Rustys Fall
Die kleine Prinzessin
Eine Detektivgeschichte
Wieder einmal schliessen wir die Augen und lassen uns forttreiben. Wände, Strassen, Häuser, Städte; all dies verschwindet. Auch wir selbst und unser tägliches Leben schrumpfen bis zu einem Punkt zusammen. Wir verlassen den Punkt und öffnen unser inneres Auge.....
Das Licht an der Decke meines Büros flackerte. Konnte einen auf die Dauer verrückt machen, aber da ich in letzter Zeit nicht viele Jobs hatte an Land ziehen können, musste die Reparatur wohl warten.
Manchmal hatte ich nicht übel Lust das verdammt Ding einfach von der Decke zu schiessen, aber Gladys hatte es mir verboten.
Gladys war der bessere Teil des Geschäftes, das sich hochtrabend „Detektei Hawk“ nannte. Außerdem war sie meine Sekretärin und wohl die einzige, die mich ertrug wenn ich mal nüchtern war.
Das geschah zum Glück nicht allzu häufig.
In der letzten Zeit war allerdings sogar die Kohle für meinen Whiskey knapp geworden. Verdammt, noch 2 solche Wochen und Harry von der Eckbar würde mir nur noch den billigsten Fusel einschenken. Allein das sollte mir Ansporn genug sein mal wieder zu arbeiten.
Und die Kugeln für meine 38ger bezahlten sich auch nicht von selbst.
Also sass ich hinter meinem Schreibtisch und starrte frustriert die leere Flasche an, die mich vom Fussboden aus auszulachen schien.
„Versager, Ausgebrannter Ex-Bulle, Säufer“, all das flüsterte sie.
Zumindest hoffte ich das. Falls nicht wäre es wohl endlich soweit und ich hatte den schon längst überfälligen Sprung in der Schüssel.
Zum Glück war ich mir sehr sicher, das Flaschen sprechen können. Wer hätte mir wohl sonst so oft „Trink mich“ ins Ohr geraunt?
Schliesslich hatte ich genug davon mich von einer Flasche verspotten zu lassen und sah mich in meinem Büro um.
Ein verstaubter Aktenordner, eine durchgelegne Couch, ein Waschbecken, ein Gästestuhl und ein Garderobenständer teilten sich den wenigen Platz mit meinem Schreibtisch und dem Drehstuhl in dem ich sass. Wobei sitzen wohl geprahlt war. Vielmehr lümmelte ich in meinem Sessel und hatte meine Füsse auf dem einzigen freien Fleck geparkt, der auf meinem Schreibtisch noch zu finden war.
Tolle Art der Jobsuche, aber so kurz nach dem Aufstehen bin ich noch nie zu ernsthaftem Arbeiten in der Lage gewesen.
Draussen im winzigen Vorzimmer schlug die Uhr 2 und ich hörte wie Gladys vom Mittagessen ins Hanks Cafe zurückkam. Seufzend nahm ich meine Füsse vom Tisch und stellte sie wie ein braver Junge am Boden ab. Gladys konnte echt sauer werden wenn sie mich herumgammeln sah und da sie ansonsten das verständnisvollste Frauenzimmer war, das ich je getroffen hatte, wollte ich lieber nichts riskieren.
„Hattest du wieder die Füsse auf dem Tisch Rudolph?“
Verdammt, das Mädel hatte echt Ohren wie ein Luchs.
„Nein Gladys-Baby, hatte ich nicht. Und du weißt doch, das ich den Namen Rudolph hasse. Nenn mich endlich Rusty wie alle anderen O.K. sweetheart?“
Sie steckte ihren Kopf durch meine Bürotür und lachte. „Ich heisse ja auch nicht Baby oder sweetheart, OK Rudolph?“
Rumms und zu war die Tür.
Blondinen. Ich hatte noch nie Glück mit Blondinen!
Rudolph! Rudolph Randall Hawking der Dritte. Wie konnte man nur so heissen.
Rusty Hawk. Das hatte was, das klang nach einem coolen, gemeinen Schnüffler.
Aber Rudolph. Rudolph! Bin ich ein Rentier oder was?
