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Rona

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16.06.2002
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Rona

Makellos weiß gekalkt die hohen Wände, der Parkettboden glänzend versiegelt. Möbel aus schwarzem Kunststoff und Aluminium, ein grauer Teppich, handgeknüpft. Rona umarmt Zont, blickt in seine kalten Augen. Eisig blau sind Zonts Augen. Stark ist er, mächtig, in der Konzernleitung scheffelt er. Braunes Haar im Bürstenschnitt. Schneidig und teuer der Anzug. Ronas Haut ist bleich, ihr Mund grell geschminkt, aus feinstem Stoff ihr Kleid, das Haar pechschwarz im Bubikopfschnitt.

Er müsse jetzt gehen, sagt er und löst sich aus ihren Armen. Krieg führen müsse er, wie jeden Tag. Die stahlverkleidete Tür fällt ins Schloss. Rona ist alleine, wird es auch bleiben bis in die späte Nacht.

Im Spiegel blickt sie in ihre leblosen, dunklen Augen. Ein Tag wie jeder andere, ohne Ausnahme. Seine Wochenenden gehören Zuzu, er benötige das zur Entspannung, meinte er, als Rona Verdacht geschöpft hatte. Doch Rona braucht Zonts Stärke, jene Kraft aus Stahl, welche sie magisch anzieht. Zont ist ein richtiger Mann, kräftig, ein Krieger, sein Herz nur ein Muskel. Rona braucht genau das, keine Liebe. Leer ist es in ihr.

Aus weißem Wachs ihr Körper, ihr Inneres unbeseeltes Fleisch. Rona langweilt sich stets. Das Buch legt sie zur Seite, auf den modernen Glastisch im Wohnzimmer. Einsam liegt es da, das Buch, auf der Glastischplatte ohne Tapper. Ein Fernsehgerät mit Flachbildschirm, vom neusten Stand, Rona im eigens für sie entworfenen Schaukelstuhl. Im schwarzen Leder wippend, drückt sie auf die Knöpfe der Fernbedienung. Nichts neues. Unterhaltung bräuchte sie, die Rona, doch nichts aufregendes wird dargeboten.

Sie seufzt, dreht ihren Rechner auf. Bunte Bilder aus dem weltweiten Netz. Rona hüpft von einer Seite zur anderen. Klick, klick, klick! Nichts.

Rona hatte einmal gelebt, als Kind, doch schließlich hatte man ihr es rausgezogen das Leben, langsam, ganz langsam, bis nichts mehr davon übrig war. Nun ist Rona aus Wachs. So wie man sie haben wollte, hohl, unbelebt, glatt. So jemanden hatte Zont gewollt und Rona war willig. Zonts Sog zog sie mit sich.

Manchmal träumt Rona in der Nacht. Verwirrt inmitten dunklen Dickichts, umringt von Furcht erregenden Gestalten, die sich ihr nähern, ihre Hauer fletschen, Krallen nach ihr ausstrecken. Zottige Häupter, knochige Körper haben sie, die schaurigen Wesen. In kaltem Angstschweiß gebadet, erwacht Rona, meistens alleine, da Zont viele Nächte bei Zuzu verbringt.

Tabletten hat man ihr verschrieben gegen die bösen Träume, zum Verdrängen, Vergessen. Doch so leicht fällt es ihr nicht, trotz der Verdumpfung ihrer Sinne durch die Medizin. Der Schrecken hallt nach, taucht unversehens in ihrem Kopf auf. Furcht als einziger Lebenshauch.

Rona ist unruhig, klickt und klickt die Maustasten. Bilder von Orchideen. Rona verspürt Lust, sich welche zu kaufen und notiert die Namen der Schönheiten. Hastig tippt sie die Nummer des Blumenhändlers in die tasten des Telefons, rattert ihren Wunsch in die Sprechmuschel. Sie wünsche die Lieferung sofort. Die Angestellte bittet um Geduld, Rona schreit sie an, sie bezahle schließlich.

