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Saras Tochter
Saras Tochter
Susan steigt aus dem Auto und atmet die frische Waldluft ein. Beim Anblick des Hauses, das geduckt unter den Bäumen liegt, fühlt sie sich sofort wieder zu Hause, obwohl sie lange nicht mehr hier war. Sie betrachtet es mit forschendem Blick und sieht es plötzlich mit anderen Augen, als in ihrer Kinder- und Jugendzeit. Sie bemerkt die Risse in der Mauer, den abbröckelnden Verputz und die fehlenden Dachziegel. Sie schüttelt den Kopf. Den Entschluss ihres Großvaters kann sie, trotz allem, nicht verstehen.
Mit letzter Kraft schiebt Sara den Schrank vor die Türe, hinter der sie Tamara soeben eingesperrt hat. Sie hört Tamara weinen. Es ist grausam, ein zweijähriges Mädchen alleine in eine dunkle Kammer zu sperren. Eine Träne löst sich aus Saras Augen, doch sie wischt sie mit einer trotzigen Bewegung ab. Sie muss stark sein, um das zu tun, was nötig ist.
„Ich werde das Haus abreißen lassen“, teilte Susans Großvater vor einer Woche seiner Enkelin so beiläufig mit, als spräche er vom Wetter. Susan hatte versucht ihn davon abzubringen, doch er blieb hart. „Das Haus verkommt im Wald. Es ist inzwischen so baufällig, dass man sich im Inneren seines Lebens nicht mehr sicher sein kann.“
Die Gartentüre quietscht, als Susan sie öffnet. Sie lächelt. Wie früher! Kindheitserinnerungen kommen zurück. An die Wochenenden, die sie mit ihren Eltern hier verbrachte. Sie waren angeln gegangen und hatten abends die Fische auf dem Grill gebrutzelt. Wenn sie gar waren, durfte Susan Kartoffeln in die heiße Glut werfen, deren Pelle davon ganz schwarz wurde, und mit etwas Salz trotzdem köstlicher schmeckten, als alles andere. Sie erinnert sich an durchwachte Nächte, wenn sie mit ihren Eltern im Freien saß, um die Waldtiere zu beobachten. Doch diese Dinge sind nicht der Grund, warum Susan dieses Haus so sehr liebt.
Sie setzt sich auf einen Stuhl. Ihre Arme schmerzen von der ungewohnten Anstrengung. Sie lauscht auf Tamaras wütendes Kreischen. „Sie wird mich hassen, wenn das alles vorbei ist“, denkt sie. Es dauert eine Ewigkeit, ehe Tamara verstummt. Sara stellt sich vor, wie die Kleine sich auf die Matratze am Boden legt, ihren Teddybär in den Arm nimmt und so einschläft. „Ob sie mich jemals verstehen wird? Vielleicht ist alles total unnötig.“ Sie geht mit schleppenden Schritten ins Nebenzimmer, lässt sich auf das Bett fallen und schläft trotz ihrer Angst bald ein.
Susan holt ihre Tasche aus dem Auto und schleppt sie zur Türe. Sie zögert einen Moment, ehe sie aufsperrt. Der muffelige Geruch eines unbewohnten Hauses schlägt ihr entgegen und eine kleine Maus huscht aufgeregt davon.
Erleichtert atmet sie auf. Alles sieht noch genauso aus wie früher. Der zerschlissene Flickenteppich auf dem Boden, die kitschigen Landschaftsbilder an den Wänden. Ihr Großvater meinte, sie solle sich umsehen und die Dinge nehmen, die sie haben wollte. Alles andere würde auf dem Müll landen. Susan streicht versonnen über eines dieser Bilder. Eine dicke Staubschicht hat sich darauf angesammelt und sie wischt die Hand an ihrer Jeans ab. Sie weiß nicht, wie lange sie dort so steht, ehe ihr bewusst wird, dass sie nur so lange herumtrödelt, weil sie nicht wagt, das Zimmer zu betreten, in dem sie früher immer geschlafen hat.
