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Restestücke

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24.02.2008
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Restestücke

So, Leute, ich schreib jetzt hier mal, was mir passiert ist, damals als die ganze Sache mit der Mauer und dem ganzen Scheiß war.
Ich heiße übrigens Latte. So wie in, ist mir alles Latte. Ich wohne seit ich lebe in Berlin.

Die Sache mit der Mauer war da schon irgendwie ne ganze Weile her gewesen, als mir diese eine Sache passierte. Besonders interessiert hatte mich das ganze eh nicht, obwohl alle so ein großes Gedöns gemacht hatten und gesagt hatten: „Wir sind ein Volk“ und „Wir sind wieder ein Land“, Blah, blah, blah.
Ich weiß nicht, das ganze war natürlich ziemlich geil und irgendwie auch ganz gut, weil Gefangenschaft ist ja immer richtig scheiße. Das geilste an der ganzen Zeit danach war aber, dass alle total geil drauf waren und immer und überall Party war.
Es war ein Dienstag oder Mittwoch, irgendein Tag wo andere halt arbeiten, und Chiko hatte in seiner Wohnung Party. Ich glaub zwar nicht, dass das ganze wirklich was mit dem Mauerfall zu tun hatte, aber das war ja auch scheiß egal, Hauptsache Party und Saufen.
Überall in der Wohnung war der Mob. Ob auf´m Klo, im Schrank oder in der Küche. Gewundert hatte mich das nicht. Denn jeder wusste, dass es immer geil und voll wird, wenn Chiko Party macht. Die einzige Scheiße war bloß, dass es irgendwie nur Bier gab. Keiner hatte was hartes dabei, Wodka oder Korn. Nicht einmal die paar klugscheißerischen Studenten, die irgendwen kannten und meinten, dazu zu gehören, bloß weil ihre 200 Mark Jeans zwei Löcher hatten. Was für Flaschen.
Eigentlich wollten Kalle, Wurst und ich gerade losgehen, und nochmal an der Tanke oder irgendwo n' Korn kaufen, als ich gerade so eine richtig heiße in Chikos Küche sah. An ihrem ganzen Outfit konnte ich gleich sehen, dass sie nicht leicht zu haben war. Sie war eindeutig Punk, aber nicht so billig und nuttig, wie die ganzen anderen. Und da ich die ganzen anderen schon hatte, hatte ich irgendwie Lust, jetzt mal so eine flach zu legen. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie sie hieß oder so, aber Kalle kannte sie.
Als wir auf dem Weg zur Tanke waren fragte ich Kalle so, wer sie ist und so, und worauf sie so steht. Kalle sagte dann, dass sie wohl so eine von diesen Nobelpunks ist, mit reichen Eltern und so aus Zehlendorf. Das war ja nun keine Herausforderung. Solche Snob-Zicken sind sogar noch leichter zu kriegen, als die Normalen. Meißtens ist es nämlich so, dass sie zwar von außen total auf Punk machen, und sich so alternativ geben, in Wirklichkeit aber gar keine Ahnung haben, was es bedeutet Punk zu Leben. Die kannst du mit nem richtigen Punkleben beeindrucken und ratz fatz in die Kiste kriegen. Bei dieser kleinen Zicke, ihr Name war übrigens Melanie erzählte Kalle, war der wunde Punkt der Mauerfall und der ganze Kram. Sie wurde wohl total feucht bei Typen, die so politisch sind, und irgendwie wichtige Sachen machen und solchen Kram. Wer was politisches macht und irgendwie was tut, hat bei ihr wohl den Stich. Tja, an sich ganz easy. Nur leider hatte ich politisch in meinem Leben noch nix gemacht. Außer Steine auf Polizisten werfen. Aber auch nicht auf einer Demo, sondern einfach so. Ich musste mir also was einfallen lassen. Kalle hatte dann ne ziemlich geile Idee gehabt. Er sagte, dass ich erzählen soll, dass ich die Mauer mit abgerissen habe, von wegen der Freiheit und so.
Klar, das war ne gute Idee. Nur würden dann wahrscheinlich so ein paar klugscheißerische Studenten irgendwelche beschissenen Fragen stellen, oder sagen, dass sie noch viel mehr gemacht haben und den Friedensvertrag mit unterschrieben haben oder so. Und dann vögelt sie am Ende mit einem von denen.
Wurst sagte dann, dass es voll gut wäre, wenn ich noch so ein Stück von der Mauer hätte, so als Zeichen, dass ich sie mit kaputt gemacht hatte. An sich n' voll guter Plan. Bis darauf, dass die Mauer schon so gut wie abgerissen war, und in Berlin nix mehr davon übrig geblieben war. Doch dann erinnerte ich mich, dass ich noch am Tag vorher irgendwie noch Bagger und so irgendwo am Ostbahnhof gesehen habe, die noch Teile der Mauer abgerissen hatten. Da könnte ich noch was finden.
Kalle und Wurst hatten keine Lust mitzukommen. Die Säcke hatten keinen Bock und wollten erst mal Alk kaufen. Ich sprintete also alleine in die U-Bahn und fuhr dahin.