Wobei, wenn ich so weitersoff wäre eine rote Nase tatsächlich im Bereich des möglichen.
Da ich nun aber schon einmal aufrecht sass, angelte ich mir die Zeitung, die Gladys irgendwann heute morgen ins Büro geworfen haben musste, und fing an zu lesen.
11ter Mai 1938. Was der elfte schon? Mist!
Meine Pferde hatten natürlich wieder nicht gewonnen. Traue keinem Ex Jockey und seinen Geheimtipps. Natürlich hatte ich das getan. Mein Buchmacher würde bald das Geld sehen wollen und im Moment war ich so blank wie ein brandneuer Nickel.
Zeit einen Job zu finden.
Während ich also mehr oder weniger erfolglos die Zeitung durcharbeitete hörte ich Gladys im Vorzimmer an der Schreibmaschine. Sie hätte mal eine neue verdient, sinnierte ich, aber erst waren wohl meine Schulden fällig.
Plötzlich bemerkte ich, dass das regelmäßige Tippen verstummt war. Dafür konnte ich nun klar und deutlich die Stimme meiner Sekretärin hören.
„Wünschen sie Mr. Hawking zu sprechen?“
„Hawk verdammt noch mal, Hawk!“, dachte ich.
„Bitte warten sie kurz, ich werde sie melden.“ Die Tür öffnete sich einen Spalt und Gladys´ Kopf erschien in der Tür. „Rudolph, hier sind zwei Herren, die dich sprechen wollen.“
„Schick sie rein Baby“ Ihr Kopf verschwand und kurz darauf standen zwei Männer in meinem Büro.
Die beiden trugen fast identische Nadelstreifenanzüge und hielten ihre Hüte entspannt in den Händen. Der grössere der beiden trug auffällig teure Schuhe, die so gar nicht zu seinem durchschnittlichen Anzug passen wollten. Der Kleinere war ein stiernackiger Typ mit Gelfrisur der zum Lachen wohl in den Keller ging. Nachdem die beiden mein Büro begutachtet hatten grinste „Shoes“ und lies sich auf dem einzigen freien Stuhl nieder. Gelfrisur musste stehen, schien damit aber auch kein grösseres Problem zu haben.
„Also, was kann ich für euch tun Jungs? Jemand verschwunden, untreue Frau oder auch untreuer Kerl?“ Bei den letzten Worten hatte ich Gelfrisur angegrinst, bekam aber keine Reaktion zurück.
Wieder mal brillianten Humor an den falschen verschwendet.
Shoes lächelte schmal und sah mich durchdringend an. „Tatsächlich gibt es da etwas, bei dem sie uns behilflich sein können Mr. Hawk. Etwas lohnendes um genau zu sein. Sie kennen doch Mr. Phillip Stevenson, wie ich vermute?“
Kennen? Das war wohl leicht untertrieben. Abgesehen davon, dass Stevenson der wohl reichste Hundesohn der Stadt war und jetzt auch noch für das Bürgermeisteramt kandidierte, hatte ich schon so meine persönlichen Erfahrungen mit ihm.
„Wie geht’s den Stevie so? Wie kommt´s das er sich an meinen Namen erinnert? Er hat doch wohl nicht plötzlich ein Gewissen entwickelt? Immerhin hat er mich aus der Polizei werfen lassen.“
Shoes verzog leicht das Gesicht bei meiner vertraulichen Anrede aber beherrschte sich ansonsten hervorragend. Gelfrisur schien in etwa so aufgeregt wie ein Wasserspeier. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, ihm die Haare zu zerzausen, nur um zu sehen ob er reagieren würde. Der Gedanke liess mich grinsen.
„Schön, das sie ihre letzte Begegnung mit Mr. Stevenson mit Humor nehmen. Mr. Stevenson ist sich der etwas... unglücklichen Umstände ihrer letzten Zusammenarbeit bewusst, hat aber nichtsdestotrotz speziell um ihre Hilfe ersucht. Wenn sie also zu einem Treffen bereit wären?
Ich werde Ort und Zeitpunkt ihrer Sekretärin zukommen lassen. Guten Tag Mr. Hawk.“
Shoes stand auf und verschwand völlig ruhig durch die Tür, die ihm sein gegelter Schatten aufhielt.
