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Reisefotografien oder Gute Reise, Schlechte Reise
Eine Liebe verlassen ist wie aus dem Flugzeug steigen, wenn man für lange Zeit im Urlaub war.
Sie ist nicht umgefallen und auch nicht verrückt geworden und todgeweint hat sie sich schon gar nicht. Sie hat den Mut zusammengesammelt, den Letzten, Verbliebenen. Hat den Kopf hochgehalten und wenn sie dann doch weinen musste, hat sie diskret die Tür hinter sich geschlossen.
Es ist keine Welt zusammengebrochen für sie. Menschen kommen und Menschen gehen, es ist normal, dass man hin und wieder einen von ihnen verliert. Man darf sich nicht kaputt machen lassen, muss weiterhin funktionieren, ein bisschen wie eine Maschine, aber so ist es wohl.
Erstaunlich stark hat sie gewirkt und schöner als sonst, schöner als je zuvor.
Dann wacht sie eines Morgens auf und vermisst ihn. Findet plötzlich den unerträglichen Gedanken in sich, dass er fehlt. Wie Wasser und Brot und Champagner. Eines Morgens brechen Teile ihrer Funktion zusammen, aber immer noch erfüllt der Grossteil den gewünschten Zweck. Die Gesamtheit des Ganzen routiert und tut, was nötig ist, um einen Menschen durchs Leben zu bringen oder wenigstens durch einen Teil davon.
Sie kann mit einem Mal nicht aufhören an ihn zu denken und Hoffnungen verfolgen sie, obwohl sie weiß, das bringt nichts. Aber was nützt das Wissen schon? Es hat ihr ja auch damals nicht geholfen, als sie gewusst hat, dass er es nur zur Hälfte ernst meint. Es hat nichts gebracht zu wissen, dass sie am Ende doch wieder der Narr sein wird. Ist ja auch völlig egal. War völlig egal. Einer muss es schließlich immer sein und wer weiß. Verlierer gibt es keine.
Man hat so unendlich viel Zeit zu reisen, ehe man sterben muss, ein ganzes Leben lang hat man Zeit dafür und das Leben scheint lang zu sein, wenn man sich vorstellt, man müsste es nur mit Reisen füllen. Aber dann wacht man wieder auf und wieder ist einem klar, nein, so geht das nicht. Es ist alles ganz anders und vor allem das Leben, das ich liebe und gleich danach die Liebe, die ich lebe.
Nicht mehr leben kann. Nicht jetzt mehr und letztendlich spielt auch das keine Rolle. Das ist schließlich nicht der Sinn; einem hinterher zu weinen. Weinen hat genauso wenig Sinn wie die Hoffnung, dass der Himmel vielleicht wirklich (und nicht nur in der Phantasie, der eigenen) rosarot geworden ist.
Man kann eine Reise ganz einfach buchen, wenn man eine haben möchte. Reisebüro. Tasten auf dem PC getippt von einem Mann in Anzug. Krawatte natürlich. Sehr chic. Nur die Koffer muss man dann packen und schon ist man weg.
Und wenn man dann doch wieder nach Hause muss, dann fährt, fliegt oder bewegt sich anderweitig einfach heimwärts. Da ist man dann ein bisschen traurig, oder besser melancholisch, ein klitzekleines Bisschen betrübt, weil alles vorbei ist. Und dann ruft man Bekannte, Verwandte, die Freundin, den Freund, den Nachbar und was man sonst noch so kennt an und erzählt ihnen von diesem Urlaub, der, im Rückblick, der einzig Schöne gewesen zu sein scheint.
Fotos zeigen, alles erzählen, es muss ja nur einen selbst interessieren. Ja, nun ist es doch ein schöner, schöner Urlaub gewesen. Da kann man sich freuen, dass man ihn hatte.
Augen strahlen, Grübchen lachen, die braune Haut wird gelobt und die rosigen Wangen und natürlich bringt das nicht den Urlaub zurück, aber es sichert doch wenigstens die schönen Erinnerungen.