Bücher. Klamotten. Gemälde. Alles wild auf dem Boden verstreut. Entsetzen. „Mama? Papa? Roman?“ Stille. Verzweiflung. „Wo seid ihr?“
Kraftlos. Müde. Tränen. Entsetzen. Die Gestapo. Schmerz. Besinnung. „Weg von hier.“
Mit einem heftigen Ruck reißt sie schließlich die Türe zu ihrem alten Zimmer auf und muss lächeln. Alles unverändert. Sie schüttelt über sich selbst den Kopf. Wer sollte hier schon etwas verändert haben? Seit Jahren war niemand mehr da. Trotzdem ist sie erleichtert, dass alles noch an seinem Platz steht. Sogar der Roman, den sie bei ihrer letzten Abreise hier vergessen hat, liegt noch auf dem altertümlichen Nachttisch.
Plötzlich meint sie Blicke auf sich zu spüren und einen Moment lang, fühlt sie sich wieder wie ein kleines Mädchen, dass noch Angst vor Geistern hat.
Schweißgebadet schreckt Sara hoch. Immer wieder dieser Traum. Sie setzt sich auf und zündet die Kerze auf dem Nachttisch an. Nur das sanfte Licht vermag die Alpträume erträglicher zu machen.
Der Tag aus ihrem Traum ist ihr noch gut in Erinnerung. Sara kann sich nicht vorstellen, dass sie ihn jemals vergessen wird.
Nachdem sie sich vom ersten Schrecken erholt hatte, war ihr aufgegangen, dass die Gestapo jeden Moment zurückkommen könnte. Sie nahm Tamara auf den Arm und rannte aus der Wohnung. An den steilen Treppen strauchelte sie und konnte einen Sturz im letzten Moment abfangen. Draußen blieb sie noch einen Moment stehen, betrachtete das Haus, in dem sie aufgewachsen war und versuchte, noch ein paar gute Erinnerungen herauf zu beschwören. „Ich muss noch ein Andenken mitnehmen“, dachte sie, schob die Vernunft beiseite und rannte wieder in die Wohnung zurück.
Sie dreht sich zitternd um. Ein Eindringling von Angesicht zu Angesicht ist ihr lieber als einer im Rücken. Niemand steht an der Türe, um ihr aufzulauern. Auch früher, wenn dieses Gefühl sie überkam, befand sich nie jemand im Raum. Ihre Augen wandern weiter, von der Türe weg, die Wand entlang, um schließlich an dem Gemälde, das Sara zeigt, hängen zu bleiben. Eine Gänsehaut kriecht über ihren Rücken, weil sie, wie damals, das Gefühl hat, die Blicke kämen von dort. „Verdammt, ich dachte aus dem Alter wäre ich raus“, sagt sie laut, weil sie hofft, dadurch die blödsinnigen Gedanken zu vertreiben.
Sie schnappte sich aus dem Chaos das erste Gemälde, das ihr in die Finger fiel und stürmte wieder nach draußen. Ziellos irrte sie durch die Stadt. Ihre Füße begannen schnell weh zu tun und sie bereute, ihre hohen Schuhe nicht gegen bequemere ausgetauscht zu haben. Tamara auf ihrem Arm wurde von Minute zu Minute schwerer.
Sie musste irgendwo hin. Sie konnte nicht ewig auf der Straße herum laufen. Panisch ging sie im Kopf die Namen der Personen durch, an die sie sich wenden konnte. Die meisten ihrer jüdischen Freunde waren bereits weg gebracht worden. Gab es Deutsche, denen sie trauen konnte? Sie fühlte sich alleine, Tränen stiegen in ihre Augen und sie setzte sich auf eine Bank, um sich einen Moment Erholung zu gönnen. Die Schmerzen an ihren Beinen und Armen waren kaum auszuhalten, doch noch mehr schmerzte die Ungewissheit, was mit ihren Eltern und Roman, ihrem Mann geschehen könnte..
Trotzig versuchte sie die Tränen abzuwehren, aus Angst, dass sie nicht mehr weiter gehen könnte, wenn sie der Trauer erst gestattete, sich einzunisten.
„Georg“, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf.
Sie sprang auf, lief quer durch die Stadt und erst als sie an seiner Türe klopfte ging ihr auf, dass selbst der alte Freund ihres Mannes sie verraten könnte.