Unglückliche Umstände??
Der alte Sack hatte mich feuern lassen, so sah es aus. Da half auch alles kultivierte Gequatsche nichts.
Gladys schaute durch die Tür herein.
„Die beiden Herren haben mir einen Zettel mit einer Adresse gegeben. Du sollst um 3 Uhr da sein. Kriegst du das hin?“
„Natürlich Baby. Ich mach mich gleich auf den Weg. Ich muss eh noch einkaufen.“
Gladys´ Blick war anzusehen, das sie ahnte was ich kaufen wollte doch sie enthielt sich jeder Kritik. Braves Mädchen.
Ich fischte also Hut und Sakko vom Garderobenständer und schnappte mir den Zettel mit der Adresse, den sie mir hinhielt.
Rose Gardens. Feine Gegend. Vielleicht war hier ja mal richtig was drin für mich.
Nach meinem Stopp an der nächsten Bar begab ich mich zu der angegebenen Adresse.
Teure Gegend, aber nach meiner Erfahrung sind alle Menschen gleich. Die Reichen stinken nur besser als die Armen.
Als ich die lange Auffahrt zum Haus hinauffuhr wurde mir klar, das dies wohl Stevensons Sommerhaus war. Schick, aber nicht mein Stil. Viel zu protzig. Schon der Gärtner, der gerade an der Hecke herumschnitt verdiente bestimmt besser als ich.
Ich parkte meinen Wagen am Ende der Auffahrt vor der Tür des Hauses. Direkt neben mir stand Stevensons Wagen. Ein Düsenberg, neuestes Modell.
Verdammt, neben den Kurven dieses Luxusschlittens sah mein alter Ford aus wie Eleanor Roosevelt neben Jean Harlow.
Da sage noch mal einer Geld macht nicht glücklich!
An der Tür blieb ich stehen und machte mit der Faust auf mich aufmerksam. Kurz darauf wurde die Tür von einem Butler in Livree geöffnet, der mich von oben bis unten musterte als hätte ich eine ansteckende Krankheit.
„Sie wünschen?“
„Sex, Geld und Whiskey wären nicht schlecht für den Anfang. Wenn sie nichts davon im Haus haben, nehme ich aber auch ein Treffen mit Phil.“
Der Typ hätte nicht pikierter gucken können wenn ich nackt vor ihm Jitterbug getanzt hätte. Ein herrliches Bild. Die Möchtegern feinen Leute sind so einfach zu ärgern.
„Haben sie einen Termin bei Mr. Stevenson?“
„Klar, sind wir verabredet. Hawk der Name, Rusty Hawk.“
Der Pinguin zögerte noch kurz. Es war ihm anzumerken, wie sehr er sich ärgerte, mich einlassen zu müssen. Von mir konnte er da aber kein Mitleid erwarten.
„Treten sie bitte ein, Sir. Ich werde Mr. Stevenson über ihre Anwesenheit informieren.“
Er schloss die Tür hinter mir und verschwand die Treppe rauf.
Da ich warten musste, beschloss ich mich ein wenig umzusehen. Der menschengrossen Statue einer nackten Frau, die nahe der Treppe stand, widmete ich dabei die meiste Aufmerksamkeit.
„Kann ich ihnen helfen Mr...?“
„Hawk, Rusty Hawk. Und sie sind?”
„Katrina Stevenson. Was tun sie hier Mr. Hawk?“
„Ich widme mich der Kunst Miss Stevenson. Obwohl ich lieber am lebenden Model studiere.“
Sie nahm meine Respektlosigkeit ohne Wimpernzucken hin. Natürlich hatte ich schon von Stevensons Tochter gehört, war ihr aber bisher noch nie begegnet.
Schöne Beine; soweit ich sehen konnte. Sie trug einen Tennisdress und einen Schläger .Das auffälligste Merkmal an ihr waren aber ihre langen roten Haare.
Da ist wohl ein Schuss Irland mit dabei, dachte ich.