Als ich da war, sind die Bagger und so schon gar nicht mehr dagewesen. Alles war weg, und die Mauer auch. Zuerst dachte ich mir „voll scheiße“, und wollte mich schon wieder verpissen, als ich sah, dass hinter so ner Hecke am Straßenrand ein dickes Stück noch lag. Das war etwa so groß, wie ein Teller oder so. Nicht so schwer, aber deutlich ein Stück von der Mauer. Genau der gleiche Beton, und irgendwie stand auch noch was drauf mit „Die Ma..e. .uss weg!“. Also schon ziemlich konkret.
Ich nahm also das Stück unter den Arm und machte mich auf den Weg zurück zur U-Bahn und zur Party. Irgendwie so zehn Meter hinter der Ecke fiel mir auf, dass ich keine Ziesen mehr hatte. Und vögeln ohne Ziesen, das ist wie Party ohne Alk. Meine letzten 3 Mark hatte Kalle eingesteckt. Mit anderen Worten, ich musste irgendwoher ein paar Kippen, oder ein paar Mark auftreiben. Das dumme war bloß, dass so spät keiner mehr unterwegs war, und dass die, die noch unterwegs waren, am besten nicht angebettelt werden sollten, weil sie dir sonst die Fresse polieren, weil dass dann immer solche Mucki-Macker sind.
Doch, mir blieb nix anderes übrig. Ich hatte in dieser Nacht richtig Schwein, denn da stand gerade ne ältere Frau. Potentielle Geldgeber. Ich ging also direkt zu ihr los und fragte sie, ob sie vielleicht ne Kippe, oder ne Mark hätte.
Ich musste sie voll erschreckt haben, weil sie so richtig zusammen zuckte. Sie dann voll so: „Tut mir Leid“ und so. Dann holte sie ihre Geldbörse raus um mir was zu geben. Ihr Hände zitterten voll und sie war ganz klar am Weinen.
„Du brauchst keine Angst zu haben, ich tu dir schon nix“, sagte ich.
Sie sagte dann so: „Nein, ich habe keine Angst, ist alles Ok.“
Dann gab sie mir zwei Mark. Ich sagte „Danke“, so wie sich das gehört und ging dann weiter. Also, ich wollte weitergehen, aber so, zwei Schritte später dachte ich, dass sie sich vielleicht verlaufen hatte oder so, und irgendwie dachte ich, dass ich ihr da irgendwie helfen könnte.
Also ging ich zurück und fragte so, ob ich ihr helfen könnte?
„Nee, ist schon gut“, sagte sie.
„Hast du dich verlaufen?“ fragte ich. „Ich wohne hier, und vielleicht kann ich dir ja sagen, wo du lang gehen musst? Wo kommst du denn her?“
„Ich komme aus Ottawa.“
Ich überlegte erst einen Moment.
„Das ist doch in Amerika!“
„Fast, in Kanada.“, sagte sie. „Es ist lieb von dir, aber du kannst mir nicht helfen. Ich hab mich nicht verlaufen. Ich bin eigentlich hier her gekommen, um mich davon zu überzeugen, dass sie wirklich weg ist. Diese furchtbare Mauer, die nicht nur Menschen getrennt, sondern auch mehr als genug ermordet hatte. Hunderte Leben waren es, die dieser Wahnsinn gekostet hat. Darunter auch das Leben meines Mannes. Wenigstens sind jetzt alle Reste, dieses tödlichen Vorhangs verschwunden.“
Das war total krass. Irgendwie hatte ich schon viel von denen gehört, die durch diese ganze Mauer Sache jemanden verloren hatten, im Fersehen und so. Aber irgendwie war das total anders, mit so einem Menschen zu reden.
„Naja, alle Reste sind noch nicht verschwunden.“, sagte ich dann. Ich holte hinter meiner Jacke den Brocken hervor, den ich vorhin von der Abrissstelle geholt hatte. Sie starrte voll drauf.
„Willst du es beenden?“, fragte ich sie.
Sie lachte total, und dann wollte sie ihn nehmen, konnte ihn aber gar nicht halten. Wir hielten ihn also zusammen, zählten bis drei und warfen ihn dann auf den Boden. Das Ding knallte richtig laut und zersprang in tausend Stücke.
Die Frau lachte total, und begann auf den einzelnen Stücken herumzutreten und herumzuspringen. Ich pogte dann auch mit darauf rum. Als keine Stücke mehr zu sehen waren und nur Staub auf der Straße und unseren Schuhen war, dankte sie mir noch einmal, gab mir nen Kuss und verschwand daraufhin in die Nacht.
Ich ging an diesem Abend nicht mehr zur Party zurück. Kalle und Wurst knallten sie den Korn alleine rein. Irgendwie hatte ich nach dieser Frau keine Lust mehr auf Party gehabt. Nicht, dass ich nicht geil drauf war. Es ging mir total geil, aber irgendwie, anders als sonst. Irgendwie... was weiß ich.

 

Hi Sidney,
also ich find die Geschichte total gut, erinnert mich an so ein Buch: "Sex, Drugs & Hardcore Punk" Kennst du das? Wenn nicht, musst du es unbedingt mal lesen, würde dir gefallen.
Das mit der Rechtschreibung, naja, also ich würde mal sagen, dass du darauf scheißen kannst =)

 

Hi ihr Leute,

Danke für Rückmeldungen. Dieses Problem mit Rechtschreibung ist echt so ein Ding bei mir. Da muss ich mal dran arbeiten. Das Buch das du mir da empfohlen hast klingt an sich spannend. Sobald ich keine Fachbücher mehr wälzen muss, werde ich es mir zu Herzen nehmen.

 

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