Russisch Roulette
Simon hält die Pistole in der Hand. Vor ihm eine Kamera, die läuft, hinter ihm seine Freunde.
Er beginnt zu schwitzen, nervös zu werden. Wilde Gedanken schiessen ihm durch den Kopf.
Was, wenn etwas schief geht? Dann wäre alles, was er riskiert hat, kaputt – sein Leben eingeschlossen.
Simon hebt die Waffe zum Kopf – ein nervöses Raunen geht durch die Runde seiner Freunde und all der übrigen Schaulustigen.
Mehr als einmal hat er dieses Spiel schon gespielt, doch er würde es nie wieder spielen, denkt er, wie immer, wenn er dieses Spiel spielt. Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals.
Simon schliesst die Augen, atmet noch einmal tief durch und drückt den Abzug des Revolvers ab. Ein Klicken – sonst geschieht nichts. Simon lächelt, die Anspannung löst sich langsam aus seinen Gesichtszügen. Seine Hand lässt die Waffe fallen und wandert zur Kamera, um sie auszuschalten. Erst jetzt regt sich auch sein Publikum und atmet auf.
Simon bleibt noch einige Sekunden auf dem Hocker sitzen, von dem er tot hätte herunterfallen können. Er geniesst den Ruhm und das Gefühl, etwas Ausserordentliches vollbracht zu haben. Einige Leute beginnen zu fluchen über seine Art, wie er sein Leben aufs Spiel setzt, andere entfernen sich nur kopfschüttelnd.
Er steht auf, geht zum Billardtisch mit all den Einsätzen, die seine „Freunde“ gewettet haben.
Eigentlich braucht er das Geld und die Uhr, die auf dem Tisch liegen, nicht. Nur der Kick ist entscheidend für ihn.
Drogen sind für ihn nur noch selten ein Thema – die Angst um sein Leben war bisher immer ein besserer Rausch.
Simon geht nach Hause, wo seine Freundin mit ihrem 4-jährigen Sohn, dessen Vater er nicht ist, Quartett spielt. Der Sohn kreischt vor Freude über das Spiel und die Gewissheit, dass er bestimmt gewinnen würde.
Simon hat nur ein müdes Lächeln für dieses Spiel übrig, fühlt sich jedoch genauso, wie der Sohn seiner Freundin.
Er will seine Flamme küssen, sie weicht ihm aber aus. Vielleicht hat sie heute nur einen schlechten Tag… Leicht irritiert nimmt er den Jungen in den Arm, um von ihm begrüsst zu werden.
Simon setzt sich zu seiner Freundin – sie rutscht ein wenig von ihm weg. Die beiden schweigen sich an, während sie versucht, möglichst schlecht zu spielen. Ihr Sohn hat gewonnen, neues Spiel. Schweigend sitzen die drei beieinander.
Nach ein paar Minuten ergreift sie das Wort. Sie wisse, dass er manchmal um sein Leben spiele. Sie sei nicht einverstanden damit und sie wolle keinen Freund, um dessen Leben sie immer bangen müsse.
Simon, immer noch unter dem Rausch seines Erfolgs, will nicht begreifen. Er realisiert erst einen Augenblick später, was sie ihm damit sagen will. Er versucht, zu leugnen. Er versucht, sich herauszureden mit Unwahrheiten.
Sie wolle, dass er aufhöre mit diesem Leichtsinn. Er überlegt, zu lange überlegt er. Sie glaube ihm nicht, sie könne ihm nicht mehr vertrauen. Das hatte er nicht erwartet. Sie könne nicht mehr mit ihm zusammenleben. Für ihn bricht eine Welt zusammen. Es sei Schluss zwischen ihnen, gleich morgen werde sie ausziehen.
Sie legt die letzte Karte im Spiel gegen ihren Sohn, der ein überraschtes und enttäuschtes Gesicht macht.
Verloren!