„Wollen sie zu Daddy?“
„Ja, er hat mich rufen lassen. Sie wissen nicht zufällig worum es geht? Ich soll für ihn ermitteln.“
„Ach, sie sind Detektiv?!“
Die Art wie sie das sagte, verriet mir, dass ich in ihrem Ansehen soeben einige Stufen herabgerutscht war. Jetzt sah sie mich so kühl an wie ein Wolf einen Terrier.
„Da kann ich ihnen leider nicht helfen. Guten Tag Mr. Hawk.“
Sie drehte sich um und liess mich stehen wie ein kaputtes Spielzeug.
Rothaarige. Ich hatte noch nie Glück mit Rothaarigen.
Kurz darauf kam der Pinguin zurück und führte mich zum grossen Mann.
Stevenson empfing mich in seinem Arbeitszimmer. Zumindest erschien es mir so. Papiere auf einem Schreibtisch (wesentlich geordneter als meine) und Bücher an den Wänden.
Wir begrüssten uns recht kühl und er zeigte auf einen Sessel vor seinem Tisch. Er sah noch immer so aus wie vor drei Jahren. Mittelgross, graue Haare mit gepflegter Frisur. Vielleicht hatte er ein Paar Pfund mehr auf den Rippen als damals.
„Bitte, setzen sie sich doch. Kann ich ihnen etwas anbieten? Whiskey vielleicht?“
Ich ignorierte die Anspielung und lehnte ab. Von ihm wollte ich nichts, auch wenn er weit besseren Stoff als ich zur Verfügung haben dürfte.
„Was wollen sie Stevenson? Was soll gerade ich hier? Man kann ja nicht behaupten wir seien Busenfreunde.“
„Nein, das wohl nicht. Aber ich habe mich nach damals über sie informiert. Sie waren gut. Sollen es sogar heute noch sein. Und erstaunlicherweise einer von den wenigen ehrlichen Polizisten der Stadt.
Sie scheinen mir daher der Richtige für diesen Auftrag, da er ein wenig... komplex ist.“
„Komplex! Kommen sie schon, worum geht es? Vergessen sie nicht ich berechne mein Honorar nach Stunden.“
Stevenson lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah mich nachdenklich an.
„Es geht um meine kleine Prinzessin“, sagte er schliesslich.
„Katrina? Mir wäre ja viel eingefallen, aber kleine Prinzessin hätte ich sie nicht genannt“
„Reden sie keinen Unsinn. Natürlich geht es nicht um meine Tochter. Die ´Kleine Prinzessin` ist kein Mensch sondern ein äußerst wertvolles Bild von Jaques Laffitte. Es wurde mir gestohlen und ich möchte, dass sie es mir wiederbeschaffen.“
„Wieso ich? Wie ich aus eigener Erfahrung weiss, haben sie Einfluss bis in höchste Polizeistellen. Lassen sie die doch ihr Bildchen suchen.“
„Wie sie sehr wohl wissen Mr.Hawk, ist die Polizei dieser Stadt leider kein Ausbund an Effektivität oder Verschwiegenheit. Ich benötige das Bild jedoch bis übermorgen zurück und wünsche, das dies in aller Diskretion geschieht. Daher muss ich auf die Dienste unabhängiger Ermittler zurückgreifen und von denen sind sie vielleicht nicht der Beste aber der diskreteste.“
„Immerhin sind sie ehrlich Stevenson. Was ist für mich drin wenn ich den Job übernehme?“
„Hundert Dollar pro tag plus zweihundert wenn sie mir das Bild vor übermorgen Abend unbeschädigt zurückgeben.“
Vierhundert also. Na, da liess sich der alte Sack die Sache ja richtig was kosten. Von mir aus. Geld stinkt nicht, hatte mein alter Herr immer gesagt.
„Ich bin dabei. Was können sie mir an Informationen geben?“
Nachdem Stevenson mich mit allen Informationen und einem Vorschuss versorgt hatte verliess ich das Haus wieder. Der Pinguin schien froh mich los zu sein und auch ich konnte wieder freier atmen. Ich bewegte mich nur ungern in diesen elitären Kreisen. Zu verlogen, versnobt und hochnäsig die ganze Bande. Dabei waren die Leute genau die gleichen wie die armen im Hafenviertel. Nur besser angezogen.
Stevenson hatte gesagt, ich solle bei C.H. Hastings mit meiner Suche beginnen.
