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Süchtig

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23.04.2008
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Süchtig

„Was zur Hölle will ich hier ? “, fragt sich mein Verstand im winzigen Augenblick einer klaren Sekunde, der aber sofort wieder von meinem brennenden Verlangen verdrängt wird. Der Typ da drüben, der sich lässig mit dem Ellbogen auf die Bar stützt, sieht zwielichtig und schmierig aus, ungepflegte Haare und schmutzige Klamotten. Er taxiert mich mit einem abschätzenden Blick, verliert aber schnell wieder das Interesse und widmet sich wieder voll und ganz der alternden Stripperin, die auf dem Podest vor ihm ihre einstudierte und monoton wirkende Show abzieht. Ich setze mich in eine dunkle Ecke und inspiziere das schwach beleuchtete Striplokal ein bisschen näher. Der Betrieb scheint noch nicht in vollem Gange zu sein, es ist auch noch früh am Abend und der Besitzer hält seine heißesten „Pferde“ noch im Stall, bis die Kundschaft betrunkener (und somit Trinkgeldfreudiger) und zahlreicher ist. So sitzen hier nur circa ein halbes Dutzend Männer vereinzelt herum, ungeduldig wartend und heißbegierig auf die wahren Schönheiten des Ladens. An jedem einzelnen kann man trotz des schummrigen Lichts , nervöse und hektische Bewegungen erkennen. Es fällt mir auf, da jeder einzelne sich entweder im Sekundentakt durch die Haare streicht, sich irgendwo kratzt oder nervös mit irgendeinem Körperteil wippt. Die spürbare Unruhe erfasst mich nun auch ein bisschen, nun bin ich sogar ein wenig gespannt und verspüre einen kleinen Anflug Hoffnung, dass dieser Tipp von einem Bekannten vielleicht doch keine Niete war.

Alles angefangen hat dies mit dem Flügelschlag eines Schmetterlings, der zum Orkan wurde, wie eigentlich Alles, was auf dieser Welt geschieht. Eine kleine Zelle, ach was rede ich, wahrscheinlich sogar bloß ein Strahlenpartikel ist Schuld an meinem Schicksal. Eine kleine missgebildete Zelle und eine Zeit lang später und du hast einen Tumor so groß wie einen Tennisball. Schuld daran, dass ich hier nun bei dem Abschaum der Gesellschaft sitze. Schuld daran, dass ich keine Frau mehr habe und Schuld daran, dass ich meinen Job sehr wahrscheinlich auch verlieren werde. Hey eigentlich sollte ich doch froh sein, ich habe Krebs überlebt! Ich habe meinen Prostatakrebs besiegt und eine neue Chance gewonnen. Aber meine Männlichkeit liegt auf dem Schlachtfeld und verblutet langsam und schmerzvoll. Sexuell aktiv war früher noch eine untertriebene Einschätzung meines Ehelebens, es war ein sehr wichtiger Entspannungs- und Lebensstandartfaktor. Anfangs ging es ja noch gut, aber nach und nach wurde die Einsatzfähigkeit meines „kleinen Freundes“ immer schlechter. Meine Frau tröstete mich am Anfang und natürlich war ja „Alles nicht so schlimm“. Bis ich sie dann mit einem meiner Arbeitkollegen im Bett ( beziehungsweise auf dem Küchentisch ) erwischt habe.

So langsam scheint sich die Bar zu füllen, ein leises Gemurmel kommt auf und es sitzen immer mehr Leute an den Tischen. Sicher falle ich hier auf wie ein bunter Hund, inmitten dieser Menge von schlecht gekleideten Kleinkriminellen und hart arbeitenden Malochern. Mein Anzug passt einfach nicht in dieses Ambiente, aber dies ist mir inzwischen egal. Ich will das sehen, wofür ich gekommen bin, meine Sucht befriedigen, meine Erfüllung für ein paar Sekunden meines erbärmlichen Lebens finden. Das wollen auch die anderen hier und dies ist wohl auch der einzige Grund, warum ich noch nicht mit einem blauen Auge und geleerter Brieftasche auf dem Bürgersteig vor dem Lokal liege.

Durch die Unausgeglichenheit meines fehlendes Sexuallebens wurde ich immer aggressiver, was sich vor allem an meinem Arbeitsplatz bemerkbar machte. Meine Kollegen und Freunde zogen sich immer mehr zurück und ich versank auch immer mehr und mehr in meinem neuen Hobby, das mir zwar das für kurze Zeit gibt was ich brauche, mich aber innerlich langsam ausbrennen lässt. Gestern kam mein Chef zu mir und führte ein Gespräch mit mir, und obwohl ich ihm, in Gedanken an düstere Fantasien gekettet, nicht wirklich zuhörte, wurde schnell ersichtlich, dass meine Beschäftigung nicht mehr von Dauer sein würde.

Die Stimmung erreicht in dem Lokal kann man nun als latent aggressiv beschreiben, das Publikum will nun endlich sehen wofür es gekommen ist. Opium fürs Volk wäre eine verharmloste Beschreibung, Heroin fürs Volk träfe es genau auf den Punkt. Ich hoffe auf das Beste und erwarte das Schlimmste. Mein Verlangen ist inzwischen auch kaum mehr unterdrückbar, ich fühle wie jede einzelne Faser in meinem Körper unter Anspannung steht und ich falle in das rhythmische Geklopfe und Gejohle ein, verwandle mich unter „cold turkey“ in einen anderen Menschen, genieße die primitive und animalische Aura, die in der Luft liegt.

Das Probleme an meiner neuen Freizeitbeschäftigung ist, das man die Dosierung jedes Mal stark erhöhen muss, um an den gewünschten Effekt zu kommen. Bald werde ich wohl selbst zum Teil jenes Spieles werden, das mich in einen dämonischen Bann gezogen hat. Denn nach jedem Mal muss es extremer, härter und unkontrollierter werden. Mein Leben ist schon zerstört, die Ruinen brennen noch ein bisschen, werden aber bald in Glut und Asche zerfallen.

Die Türen des Lokals werden nun verschlossen und die Menge wird leiser. Alle Stripperinnen verlassen den Raum, während meine Hände vor Aufregung zittern. Gleich beginnt es! Es flammen zwei Scheinwerfer auf und richten sich auf die mit einem Vorhang bedeckte Hauptbühne. Ich bemerke weder, dass ich meinen Anzug vor lauter Gier mit meinem Speichel beschmutze, noch, dass ich damit nicht der Einzige bin.

Der Vorhang geht auf und die Show beginnt.

 

Hallo liebe Kurzgeschichte.de Forencommunity!
Nachdem ich die letzten Monate hier immer öfters in den Themen Fantasy, Horror und Sci-Fi herumgeschmökert habe, wollte ich selbst ein bisschen tätig werden :) . Obwohl diese Geschichte nicht eindeutig Horror ist, hoffe ich trotzdem dass sie dem Einen oder Anderen gefällt !

MfG Idaho

 

Moah. Pointe interruptus.
Der Leser soll sich selbst vorstellen, was da auf der Bühne nun passiert? So Geschichten sollten verboten werden, sorry.

Zum Text:Also an dem Stil müsstest du auf jeden Fall noch arbeiten. Generell: weniger Adjektive, weniger Füllwörter, wenige ausgedreschte Phrasen, weniger Umständlichkeit.
Hiner diesen Sachen verbirgt sich aber, glaube ich, eine angenehme Erzählstimme. Man müsste das halt nur mal entrümpeln.

Ich wiederhole: Das Ende des Textes geht gar nicht. Das ist Betrug am Leser.
Quinn

 

Eigentlich hat mir die Geschichte gefallen, aber ich muss meinen Vorschreibern in Bezug auf das Ende recht geben, es ist einfach irgendwie zu wenig befriedigend und du hörst genau dort auf, wo du ansetzten könntest. Mit dem Horror hast du es imho auch nicht ganz getroffen, Gesellschaft hätte hier imho besser gepasst. Aber irgendwie kann ich den Prozess den dein Protagonist durchläuft auch nachvollziehen, es muss immer extremer werden. Man stumpft ab wenn man immer nur das Gleiche sieht, wird desensibilisiert in mancher Beziehung.

 

So nun hab ich auch mal wieder Zeit hier hereinzuschauen,
mit solchen Kritiken bin ich ja recht zufrieden für die erste Geschichte :) .

@Quinn
Ja ich weiß der Schluß, kommt nicht mehr vor ich versprechs ;)

@Thamus
Danke, die Sache mit dem Heroic und Opium fiel mir während des Schreibens gar nicht auf, hattest natürlich Recht, der Vergleich hinkt sehr stark...

Danke für eure Zeit und eure Kritiken!

MfG Idaho

 

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