Nach zwei Stunden hält Rona zwei Orchideen im Topf in ihren Händen. Zierliche Blumenpracht in dunklem Rot. Rund, leicht nach außen gebogen die oberen Teile der Blütenblätter. Unten haben sie zierliche gelbe Adern, die sich nach innen verdichten. Fleischig und sattgrün sind die ovalen Blätter, die aus der Erde der Töpfe ragen. Rona berührt eine der Blüten. Zart wie Seide fühlen sie sich an. Sie stellt die beiden Schönheiten auf den Glastisch, betrachtet sie.

So zart sind die Blüten, so zierlich und verletzlich. Rona kann diese Schönheit nicht ertragen, diese Zartheit, die Anmut des Farbenspiels. Hass keimt in ihr auf, Wut auf so viel lebendigen Liebreiz. Sie nimmt einen Topf, zerschmettert ihn am Boden, auch der andere zerschellt durch ihre Hand. Nun liegen sie da, die Schönheiten, inmitten von Scherben und Erdbrocken. Rona trampelt auf die Blüten, die Stängel, die Blätter, zertritt sie, zerquetscht sie mit der Schuhsole. Totgetrampelt kleben sie nun am Boden, ihr Saft vermischt mit der Erde. Vollkommene Anmut zerrissen, zerstückelt. Scherben. Rona verlässt den Raum.

Aufgewühlt ist sie, etwas lodert in ihr, kräftig, wild. Wäre Zont doch da, könnte er ihr doch beiwohnen, ihr dabei wehtun, sodass der Schmerz ihren Körper durchfährt. Zont hatte ihr stets wehgetan, als er sie beschlief. Rona sehnt sich nach jenem Schmerz, nach Zonts Stählernheit, nach seiner rücksichtslosen Stärke.

Sie schlüpft in ihren Nerzmantel. Schwarzes Fell glänzt in der Wintersonne, welche durch die Fenster dringt.

Rona läuft auf die Straße. Sie hat nicht weit zum Kohlmarkt. Ein schöner Wintertag. Rona lässt das gleichgültig. Menschen hetzen an ihr vorbei. Rona läuft die feine Meile auf und ab, mit Verachtung für die Vorbeilaufenden. Zerstören, ohne Mitleid, töten, leblos machen, so wie sie die Orchideen zertreten hat, um die Leere zu füllen. Rona steckt die Hand in die Tasche des Mantels, befühlt kaltes Stahl.

Eine Frau geht an ihr vorbei. Sie trägt einen schäbigen, abgetragenen Wams aus Kunstpelz. Zwei prall gefüllte Tragtaschen schleppt sie mit sich, ihre Stirn in Sorgenfalten gelegt. Ihre langen, fettigen Haare trägt sie hinter die Ohren gelegt. Rona zielt auf sie, feuert ab, trifft. Die Frau fällt zu Boden. Lebensmittel kollern aus den Tragtaschen. Menschen schreien, das Blut rinnt aus dem Kopf der Frau auf die Pflastersteine. Rona steht da. Sie wollte jemanden sterben sehen. Sirenen heulen, Polizisten laufen herbei. Geschrei, Aufregung. Rona nimmt nichts wahr. Handschellen umfassen ihre Handknöchel. In ihr nur Leere, unendliche Leere.


 

Servus Blackwood,

danke fürs Lesen und Deinen Kommentar. Was den Abschnitt betrifft, vielleicht streich ich ihn sogar, bin mir nicht sicher.

aus der Sicht der Frauen.
Wenn Frauen selbst über Leere, Gefühlskälte oder der Sehnsucht nach Erfüllung schreiben, scheint mir immer ein Fünkchen Hoffnung mitzuschwingen, wo wir Männer ausschließlich eine höchst desillusionierende Sicht der Dinge haben.

Ich weiß nicht, ob wir diesbezüglich so verschieden sind. Mir ist eigentlich noch nie was aufgefallen. Kommt auf die Verfassung der Autorin/des Autors an, denk ich.

danke Dir nochmals

liebe Grüße

Echna

 

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