an sein Ohr. Der Ton wandelt sich zur Melodie einer Stimme. „Hallo mein Süßer“, spricht sie zu ihm; verschwindet dann und lässt den Applaus zurück; das weite Meer. Der Mann wendet seinen Kopf zur Seite und kleine Wellen laufen durch das milchige Wasser, auf denen das Schiff leicht zu tanzen beginnt. Herein kommt eine Frau, in deren Blick etwas erkennendes und etwas verlorenes liegt. Etwas, dass gefunden werden möchte. Sie schließt die Tür hinter sich und blendet die Welt dahinter für sie beide aus. Ihre Schritte sind kurz, aber bestimmt. Vor der Badewanne geht sie leicht in die Hocke und dieser für ihn wissende Blick streift mehr, als nur seinen schlaff daliegenden Körper. Der Mann beginnt zu sprechen und hinter seinen Worten verschwindet für einen Augenblick das Meer, so dass sie nicht verloren gehen können. Er erzählt ihr von den klatschenden Händen, die ihn unermüdlich verfolgen, so als sei seine bloße Anwesenheit ein Grund zum Jubel. Es ist das Klatschen der ganzen Welt, nur darauf bedacht ein gutes Bild von sich selbst zu malen. Es ist das Klatschen seiner Kollegen, die alles mit einem dazugehörigen, wohlwollenden Nicken gutheißen. Und es ist sein eigener Applaus, der höhnisch hinter den unsichtbaren Wellen der anderen läuft.
Mitleidig blickt die Frau hinunter und fühlt selbst den Schmerz. Sie richtet sich auf und ihre rechte Hand gleitet langsam zu ihm, wühlt das Wasser auf und durchschneidet es wie das Ruder des Schiffes, dass nun hilflos in der See schlingert.
Sie findet ihr Ziel und beginnt langsam sich fest und sanft zugleich zu bewegen. Erst langsam, dann immer schneller. Und mit ihren Bewegungen verschwindet der Applaus und das Meer ist nichts weiter als eine blasse Erinnerung. Reise. Lust ergießt sich.
Sein Mund fährt zu ihrem und ein gekeuchtes Danke entspringt seiner Kehle, als eine Stimme zu den beiden dringt.

Klamm und feucht hängt der Bademantel auf der Haut des Mannes, der mit gesenktem Kopf in der Mitte eines Esszimmer steht und den vorwurfsvollen Blicken seiner Frau ausweicht, die ironisch in die Hände klatscht. Applaus. Sie redet unaufhaltsam auf ihn ein, während neben ihr ein kleines Kind steht, dass sich klammernd an ihrer Hand hält. Er hatte etwas vergessen. Er war nicht da. In diesem Augenblick geht eine zweite Frau an ihm vorbei. Eine Frau mit wissendem Blick, die kurz stehen bleibt und verabschiedend nickt, dem Kind jedoch einen liebevollen Blick zuwirft. „Verabschiede deine Tante,“ flüstert die Mutter und das Kind gehorcht, unterdessen ein kleines Schiff, ohne Ruder, verloren in kaltem Wasser treibt, über dem das Rauschen des Meeres liegt.

 

hallo morti,

ich habe deine geschichte 2 mal gelesen und einzelne stellen sogar einige male mehr. entweder ist mein verstand zu klein, oder du erwartest viel von dem leser. ich kann die metaphern nicht zuordnen. auch der letzte absatz klärt mich nicht auf. die metaphern klingen schön, sie sind sehr malerisch, um so frustrierender für den leser, wenn er es nicht versteht.
ich hoffe, dass noch andere deine geschichte lesen, und dass sie diese besser verstehen als ich.

tut mir leid

barde

Die feinen Umrisse des Holzes graben sich grob durch die miteinanderkämpfenden Strudel,

"miteinanderkämpfenden" auseinander

Es wartet, bis ein neuer Schwall dampfgeschwängerter Luft seinen Platz in der Brust des Mannes,

"dampfgeschwängerter" >> "Dampf geschwängerter"

Herein kommt eine Frau, in deren Blick etwas erkennendes und etwas verlorenes liegt.

"erkennendes", "verlorenes" beides gross

 

Hallo Barde,
ich bin mir des übermäßgigen Gebrauchs an Metaphern durchaus bewusst, da ich einen Text solcher Art schreiben wollte, daher muss dir gar nichts Leid tun ;)
Ich warte mal ab, ob noch ein paar Leser kommen und dann werde ich einige Sachen aufschlüsseln. Eigentlich schreib ich nicht ganz so verworren (nur ein bisschen :dozey: )

Danke fürs Lesen
grüße...
morti

 

Hallo morti!
Erst mal noch ein paar Hinweise auf deinen Lieblingsfehler:

dass dem des Meeres gleicht
Etwas, dass gefunden werden möchte.
das Ruder des Schiffes, dass nun hilflos in der ungelenkten See schlingert.
ein kleines Kind steht, dass sich klammernd an ihrer Hand hält.