Als ich bei der Adresse in der 15ten Strasse vorfuhr, die man mir gegeben hatte, wurde es schon langsam dunkel. Ich betrat das Gebäude und fand die Wohnung mit dem Namen Hastings im ersten Stock.
Allerdings stand die Tür einen Spalt weit offen.
Mama Hawkins hat ja keinen völligen Trottel zum Sohn, also zog ich meine 38ger aus dem Schulterhalfter und betrat langsam und geduckt die dunkle Wohnung. Ich konnte nichts hören, sah aber das die Wohnung durchwühlt worden war. Vorsichtig tastete ich mich tiefer in die dämmerigen Räume vor.
Da hörte ich plötzlich die Wohnungstür hinter mir zuschlagen.
Ich wirbelte herum und stürzte zur Tür, wobei ich dummerweise einen niedrigen Schuhschrank übersah. Kurz darauf stand ich mit gezogenem Revolver und einem vor Schmerz pochenden Schienbein auf der Strasse vor dem Haus. Ich kam gerade noch rechtzeitig um die Gestalt einer Frau um die Ecke des Blocks verschwinden zu sehen. Noch immer leicht humpelnd machte ich mich auf die Verfolgung. Das Schiesseisen steckte ich wieder ein, um nicht noch mehr ungebetene Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Das war ein Fehler!
Als ich um die Ecke hastete erwartete mich die Frau bereits hinter einem Mauervorsprung. Bevor ich sie noch klar erkennen konnte sah ich wie etwas dunkles auf meinen Kopf zuflog.
Ein klassischer KO.
Bald darauf sass ich, noch immer etwas zerzaust und mit ziemlich geknicktem Ego, in Hanks Cafe und kühlte meinen Kopf. Hank war ein alter Freund von mir der nach seiner Zeit bei der Marine geheiratet und das Cafe eröffnet hatte.
Aus seiner Zeit bei der Marine wusste er noch sehr gut wie Beulen zu behandeln waren.
„Mensch Rusty, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“
„Nichts! Ich habe nur eine Frau verfolgt und dann zack. Jetzt sitze ich hier und habe einen Schädel wie ein Glockenturm.“
Hank wollte sich fast ausschütten vor Lachen.
„Rusty, Rusty, Rusty. Wann lernst du es endlich, das es kein Glück bringt einer Braut hinterherzulaufen?”
„Lass das mal nicht Gloria hören“, protestierte ich schwach, musste aber auch grinsen. Gloria hatte Hank schon ganz gut im Griff obwohl sie das glücklichste Paar waren das ich kannte.
„Die weiss schon wie ich es meine. Aber was hast du denn jetzt vor?“
„Zurück zu Wohnung denke ich. Mal sehen ob die Frau mir einen Hinweis hinterlassen hat. Vielleicht hab ich ja Schwein. Als ich vorhin wieder zu mir kam dröhnte mir noch so der Schädel, dass ich vergessen hab dort nachzusehen.“
„Na dann viel Glück. Und lass dich nicht wieder von kleinen Mädchen verprügeln.“
Das Lachen meines Freundes verfolgte mich noch bis zu meinem Wagen.
Als ich endlich wieder in der 15ten ankam war es bereits später Abend geworden.
Dummerweise ergab die Durchsuchung der Wohnung keine nützlichen Hinweise. Es war ohnehin zu dunkel für eine genaue Untersuchung und ich wollte nicht riskieren das Licht einzuschalten. Also fuhr ich schlechtgelaunt zurück in mein Büro und rollte mich auf der Couch zusammen. Morgen war ja auch noch ein Tag.
Diesen Tag verbrachte ich mit dem Befragen von Informanten und Freunden und der Suche nach Informationen, die ein Licht in diesen Fall bringen konnten. Leider waren meine Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt. Weder fand ich C.H. Hastings noch konnte ich zurück in seine Wohnung. Die Cops waren gerufen worden und bei denen hatte ich noch immer keinen guten Stand. Also endete dieser Tag genauso frustrierend wie der letzte. Immerhin gab mir das einen Vorwand um mal wieder eine Flasche zu leeren. Manchmal muss man seinen Frust einfach betäuben.
Als ich am nächsten morgen erwacht, fühlte sich mein Kopf an als sei er 5 Meter gross und in seinem Inneren spielte eine Marschkapelle. Der Geschmack in meinem Mund trug ein übriges dazu bei, dass ich mich fühlte wie ein plattgefahrener Igel auf dem Highway.
Dazu kam dass heute der letzte Tag meiner Ermittlungen war und ich noch nichts nennenswertes vorzuweisen hatte.
Ich wollte gerade meinen Hut schnappen und mich auf die Strasse wagen als plötzlich Gladys ihren Kopf durch die Tür steckte.
„Rudolph, hier ist eine Dame, die dich sprechen möchte. Soll ich sie reinschicken?“
„Gib mir einen Moment Gladys-Baby. Kannst sie gleich reinschicken.“
Ich machte mich notdürftig frisch und versuchte nicht den Anschein eines Toten auf Ausgang zu vermitteln. Dann bat ich die Besucherin herein.
Die Lady war der Hammer, erste Klasse, ohne allerdings das versnobte Gehabe zu präsentieren das zum Beispiel Katrina Stevenson auszeichnete. Dunkles, schulterlanges Haar, heller, klarer Teint und ein Körper für den ein Bischof ein Kirchenfenster eingeschmissen hätte.
„Wie kann ich ihnen helfen Miss...“
„Hastings. Charlotte Hastings. Mir wurde gesagt sie haben nach mir gesucht.”
Bei mir fiel der Groschen nicht sofort. Allerdings bin ich in Gegenwart einer wirklich schönen Frau auch so spontan wie eine betäubte Wanderdüne. Hank hatte mich schon oft genug mit dieser Schwäche aufgezogen. Endlich begriff ich dann aber auch.
„Sie sind C.H. Hastings? Entschuldigung aber ich habe sie für einen Mann gehalten. Also, nicht das sie wie ein Mann... Äh, Ich meine..
Ach vergessen sie es.“
Charlotte Hastings reagierte mit der Gelassenheit einer Frau die solche Reaktionen auf ihre Gegenwart gewohnt war.
„Kein Grund zu Sorge Mr. Hawk. Ja, ich bin C.H. Hastings. Misses Hastings übrigens. Mein Mann ist Bernard Hastings.“
„Der Fabrikant?“
Sie bestätigte. Das war überraschend denn Bernard Hastings war als grösster Chemie- und Düngemittelfabrikant der Stadt zwar in den selben Kreisen wie Stevenson zu hause, doch galten die beiden seit eines Vorfalls vor einigen Jahren als erbitterte Gegner. Jeder der beiden versuchte den anderen in allen möglichen Geschäften auszustechen und zu übertrumpfen.
Natürlich war mir der Name bekannt gewesen, doch hatte ich aufgrund der bestehenden Dauerrivalität der zwei Männer Bernard Hastings nicht mit C.H. Hastings in Verbindung gebracht.
Vielleicht waren aber auch nur zu viele meiner Gehirnzellen in Alkohol eingelegt gewesen um diesen doch recht einfachen Schluss zu ziehen.
„Verzeihen sie mir Lady, aber in welcher Verbindung stehen sie zu Phillip Stevenson? Immerhin sind sie die Frau seiner grössten Widersachers.“
Ihre Antwort war so einfach wie unerwartet: „Vor meiner Heirat mit Bernard war ich mit Phillip liiert. Wir haben uns nach dem Tod seiner Frau Natalie kennen gelernt und verstanden uns auf Anhieb. Er kann sehr Charmant sein müssen sie wissen.“
Die Worte Charmant und Stevenson wollten zwar in meinem Kopf nicht recht zusammenpassen, aber für diese Frau wäre ich wohl auch bereit gewesen meine guten Seiten hervorzukramen.
„Das Bild, welches Phillip nun vermisst wurde mir gestohlen. Er hatte es mir als Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit zur Aufbewahrung überlassen. Mir hatte das Gemälde stets ausserordentlich gut gefallen, so dass er, als wir uns in aller Freundschaft trennten, mir das Bild auslieh. Er hätte es mir geschenkt, aber leider ist es ein Familienerbstück seiner Frau. Ein Jahr später heiratete ich Bernard, doch Phillip sagte ich könne die kleine Prinzessin noch behalten.“
Jetzt hatte ich Stoff zum Nachdenken. Stevenson benötigte das Bild zurück, weil heute Abend seine gesamte Familie zu einem Sommerfest zusammenkommen würde. Wenigstens hatten meine gestrigen Recherchen das ergeben. Wenn das teure Erbstück nicht da war, würde er sich Fragen gefallen lassen müssen. Die Familie seiner verstorbenen Frau stand nicht in dem Ruf gut mit ihm auszukommen. Es herrschte eher eine Art heimlicher Krieg. Wenn er nun offenbaren müsste wie das Bild verschwunden war und vor allem wem es gestohlen worden war wäre seine Position als Familienoberhaupt bedenklich gefährdet.
Zeit tiefer zu bohren.
„Also Lady, jetzt mal Klartext. Wer könnte gewusst haben, dass sie im Besitz des Gemäldes waren? Phils Familie? Oder ihr Mann? Haben sie sich mal beim Damenkränzchen verplappert?“
Charlottes schöne dunkle Augen musterten mich jetzt abfällig.
„Ich bin kein Idiot Mr. Hawk. Ich habe niemanden von dem Bild erzählt. Und natürlich habe ich es auch nicht bei mir zuhause an die Wand gehängt. Haben Sie noch mehr so brillante Theorien oder war es das schon?
Wenn nicht, dann entschuldigen sie mich bitte. Ich habe noch einen Termin.“
Und so rauschte die Lady aus meinem Büro. Meine Augen folgten ihren Kurven bis sie meine Tür hinter sich geschlossen hatte.
Schade, ich war wohl nicht ihr Typ.
Tja Schwarzhaarige. Ich hatte noch nie Glück mit Schwarzhaarigen.
Immerhin wusste ich jetzt bedeutend mehr als noch vor einer Stunde. Ich liess Gladys im Büro zurück und genehmigt mir erst einmal ein ausgiebiges Frühstück bei Hank. Wenn er nicht gerade meine Wunden verbindet ist er ein sehr guter Zuhörer. Manchmal muss man Dinge einfach mal laut aussprechen um einen neuen Ansatz zu finden.
„Könnte Stevenson das Bild nicht selbst verschwinden lassen haben?“, fragte Hank. Ich verneinte.
„Dann hätte er mich wohl kaum engagiert. Nein, jemand anderer hat das getan. Ich hab nur noch keine Ahnung wer.“
„Was ist denn mit dieser Frau, die dich erwischt hat? Hast du die denn gar nicht erkannt?“
„Nein, das ging zu schnell. Die hatte einen echt harten Schlag drauf, du hast die Beule ja gesehen....“
Plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich sprang auf, drückte Hank einen schmatzenden Kuss auf seine faltige Stirn und verschwand durch die Tür bevor mich die Biergläser erwischen konnten, die er hinter mir herwarf. Manchmal muss man auf das Einfachste tatsächlich mit der Nase gestossen werden.
Ich enterte meinen Ford und machte mich auf den Weg zu Stevenson. Wie schon zwei Tage zuvor parkte der Düsenberg vor dem Haus und liess mein Auto alt aussehen.
An der Tür überprüfte ich noch einmal meinen Revolver dann klopfte ich. Der Pinguin-Typ öffnete und war offensichtlich nicht erfreut über unser Wiedersehen. Mann ich hatte schon Kakerlaken freundlicher angesehen als der Kerl mich.
„Hi. Darf ich reinkommen? Sie wissen schon der Schnüffler.“
Er war zwar keineswegs begeistert liess mich aber ins Haus. Stevenson empfing mich wenig später.
„Mr. Hawk, ich freue mich sie zu sehen. Sind sie im Besitz des gesuchten Gegenstandes?“
„Noch nicht, aber ich bin sehr zuversichtlich ihn in Kürze in Händen zu halten“
Er sah mich leicht verwirrt an. Konnte ich gut verstehen.
„Dürfte ich sie zuerst noch etwas fragen Mr. Stevenson? Wie stehen sie zu ihrer Tochter oder besser wie steht sie zu ihnen. Kann sie etwas von ihrer Affäre mit Charlotte Hastings gewusst haben? Oder davon wo sich das Bild ihrer Mutter aufhielt?“
Stevenson runzelte die Stirn und sah mich ernst an. Er schien tatsächlich gründlich über alle Möglichkeiten nachzudenken.
„Wisse sie Mr. Hawk, Mein Verhältnis zu Katrina ist kompliziert. Sie hat ihre Mutter wirklich sehr geliebt und mir lange vorgeworfen ich hätte sie in den Tod getrieben. Ich habe Natalie wirklich sehr vernachlässigt damals, aber ich glaube nicht, dass das ursächlich für ihren Tod war. Die Ärzte stellten einen Herzfehler fest.
Katrina und ich hatten eine schwere Zeit aber zuletzt scheint es sich zu bessern. Warum fragen sie?“
„Weil ich glaube, dass ihre Tochter das Bild aus Charlottes Wohnung entwendete. Am nächsten Tag kam sie noch einmal zurück. Vielleicht hatte sie etwas in der Wohnung verloren, vielleicht wollte sie falsche Beweise deponieren. Auf jeden Fall überraschte ich sie, wie sie die Wohnung auf den Kopf stellte. Sie konnte abhauen aber ich blieb an ihr dran. Also hat sie mich mit dem Tennisschläger aus ihrem Auto ins Reich der Träume geschickt.“
„Ja und fast hätte auch alles funktioniert wie ich es geplant hatte.“
Katrina löste sich aus dem Schatten neben der Tür. Sie hielt auch heute wieder ihren Schläger in der Hand. Daran hatte ich keine guten Erinnerungen.
„Katrina. Warum tust du mir das an? Ich bin dein Vater!“
„Nein du bist nicht mein Vater. Du bist der Mörder meiner Mutter. Und kaum lag sie unter der Erde hast du dich mit diesem billigen Flittchen getröstet! Ich hasse dich und ich wollte, das du blamiert wirst und untergehst. Kein Bürgermeister. Keine Zukunft.
KEINE GLÄNZENDE KARRIERE!“
Die letzten Worte schrie sie ihrem Vater ins Gesicht. Da sie sich auf ihn konzentrierte hatte ich die Chance zu handeln. Ich zog meine 38ger und befahl ihr stehenzubleiben. Leider hatte ich ihre Schnelligkeit erneut unterschätzt.
Das Biest drosch mir den Schläger auf die Hand, so dass ich den Revolver verlor. Sie wirbelte herum und wollte zur Tür hinaus stürzen, doch dieses al war ich schneller. Ich packte ihren Arm und zog sie herum. Wieder versuchte sie meinen Schädel mit dem Schläger zu bearbeiten. Zweimal kriegt man mich aber nicht mit der gleichen Methode. Ich zog den Kopf ein und der Schlag pfiff über mich hinweg.
Bevor sie sich wieder sammeln konnte streckte ich sie mit einer rechten Geraden zu Boden.
„Ich denke sie Schulden mir noch 350 Dollar“, sagte ich zum schockiert dastehenden Stevenson.
„Das Bild werden sie wohl im Zimmer ihrer Tochter finden. Für mich ist der fall damit beendet“
Stevenson nickte stumm, ohne den Blick von seiner bewusstlosen Tochter abzuwenden.
Ich kassierte meinen Lohn, sammelte die 38ger wieder ein und bestieg mein Auto.
Ich war so gut gelaunt, dass ich noch nicht einmal den Pinguin ärgerte.
Zurück im Büro war ich sehr zufrieden mit meiner Leistung. Fall gelöst, das Geld kassiert. Meine Geldsorgen war ich fürs erste los. Vielleicht konnte ich ja endlich das verdammte flackernde Licht reparieren lassen.
Zuerst aber würde ich einer wundervollen Stimme zuhören. Einer Stimme die flüsterte:
„Trink mich...“
Aus dem Vorraum meines Büros hörte ich Gladys rufen:
„Gute Nacht Rudolph! Aber trink nicht wieder so viel!“
Schon gut, schon gut Gladys Baby.
Frauen.
Ich habe einfach kein Glück mit Frauen
ENDE