Sara starrt ihr von dem Gemälde so unverwandt entgegen, wie sie es seit jeher getan hat. Susans Herzschlag beschleunigt sich, ihre Hände werden feucht.
Sara, die Heldin ihrer Kindheit. Sara, der Schrecken ihrer Kindheit. Sara, die sich nachts in ihre Träume geschlichen und um Hilfe gefleht hatte. Erst viel später hatte sie die wahre Geschichte dieser Frau erfahren.
Georg starrte sie entsetzt an. Fragen waren nicht nötig, denn ein Blick auf Sara sagte alles. Er schloss die Frau seines Freundes in die Arme, führte sie in die Wohnung, ließ sie an seiner Brust weinen und trocknete ihre Tränen.
Erst als Sara ruhiger war und etwas gegessen hatte, erfüllte er ihre Hoffnungen. „Ich weiß einen Ort, an dem ihr sicher seid.“
Sara hatte sich hier einige Zeit vor den Nazis versteckt. Auf diesem Bild sieht sie noch glücklich aus, wusste noch nicht, was auf sie zukommen sollte. Sie sitzt unter einem blühenden Apfelbaum, trägt ein taubenblaues Kleid und lächelt, als gehöre die ganze Welt ihr alleine. „Vielleicht war sie in den Maler verliebt“, denkt Susan plötzlich. „Dieses Bild muss ich unbedingt mitnehmen.“ Sara hat es nicht verdient in Vergessenheit zu geraten, selbst wenn es nur ein Bild ist, das an ihr Dasein erinnert. Früher stellte sie sich immer vor, Sara kennen zu lernen. Ehrfürchtig hatte sie über Saras Mut gestaunt, sich ganz alleine im Wald aufzuhalten. Vorsichtig pustet Susan den Staub von dem Gemälde und nimmt es von der Wand. Ein Zettel flattert auf den Boden.
Und so war sie hier her gekommen. In dieses abgelegene Haus, mitten im Wald. Georg hatte ihr versprochen einmal wöchentlich mit Lebensmitteln vorbei zu kommen. Außerdem hatte er ihr den kleinen Raum gezeigt, in dem sie Tamara bei Gefahr verstecken könnte. Und diese Gefahr schien zum Greifen nahe.
Susan bückt sich danach. Sie kann nur eine Anzahl von gezeichneten Vierecken darauf erkennen. Und in diesen sind Buchstaben gekritzelt. Susan runzelt die Stirn, als sie versucht die Schrift zu entziffern. Wer auch immer das geschrieben hat, er muss sehr in Eile gewesen sein. Ihr Herz beginnt schneller zu klopfen, als ihr der Gedanke kommt, es könnte eine Notiz von Sara sein. Ein echtes Lebenszeichen.
Seit einigen Tagen spürt sie eine Ahnung von Gefahr, die sich nachts in ihre Träume schleicht, sie tagsüber mit klopfendem Herzen aus dem Fenster spähen und Tamara in die kleine Kammer sperren lässt.
Sie weiß nicht, woran das liegt. Seit sie hier ist, hat sie keine Menschenseele gesehen, keine Stimmen gehört, die durch den Wald hallen.
Sie kramt die Brille aus ihrer Tasche hervor, setzt sie auf und beugt sich aufgeregt über das Blatt.
Einen winzigen Augenblick ist sie enttäuscht, doch dann erkennt sie, um was es sich hier handelt.
Gedanken prasseln auf sie ein. Die Gesichter ihrer Eltern blitzen kurz vor ihr auf. Sie sehen ausgemergelt aus und flehen Sara um Hilfe an. Roman liegt mit geschundenem Körper da, kann sich nicht mehr rühren. Sie hat schreckliche Gerüchte über die Lager gehört. Von willkürlichen Erschießungen und so harter Arbeit, dass man mittendrin vor Erschöpfung tot umfiel. Sie presst die Hände auf den Kopf, als könnte sie die Gedanken dadurch stoppen. Das Karussell in ihrem Kopf dreht sich weiter und weiter. Hastig zieht sie ein Buch aus der Nachttischschublade und beginnt zu schreiben. Wie von Geisterhand geführt, fährt der Stift über das Papier und sie füllt Seite um Seite. Sie presst ihre Angst und ihre Einsamkeit auf die Blätter. Immer, wenn sie kurz inne hält, wandert ihr Blick zu dem Gemälde, das sie aus der Wohnung gerettet hat. Bei seinem Anblick meint sie immer einen Hauch von Frühling im Raum zu spüren. Einen Hauch von Liebe, denn Roman war es, der sie malte. Zu einer Zeit, als sie noch glücklich war.
