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Rosengrieß

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12.03.2009
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Rosengrieß

Das Schweigen, mit dem du in die Küche gekommen warst, hatte den Höhepunkt seiner Ungemütlichkeit gerade überschritten und begann zu meiner Erleichterung, es sich bequem zu machen.

Ich entspannte mich deswegen ein wenig, während ich einen großen Esslöffel Vanillinzucker über meinen viel zu heißen Grießbrei schüttete. Der süßliche Dampf stieg in adretten Schwaden aus meinem Teller auf. Gemischt mit dem Qualm deiner Zigarette ergaben sich immer wieder neue Formationen, die durch den Zug von dem undichten Fenster her einen fantastischen ornamentalen Variantenreichtum hatten. Ich konzentrierte mich so lange darauf, keine davon zu verpassen bis die zartgelbe Masse in meinem verblassten Blümchenteller sich einer annehmbaren Temperatur angenähert hatte. Nachdem ich ein letztes Mal bedächtig umgerührt hatte, probierte ich eine kleine Portion, indem ich sie an meinen Gaumen klebte und mit meiner Zungenspitze immer wieder darüber strich. Auf diese Weise aß ich langsam meinen Teller leer.

Mit jedem Löffel, der über meine Lippen glitt, wurdest du wütender. Das Scharren des Metalls auf dem Porzellan, als ich die letzten Reste genüsslich auskratzte, gab dir den Rest. Der Stuhl kippte um und schlug laut auf den Fliesen auf, als du aufgesprungen bist. Dass du es nicht mehr aushältst mit meiner unmenschlichen Hartherzigkeit, hast du gebrüllt, dazu die schon lange geballte Faust auf die Tischplatte prallen lassen. Dass ich gefälligst toben soll und schreien, aber nicht so tun, als sei nichts. Ob ich überhaupt begriffen hätte, was du zu mir gesagt hast. Im Anschluss bist du in Tränen ausgebrochen. Ich nahm deine Hand, um dich zu beruhigen. Das Taschentuch, das ich dir angeboten habe, hast du abgewehrt, um dein eigenes aus der Jeans zu zerren. Mit gebrochener Stimme hast du gesagt, dass du mit allem gerechnet hast. Dass ich sofort ausziehen würde. Dass ich beginnen würde, dich zu hassen. Dich wenigstens zu beschimpfen und an deiner Liebe zu zweifeln. Mit mächtiger Wut bei allem. Mit großen Emotionen. Doch statt dessen bin ich einfach ruhig geblieben. So lange, bis du das alles selbst übernommen hast.

Ich war selbst überrascht, dass mich dein Geständnis so wenig aufgewühlt hatte. Ich musste erst darüber nachdenken. Statt an deiner Liebe zu zweifeln, zweifelte ich an meiner. Prüfte meine Zweifel, machte die Gegenprobe und fragte mich spöttisch selbst, ob ich ein schlechtes Gewissen haben musste, weil meine Reaktion nicht den Erwartungen entsprach. Studierte, um meine Gedanken abzukühlen, zwischendurch die Holzmaserung des Küchentischs und rechnete ungefähr aus, wann die zarten Knospen des dürren Bäumchens vor dem Fenster vermutlich in etwa aufbrechen würden. Die Erkenntnis kam zeitgleich mit einem Sonnenstrahl, der auf das staubige Fenster fiel. Ich musste niesen und lachte. Dann drehte ich mich zu dir, um dich zu umarmen, falls du noch da wärst.

 

Hallo Marykate,

die vielen "Du"'s im Text wirken wahnsinnig aufdringlich auf mich und berauben den Text jeder Poesie, die in den Bildern ja durchaus drinsteckt, aber dieses penetrante "Du" vergällt mir das schon.
Dieser totale Fokus im Ich und du, ohne dass mir klar wird, wer ich oder du ist; ohne dass mir die Figuren in irgendeiner Form nähergebracht werden. Auch wenn es um Emotionen geht, klar es geht immer um Emotionen, aber wenn es vor allem um Emotionen geht, muss dem Leser gestattet werden, eine klare Trennung zu sehen, der Leser ist erst draußen und schaut sich das ganze vom Fenster aus an und dann kann er sich entscheiden, ob er ins Zimmer kommt.
Bei dir ist der Leser von Beginn an nicht nur im Zimmer, sondern er sitzt den Figuren schon auf dem Schoß. Das ist unangnehm.

Ehm, ansonsten ist der Text sprachlich manchmal etwas verschwurbelt und üppig, hat aber auch seinen starken Momente. Die Erzählstimme ist nett und der ironische Schlenker am Ende nimmt der Trennung die überbordene Dramatik aus den ersten Zeilen. Das mit dem Pudding, in dieser banal-poetischen Zusammenstellung "Rosen" und "Grieß" und wie er auch verspeist wird, ist wirklich gut gemacht, das ist eine schöne Idee.

