Renate und erotische Leberwurst
Ich rauche gerade meine dritte letzte Zigarette. Zuvor habe ich mir eine Schachtel Vitamintabletten reingelötet. Ich sehe Johannes B. Kerner und esse Körner.
Seit geraumer Zeit plagt mich nämlich ein seltsames Ziehen im Magenbereich. Eine Art biegendes Bauchweh, ein kämpfendes Krampfen. Deswegen habe ich beschlossen, mich derart gesund zu ernähren, dass alle Bioladen-Bertholds und Ökoprodukte-Ötzis vor Neid erblassen. Heute Mittag habe ich Gurken geknuspert und Rosinen gekaut. Als Dessert gönnte ich mir Karotten und komische Kräuterkrümel. Ich ging in meinem Gesundheitswahn sogar so weit, eine Fachmännin zu beauftragen.
Meine Ernährungsberaterin heißt Renate und ist fett. Sie trägt einen Ganzkörperstützstrumpf unter ihrer Übergrößenbluse, der ihren Körper derart deformiert, dass das Fleisch völlig unkontrolliert umherwulstet. Hautakkumulationen wabern durch die Peripherie. Renate sieht aus, als hätte sie Verstopfung. Chronisch. Seit Jahrzehnten. Sie hat dicke Backen, die fiebrig rot leuchten, und Krampfadern. Auf der Nase! Unter ihren Achseln bilden sich Schweißflecken in der Größe durchschnittsdeutscher Gartenteiche. Kurzum: Renate ist kein schöner Anblick. Selbst ein Stück Leberwurst wäre erotischer.
Renate erzählt mir, wie wichtig es sei, sich gesund zu ernähren. Folge eines achtsamen Lebensmittelkonsums seien Vitalität und UnbeSCHWERtheit. Ich komme mir verarscht vor. Nach Strich und Faden. Was sollen Renates Patienten denn denken? Dass man bei gesunder Ernährung automatisch das Volumen eines ausgewachsenen Hochleistungsrindes erreicht und hässlich wird? Wobei das Letztere ja durchaus zutreffen mag, wenn man mal einen Blick in diverse Kleinstadtbioläden wirft. Dort nämlich erwerben oftmals aknegeplagte, wasserscheue Mädchen grasähnliche Wurzelunkräuter, die sie anschließend in ihrer Einkaufstasche aus Natur belassenem Hanf verschwinden lassen. In ihren Hexenküchen brauen sie daraus allerlei stinkende Eigenkreationen. Diese nutzen sie, um ihren gesamten Freundeskreis totzubewirten.
Das ist übrigens ein grundsätzliches Problem von Vegetariern, beinahe ein Komplex. Ihr größtes Anliegen ist es, so scheint mir, andere Leute davon zu überzeugen, wie toll gesundes Essen doch schmecken kann. Aber mit Tofu macht man sich keine Freunde.
Ein neues Hobby von mir ist es deswegen, Vegetarier davon zu überzeugen, wie toll Fleisch schmecken kann. Oft latsche ich um die Mittagszeit wie zufällig in eine dieser Vegetarierverköstigungsbuden, die lustige Namen tragen wie „vegi vodoo king“. Mit einem halben Hähnchen in der Hand. Dass ich dann ordentlich auseinanderrupfe, an den Beinknochen. Einfach so zum Spaß. Oder ich schlotze ihm schmatzend das Ketchup von der fettigen Haut. Da fällt so manchem vegi king ganz schnell die Nase ins Süppchen.
Das Problem bei gesunden, vegetarischen Produkten ist ohnehin, dass sie schweineteuer sind. Darüber hinaus schmecken sie einfach beschissen und haben absurde Endlosnamen wie „Humbukus Tubula El Rachitis Terra Nebulus“. Und das sind Butterkekse!
Renate hingegen verschrieb mir eine Brei-Kur. Ihr Gesundheitsbrei sah aus wie eine Mixtur aus all denjenigen Substanzen, die ein menschlicher Körper für Gewöhnlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit absondert. Ekelhaft. Aber laut Renate gesund! Wahrscheinlich aus diesem Grund habe ich ihren lebensbejahenden Brei in äußerst unvernünftigen Unmengen heruntergewürgt. Immerhin hat er gewirkt, das muss man Renate zugestehen. Meine Magenschmerzen haben sich verflüchtigt. Seither muss ich kotzen.
Das ist jetzt vier Wochen her. Ich bin zu meinem Grundnahrungsmittel Tiefkühlpizza zurückgekehrt, mein Körper hat resigniert und beginnt allmählich, ungestümes Unverdautes wieder bei sich zu behalten. Renate und ihr Brechbrei kommen mir nicht mehr in die Tüte.
Ich rauche gerade meine dritte Schachtel Zigaretten. Zuvor habe ich mir eine Packung Chips reingelötet. Ich sehe Johannes B. Kerner und esse Kuchen.
Mich plagt ein seltsames Ziehen im Magenbereich.