Weiterer Textkram:
Ich möchte Reisen,
Ich möchte reisen

Doch er ist da; existent und kämpft sich vom Grund herauf
Über das existent holpere ich beim Lesen. Wie wäre es mit: er ist da; er existiert und …

dieser für ihn wissende Blick streift mehr, als nur seinen schlaff daliegenden Körper
kein Komma vor dem als

Sag deiner Tante, Auf Wiedersehen,“
„Sag deiner Tante ‚Auf Wiedersehen’“
(Word ein bisschen quälen, dann setzt es die Anführungszeichen schon so, wie man will …

So, also auf den ersten Blick bin ich auch ein bisschen ratlos.
Der erste Abschnitt deiner Geschichte ist für mich wirklich von ausgesprochener Bildkraft. Teilweise sehr schöne Metaphern, manchmal wirkt es allerdings, als sei es etwas „zuviel des Guten“.
Der zweite Abschnitt: das Bild von der Badewanne hatte ich schon gegen Ende des ersten; vielleicht liegt das am milchigen Wasser. Oder es stand irgendwo explizit und ich habe es nur überlesen. Der zweite Abschnitt hat mich jedenfalls dadurch überrascht, dass ich die ganze Szene sehr selbstverständlich und deutlich vor Augen hatte.
Der dritte verwirrt mich dann wieder. Zwei Frauen, ein Kind, der nasse Mann. Hm. Was will der Dichter uns damit sagen?

Das Bild des Meeres scheint dich ja sehr zu reizen (ich denke da an deine Challengegeschichte …).

Die milchige See ist das Badewasser, die weißen Berge sind der Schaum, das Land, das sich hebt, ist der Körper des Mannes. Nah ranzoomen, und das Ganze sieht nach offenem Meer aus :D . Nicht ganz sicher bin ich mir, ob der Mann wirklich mit einem kleinen Schiff in der Badewanne spielt – das Bild hatte ich beim Lesen vor Augen -, oder ob er selbst auch ein bisschen für das Schiff steht. Mein erster – okay, mein zweiter – Gedanke war, dass sich die ganze Schiffsache ausschließlich auf einer bildlichen Ebene entwickelt. Aber jetzt denke ich langsam, dass es ein bisschen von allem ist.

Die Handlungsebene deute ich für mich so:
Ein Mann liegt in der Badewanne. Eine Frau – offenbar seine Schwägerin – kommt herein. Offensichtlich haben die beiden ein Verhältnis. Dann dringt eine Stimme zu ihnen, in der nächsten Szene ist der Mann aus der Wanne raus, seine Geliebte muss gehen. Hat seine Frau sie ertappt? Für mich sieht es so aus.
Das Bild des Mannes, der träumend in der Wanne liegt, scheint für mich seltsam nachvollziehbar. ‚Ich möchte reisen, ich möchte fort von hier’ – das sind so schlichte Sätze, aber sie haben mich fast mehr berührt als deine kunstvollen sprachlichen Bilder. Vielleicht war es nicht deine Intention, aber für mich spricht aus diesen Worten eine unbestimmte, schmerzliche Sehnsucht.
Ihr Ziel könnte das Bild des Meeres sein. Die Sehnsucht nach Freiheit, nach Veränderung? Und doch verkommt das Meer zur Badewanne.
Dann haben wir ein Schiff, das in der stürmischen See manövriert, und dieses irritierende Applaudieren, das den Mann bedrückt. Würde ich auf Anhieb deuten als ein Leben, in dem eigentlich alles gut läuft. Er hat eine Frau, er hat ein Kind (und eine gemütliche Badewanne). Er bewältigt alle Schwierigkeiten – das bringt ihm Anerkennung, Applaus, das ist jetzt schon selbstverständlich, fast quälend geworden. Oder ist es gar nicht er, dem applaudiert wird? In einigen Zeilen im zweiten Absatz gibt er ja die Erklärung, und da klingt für mich auch ein bisschen die Selbstgerechtigkeit der gesamten Welt an.
Ein paar Sachen verwirren mich noch.
Das „Meer“ am Anfang scheint unruhig, aber das kleine Schiff kommt nicht vom Kurs ab. Bis die Frau erscheint. Dann schlingert es hilflos. Am Ende, als die Frau fort ist, treibt es ohne Ruder im kalten Wasser. Je mehr ich drüber nachdenke, desto weniger scheint mir meine ursprüngliche Deutung zu funktionieren, das Meer steht hier nicht für Freiheit …

Insgesamt vermittelt dein Text mir Ahnungen, Stimmungen, ich habe das Gefühl, dass ich ein paar Sachen entwirren kann, aber längst nicht alles. Die Bilder, die entstehen, sind zumindest für mich sehr ausdrucksstark. Über die eigentliche Bedeutung muss man eine Weile nachgrübeln. Eine ziemlich lange Weile, glaube ich.
Hat mir sprachlich und von dem, was als Bild und Emotion bei mir angekommen ist, sehr gut gefallen – nichtsdestotrotz lässt es mich ein bisschen ratlos zurück.
Liebe Grüße,
ciao
Malinche

p.s.