Gruß
Quinn

 

Hallo Marykate,

und herzlich willkommen.
Denn Titel finde ich gelungen, denn er hat mich neugierig gemacht.
Die Geschichte in ihrer Thematik finde ich ebenfalls in Ordnung, in der Ausführung gibt es für mich Höhen und Tiefen.
Im Tempus bist du durcheinander, benutzt mal Plusquamperfekt, mal nur Perfekt. Noch schwieriger wird es in der indirekten wörtlichen Rede, die üblicherweise den Konjunktiv benötigt.
Problematisch an deren Verwendung finde ich aber vor allem die Distanz. Auch wenn deine Erzählerin sehr gelassen reagiert, es wirkt alles fast kalkuliert, berechnet. Und diese Distanz steht im Kontrast zu der zweiten Person, in der dieser Text geschrieben ist.
Grundsätzlich eine Form, die man eher sehr selten einsetzen sollte. Ich finde sie bei diesem Text schon passend, allerdings sollten gerade in dieser Form die Personen näher gebracht werden. "Du" und anonyme Protagonisten empfinde ich beim Lesen immer als Verstoß gegen das Briefgeheimnis. Ich lese einen Text, der mich nichts angeht.
Auch fällt es für gewöhnlich schwerer, sich mit einem Unbekannten zu identifizieren oder sich darin wiederzufinden, auch wenn viele Hobbyautoren hoffen, mit der Anonymität der Figuren das Gegenteil zu erreichen.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo,

danke für Eure Anregungen. Das "Du" wollte ich eigentlich grundsätzlich klein schreiben, weil der Text definitiv nicht als Brief gedacht war. Prompt ist mir das allererste "Du" natürlich in groß durchgerutscht, das habe ich gerade korrigiert.

Es sollte einen inneren Dialog darstellen, daher wollte ich auch keine wörtliche Rede verwenden. Da habe ich mir offentsichtlich etwas zu viel vorgenommen. Mir fällt jetzt leider nichts konkretes ein, womit ich um die vielen "du"s herumkommen könnte. Ich bin allerdings auch ein ziemlich blutiger Anfänger. Ich hoffe, dass ich damit hier nicht falsch bin.

Das mit der Distanz war allerdings beabsichtigt.

Freut mich, dass Dir das Rosengrieß-Metapher gefallen hat, Quinn, das ist auch das, was ich selbst am besten fand.

Viele Grüße,
Marykate

 

Hallo Marykate und herzlich willkommen hier!

Mein Kommentar wird aus Zeitmangel knapp ausfallen, aber ich möchte in einem Punkt eine Gegenmeinung zu Quinn und sim vertreten. Üblicherweise bin ich auch gern eine, die nach besser ausgearbeiteten Figuren schreit, die es kritisiert, wenn Figuren für den Leser nicht fassbar sind, zu blass bleiben. Hier finde ich aber, dass das für das Thema und die Länge der Geschichte (die ich genau richtig finde) passt. Du behandelst in deiner Geschichte eine Situation in einer Beziehung. Wie die beiden damit umgehen, wird schon sehr gut deutlich. Das zeigst du in wenigen, ausgesuchten Details, die aber stark wirken. Das in epische Länge zu ziehen wäre zu viel. Ebenso ist es unerheblich, ob sie berufstätig ist oder Hausfrau, ob er lieber Fußball spielt oder Fußball guckt - um mal völlig willkürliche Beispiele zu bringen. Das hat für deine Geschichte und dein Thema absolut keine Relevanz. Das, was relevant ist, ist vorhanden. Mir reicht es und ich muss sagen, dass mich gerade das beeindruckt hat: Dass es dir gelingt, mit relativ wenig Worten eine Situation und die Menschen mit ihren Emotionen in Bezug auf genau diese Situation (!) so plastisch zu schildern.

Sehr schön finde ich auch die Entsprechung "Gedanken abkühlen" mit dem Grießbrei, der auch erst seine "Esstemperatur" erreichen muss.

Ich habe deine Geschichte automatisch so gelesen, dass die Frau den Brei löffelt, während der Mann von seinem schlechten Gewissen zerfressen wird. Tatsächlich könnte es auch umgekehrt sein, das geht aus dem Text nicht hervor. Oder es könnte sich um ein homosexuelles Paar drehen, auch das ist möglich. Das kann man als Schwäche des Textes auslegen (s. Quinn, sim), ich finde es aber für das Verständnis des Textes nicht maßgeblich. Es gibt einfach mehrere Varianten, die aber alle passen und alle stimmen (können) - je nach Gusto des Lesers.

Auch das offene Ende gefällt mir gut.

und der ironische Schlenker am Ende nimmt der Trennung die überbordene Dramatik aus den ersten Zeilen.
Nach meiner Lesart werden sie sich gar nicht trennen. :)

Sprachlich lässt sich tatsächlich noch einiges ausbügeln. Die Handlung des letzten Absatzes setzt ein, bevor sie ihren Brei löffelt, ist eine Rückblende auf den Zeitpunkt, als sie von seinem Fehltritt erfuhr (ich bleib einfach mal bei meiner Konstellation ;) ). So wirkt zunächst auch der letzte Satz wie etwas, was vor seinem Wutausbruch stattfand - es müsste aber tatsächlich danach sein. Das muss man durch sehr exakten Umgang mit den Zeiten verdeutlichen. Da würde ich noch mal rangehen.

Viele Grüße
Kerstin

P.S.: Knapp ist der Kommentar nun doch nicht ...

 
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Hallo Marykate,

Ich war sehr beeindruckt von Deinem Text. Es steckt viel drin. Was die Psyche und die Beziehung des Paares angeht, weichst Du von Klischees ab und lässt den Leser einen untypischen Gedanken- und Gefühlsgang einfühlsam nachvollziehen). Mit Deiner Wortwahl beschreibst Du die Situation meiner Ansicht nach unheimlich schön und beschwörst Bilder herauf, die mich als Leser bewegt haben und Deine Geschichte zum Genuss machen. Z. B. den ersten Satz finde ich schon herrlich, und den letzten auch.

Das "du" hat mich gar nicht gestört.

Danke für die Geschichte und alles Gute

Elisabeth

 

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