Erst als es draußen zu dämmern beginnt, wirft Sara den Stift beiseite. Sie fühlt sich befreit, als hätte sie ihre Sorgen für eine Weile auf ein paar Blätter gebannt.
Müde legt sie das Buch auf den Fußboden und lässt sich in die Kissen fallen. Plötzlich geht ihr auf, dass dieses Zimmer kein guter Ort ist, um das Buch aufzubewahren.
Es ist ein Plan dieses Hauses, der an einer Stelle mit einem dicken Kreuz versehen ist. Susan wird ein wenig schwindelig vor Aufregung. Sara scheint hier etwas versteckt zu haben. Sie erkennt auf dem Plan die Küche, ihr Zimmer und das ihrer Eltern. Nur das Zimmer mit dem Kreuz kann sie nicht zuordnen.
Laut diesem Plan müsste es neben der Küche liegen. Sara steht auf und geht mit dem Papier dorthin. Sie sieht sich um, sucht nach einer Türe, obwohl sie weiß, dass keine da ist. Sie versucht sich zu erinnern, ob ihr Großvater etwas, von einem früher abgerissenen, Raum erzählt hat, doch ihr fällt nichts ein.
Sie legt den Plan auf den Tisch und studiert ihn noch mal genau. Es sieht aus, als wäre der Raum direkt hinter einem der Schränke. Sie steht auf, versucht einen davon zu verschieben, doch er bewegen sich kaum. „Ob sich die Mühe wohl lohnt?“ Sie macht einen kurzen Moment Pause. „Egal“, denkt sie, beißt die Zähne zusammen und schiebt ihn mit aller Kraft beiseite.
Sie geht mit den Büchern in die Kammer, in der sie Tamara verborgen hält und sucht dort nach einem Versteck. Tamara schläft noch. Sie sieht ganz verheult aus und Sara möchte sie küssen, lässt es aber sein, weil sie die Kleine nicht wecken möchte.
Auf Zehenspitzen schleicht sie wieder hinaus. „Eigentlich könnte ich den Schrank so stehen lassen. Tamara wird bald aufstehen.“ Sie möchte sich schon umdrehen, doch dann überlegt sie es sich anders und schiebt den Schrank keuchend an seinen alten Platz.
Sie setzt sich, doch noch immer findet sie keine Ruhe. Sie geht in ihr Zimmer, reißt von einem unbeschriebenen Heft ein Blatt heraus und malt auf, wo sich die Bücher befinden. Den Zettel klemmt sie hinter ihr Gemälde. „Völlig unnötig“, denkt sie und schüttelt über sich selbst den Kopf. Sie bleibt noch einen Moment unschlüssig stehen, bevor sie nach draußen läuft, um sich ein wenig frische Luft zu gönnen.
Sie öffnet die Türe und steht den Männern im grauen Mantel gegenüber.
Ihre Beine sind wie gelähmt. Sie hatte immer geglaubt, sie würden nachts kommen.
Ein Raum. Sie jubelt innerlich. Sie geht hinein. Ein paar Spinnweben bleiben in ihrem Gesicht und ihrem Haar kleben. Zimmer kann man das kaum nennen. Kammer, trifft es viel eher. Mehr als eine Person würde hier nie Platz finden und selbst für die müsste es nach einer Weile sehr unangenehm werden. Es ist viel zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen. Fenster gibt es hier nicht. Sie klettert wieder hinaus und stößt sich den Kopf am Schrank, den sie nur schlampig beiseite geschoben wird. Vor lauter Aufregung bemerkt sie den Schmerz nicht einmal. Sie geht ins Nebenzimmer, holt eine Taschenlampe und zwängt sich wieder hinein. Sie leuchtet auf den Boden. Keine Bücher.
Sie versucht nicht an die Schmerzen zu denken, nicht an die Demütigungen. Der Gedanke an Tamara hält sie aufrecht. Ihre kleine Tochter, die sie, dank Georgs Hilfe, retten konnte. Sie ist sich sicher, dass er sie rechtzeitig gefunden hat. „Die Qualen, die ich ihr angetan habe, waren nicht umsonst“, denkt sie, als vor ihren Augen eine Frau erschossen wird. „Ich habe sie gerettet“, frohlockt sie innerlich, während sie darauf wartet, ob sie die Nächste ist.
Enttäuscht seufzt Susan und ärgert sich über die unnötige Anstrengung. Falls hier tatsächlich irgendetwas versteckt war, dann wurde es zwischenzeitlich sicher gefunden. Sie möchte sich schon umdrehen, doch dann bemerkt sie einen Spalt in der Mauer.
Sie greift hinein und zieht ein Buch heraus.
Mit zitternden Händen schlägt sie es auf. Ein Tagebuch. Sie kann ihr Glück kaum fassen, stürmt so aufgeregt wieder aus der Kammer, dass sie sich den Kopf abermals anschlägt.
Aufgeregt wischt Susan den Staub vom Einband, schlägt das Buch auf, setzt sich auf den Boden und beginnt zu lesen.
Bei der Erwähnung von Saras Tochter stutzt sie. Von einer Tochter war nie die Rede gewesen. Ihre Finger beginnen zu zittern und ihr wird ganz kalt. Ein Gedanken nimmt in ihrem Kopf Gestalt an und es gibt nur eine Person, die ihr dazu etwas sagen kann.
Sie kommt fast von der Straße ab, als sie zum Haus ihres Großvaters Georg rast. Sie bemüht sich ruhiger zu fahren, auch wenn die halbstündige Fahrt ihr wie eine Ewigkeit erscheint.
Ihr Großvater sitzt im Garten und raucht seine Pfeife.
„Hier hat es jemand eilig“, lächelt er gutmütig.
„Sara hatte eine Tochter“, schleudert Susan ihm entgegen.
Ihr Großvater schweigt, zieht an der Pfeife. „Woher weißt du das?“, fragt er schließlich.
Sie hält das Buch in die Höhe. „Saras Tagebuch. Was ist aus Tamara geworden?“
Ihr Großvater zögert einen Moment und Susan beginnt sich vor seiner Antwort zu fürchten.
Eine Kugel zischt durch die Luft. Sara lächelt noch immer, als sie getroffen wird.
„Wir konnten keine Kinder bekommen, deine Großmutter und ich…“, beginnt er zu erzählen.
„Ihr habt sie verraten, nicht wahr? Ich wusste gleich, dass etwas nicht stimmt, als ich lesen musste, dass Sara eine Tochter hatte“, schreit sie ihn an.
Ihr Großvater blickt zu Boden. „So war es nicht. Jemand hatte Verdacht geschöpft und drohte uns zu verraten, wenn wir dem ganzen kein Ende bereiten würden. Wir hatten keine Wahl. Glaubten wir jedenfalls. Ich meldete, dass in dem Haus jemand zu wohnen schien und hoffte so sehr, dass sich Tamara in der Kammer befand und niemand sie finden würde. Wir hatten Glück. Deine Oma fuhr einige Tage weg und kam mit der Kleinen zurück. Den Leuten erzählten wir, sie wäre Omas Nichte und wir müssten sie aufnehmen, weil ihre Mutter gestorben war.
Plötzlich sinkt Saras Großvater zusammen. „Tamara ist deine Mutter. Wir nannten sie Johanna und beschlossen ihr nie davon zu erzählen. Ich weiß, dass war feige von uns.“
Tränen laufen über seine Wangen, seine Schultern beginnen zu beben und zum ersten Mal findet Susan ihren Großvater richtig alt.
„Wir waren viel zu feige“, schluchzt er. „Ich konnte mir nie verzeihen, dass wir Sara verraten hatten. Es hätte sicher einen anderen Weg gegeben.“
Susan zögert einen Moment, doch dann geht sie auf den Mann, den sie bisher für ihren Großvater gehalten hat, zu und schließt ihn in die Arme.