Der Applaus schwillt zu einem wilden Rauschen an, das dem des Meeres gleicht; dessen Wellen brechen sich an seinem Geist und unterhöhlen das Gestein, das feste Gefüge seines Verstandes.
Die Stelle fand ich sehr schön ...

 

Hi Malinche,
der Text ist schwer verständlich??
Gut, denn das war absolute Absicht! Reise war mehr ein Experiment, aber dennoch hast du sie fast richtig verstanden. Es geht um Freiheit, um das Gefühl, was da noch kommt und was es noch gibt, wenn man anscheinend schon alles hat. Der Schluss ist eigentlich nur die Auflösung, dass der Mann fremd gegangen ist, indem sein Sohn Auf Wiedersehen zu seiner Tante sagen soll. Der Mann glaubt in dieser Beziehung eine Reise antreten zu können.
Noch ein Wort zu dem Schiff. Es ist wirklich ein Schiff und nicht er selbst ;)

Bleibt noch: Für das Lesen; ein DANK :)
Liebe Grüße...
morti

 

Hi Morti,
Ich habe die Geschichte schon früher einmal gelesen. Und da Malinche sie wieder hervorgeholt hat, will ich dir auch meine Gedanken mitteilen. Obwohl du reichlich Methaphern verwendet hattest, habe ich unschwer erkannt, dass hier ein Ehebruch stattgefunden hat. Eigentlich finde ich es schade, das du die Handlung so nebulös hinter Methaphern versteckst. Denn ob der Mühe, die du dir gegeben hast, entsprechende rätselhafte Bilder zu beschreiben, hat es mich gelangweilt rätseln zu müssen. Wenn da nicht morti gestanden hätte, hätte ich aufgegeben. Ich finde du nimmst dem Plot die Spannung, wenn du dich in der Erzählhaltung allzu geheimnisvoll gibst. Die Geschichte hat vielmehr Potential, das du meiner Meinung nach verschenkst.
Einerseits könnte die Geschichte erotisch knistern, andererseits könnte sich ein subtiles menschliches Drama entfalten.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hallo meine Dame,
danke natürlich auch dir! und danke für den Satz: "wenn da nicht morti gestanden hätt..." :)
Ich hoffe nur, dass nach dieser Geschichte dennoch einige weitere den Weg zu dir finden werden. Ich habe bei Reise neben all den Rätseln vergessen zu unterhalten. Eine gesündere Mischung hätte der story wohl gut getan. Ein Grund dafür war, dass ich die story selber zu belanglos fande, sie aber einen guten Hintergrund für die Bilder bildete, die ich im Kopf hatte.
Ich werde mich in Zukunft sowieso wieder der alten Dinge besinnen und Bilder schaffen, die Hand in Hand mit einer story gehen. Sei gespannt ;) (*schon mal Werbung mach*)

Liebe Grüße...
morti

 

Hallo morti,


bei deiner Intension, die Geschichte zu gestalten, finde ich den Bilderreichtum angebracht, da du etwas Unwirkliches, Traumhaftes, beschreiben willst.
Folgenden Ausdruck finde ich aber nicht gut gelungen:

„welche das glatte Wasser in einen verschleierten Spiegel verwandeln“.

Der glatte Wasserspiegel kann durch die Strudel verzerrt werden, aber nicht in einen „verschleierten Spiegel“ verwandelt (auch ein verschleierter Spiegel hätte eine glatte Oberfläche). Den anfänglich glatten Spiegel sollte man in etwas nicht Glattes überführen.

Der Applaus ist eine passende Metapher für Erfolg, Anerkennung, am Schluss erscheint er noch einmal: „den vorwurfsvollen Blicken seiner Frau ausweicht, die ironisch in die Hände klatscht. Applaus.“

Diese Bedeutungsänderung ist eine gute Idee.
Eigentlich sollte man meinen, dass so viel Zustimmung (Applaus) willkommen ist, doch sehr viel des Guten ist schnell zuviel des Guten.

Änderungsvorschläge:

„Doch er ist da; existent und kämpft sich vom Grund herauf an sein Ohr.“ - Wenn er „da“ „ist“, ist er auch existent.

Hallo mein Süßer spricht sie zu ihm - ‚Hallo mein Süßer’, spricht sie


„Ohne Aufforderung beginnt der Mann zu sprechen und hinter seinen Worten verschwindet für einen Augenblick das Meer“

- Man beginnt meistens ohne Aufforderung zu sprechen.


„ungelenkten See schlingert“ - das Ruder kann ungelenkt sein (bzw. das Schiff), nicht die See.

„verloren in kalten Wasser treibt“ - in kaltem

„Rauschen an, dass dem des Meeres gleicht“ - das

„Sag deiner Tante, Auf Wiedersehen,“ - Wiedersehen“,


L G,

tschüß... Woltochinon

 

Ahh, Hallo Woltochinon,
schön wieder was von dir zu hören!
Deine Vorschläge habe ich bereits in die Tat umgesetzt und hoffe, dass sich die Geschichte nun besser liest. Danke dafür!
Ich glaube mittlerweile, dass die Reise unter Experimente viel besser aufgehoben wär, aber egal. Das nächste Mal ;)

Einen ganz lieben Gruß...
morti

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom