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Rendezvous
Die Zigarette im Anschlag sitze ich hier. Und warte.
Nicht dass ich was besseres zu tun hätte. Nein, ich mag das. Sitzen und warten. Sich den Duft der Welt um die Ohren wehen lassen, wie mein Vater immer zu sagen pflegte. Und selbst wenn ich heute noch nicht verstanden habe was er damit meint. Damit macht man die Leute mürbe. Sie fragen dich nach deinen Motiven, und du sagst etwas wie Wenn ich etwas anderes zu tun hätte, dann wäre ich wohl hier!
Bis sie das verstehen, ist man meistens weg.
Menschen reden, und reden ist mir zuwider. Reden bedeutet offenbaren. Und hinter Vorhang Nummer eins haben wir: meine Psyche.
Wen juckt’s?
Menschen reden, und sie wählen aus mit wem. Der nicht, der ist scheiße. Siehst du die Schuhe? Keine Nike. Die Jacke? Keine 23, kein Jordan. Als wenn Jordan auch nur den Hauch einer griechischen Siegesgöttin hätte. Der dumme Nigger. Bring den Ball rein und du kriegst ‘ne Banane. In die Bäume, ihr Affen.
Mein Vater war ein wandelndes Sprichwortlexikon.
Ich huste, weil ich lache und mir der Rauch in der Lunge brennt. Rauh räuspere ich mich. Man, verpiß dich du Schlampe, seh ich aus wie jemand der ficken will?
Haste nix, biste nix. Er hat sein Leben lang in einem Lager gearbeitet. Weit weg von Jordan, Armani und Ronald McDonald. Als ich dreizehn war, hat er mir eine Kiste fast auf den Kopf geschmißen. Drei und drei sind vier, Widdewiddewit und zwei sind neune. Pippi. Als wenn Mathematik so schwer wäre. Und Shakespeare hab ich auch mal gelesen. Ende Gut, Alles Gut. Mein Königreich für ein Pferd. Die größten Zitate der Weltliteratur, Hoffmann & Campe, glaube ich.
Schule ist für Arschficker. Für Schwule. Und Schlampen. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als die Schulweisheit uns träumen läßt, ebenfalls Shakespeare. Und Vater.
Ich seh mich um. Vier Stück hab ich noch in der Schachtel, und der Heiermann klimpert in der Tasche. Noch drei.
In der Wolke, die ich ausblase, sehe ich kurz sein Gesicht, dann das meiner Mutter. Aber das ist falsch. Sie hat eine Nase. Und Augen. Und ein gütiges Lächeln. Alles Lüge!
Es ist wahr, es ist wahr, daß die Kühe das Gras nicht Rauchen sondern Fressen..., aber sonst: Alles Lüge! Rio Reiser. Der alte König. Auch nur so ein beschissener Hundeficker.
Katarina war die Erste. Blut auf Vaters Rücksitz, als wäre ich in den Fünfzigern. Gleich und gleich gesellt sich gern. Eins und eins macht zwei. Eine Woche später wurde Johannes der zweite. Und der dritte. Mag bis zum hundersten geworden sein, sie haben letztes Jahr geheiratet. An der Nase eines Mannes erkennt man seinen Johannes. Das dümmste das Vater je erzählt hat.
Wir waren verabredet, sie kam nicht. Also fahr ich hin, und zieh ihn von ihr runter. Das wurde seine erste Brücke, da war er sechzehn. Schlampe!
Petra die zweite. Das hielt länger, fast einen Monat. Etwa dreißig Mal hab ich die Kugel versenkt, dann geht sie. Weil ich nie Blumen gebracht habe. Wo sind wir hier? In Casablanca?
Die Welt ist, was du daraus machst. Oder war das die Zukunft? Egal.
Es gibt noch mehr Fische im Meer. Andere Mütter haben auch schöne Töchter.
Charlotte, Karla, Noch ne Petra, Claudia, Maria, Kim. Alles Nutten. Dumm, geldgeil. Hoffentlich krepieren sie an AIDS. Oder was schlimmerem. Saskia.
Das hielt am längsten. Aber man soll den Tag nicht vor der Tagesschau loben. Oder der Sportschau.
Vater hat Fußball geliebt. Beschissener Spießerarsch. Mittwochs in die Kneipe, am Wochenende zu den Spielen. HSV, damals in den Achtzigern hat sich’s ja wenigstens noch gelohnt.
Saskia hielt fast vier Jahre. Der verfickte Verlobungsring hat fast nen Tausi gekostet. Natürlich kam jemand, der die Tausend schon zum Essen abdrückt, und weg war sie. Arriba, Arriba, Underle, Underle! Die schnellste Maus von Mexiko. Mein Spanisch war schon mal besser.
Ein kurzer Fick, und schon sieht man sie nie wieder. Als wenn ich so schlecht aussehen würde.
Du siehst heute so aus, wie ich mich fühle. Wenn du noch besser aussehen würdest, würdest du leuchten.
Ich sehe die letzte an, die in meiner Schachtel steht, und zünde die andre an. Sterben tust du sowieso, schneller geht’s mit Marlboro.
Noch immer keine Spur. Aber ich warte ja gerne. Cool angelehnt, Hand in der Tasche, Kippe im Maul. Ich ritze mir den Finger am Messer auf und lutsche am Blut. Es ist kühl.
Der Mensch ist, was er aus sich macht. Kleider machen Leute. Die Welt ist von hüpfenden Niggern besiedelt.
Vater hat nur einen Fehler gemacht. Nur einen einzigen.
Ich hab ihn geschlagen, als die Kiste mich fast skalpiert hatte. Und er hat mir seinen Rücksitz gezeigt. Einen Monat keinen Lohn, und er trägt ne neue Uhr. Der miese Drecksack. Und Mutter lacht, und steckt sich eine an. Und schenkt sich einen ein. Und ‘ne halbe Stunde später hat er ihr einen reingesteckt und eingeschenkt.
Ich hab’s immer gehört. Hab immer aus dem Fenster gekotzt, bis das ganze Haus gestunken hat.
Das Messer lag immer unter meinem Kissen.
Wenn das Chaos kommt, mußt du vorbereitet sein. Den letzten beißen die Hunde.
Die Menschen können besser lügen, als zu reden. Sie reden viel, sagen wenig. Aber sie lügen.
Ficken, hüpfende Nigger, Geld und Chaos. Witze sind nicht mehr komisch, wenn die Pointe ohne Fick ausgeht. Und die Covers sehen aus, als wenn sie wollen, daß man sie gleich im Supermarkt zuspritzt.
Mitte Zwanzig bin ich, und die Arbeit kriegen die hopsenden Scheißnigger. Und die Fußballgucker. Ich bin ehrlich. Ich lüge nicht. Ich stehle nicht. Ich sitze nur und warte.
Die letzte ist fast weg, als sie kommt. Ich lächle, weil man das so macht und fummele an dem Fünfer herum.
Meine Mutter stand in der Tür, als er kam. Soll er doch reinstecken wo er will, aber ich bin keiner von den Arschfickern. Ich erzähle von seinem Rücksitz, aber er lacht nur und macht die Hose auf.
Die Augen paßten perfekt zu fettem Rahm.
Das Glück ist mit den Dummen. Dumm bin ich nicht, aber glücklich. Sechs Jahre ist das her. Und ich warte noch immer.
Ihr Name ist Julia. Hat sie zumindest gesagt. Gestern war’s ein Mann. Er ließ sich einladen, und es hat fast eine Stunde gedauert, den Stahl sauber zu lutschen. Lollipop, Lollipop, Oh Lolli, Lolli, Lolli, Lollipop...
Ich lächle, zeige meine Zähne und schnippe die Kippe weg. Vielleicht die letzte. Ich hake sie ein, das Essen wartet.
Ich mache mir die Welt, widdewiddewie sie mir gefällt.
Es gibt viel zu tun - packen wir’s an.