Schönheit muss leiden
Wieder einmal war es an der Zeit zum Frisör zu gehen. Der letzte Besuch lag bereits ein Jahr zurück. Damals hatte ich mir Strähnchen machen lassen, heute wünschte ich mir Dauerwellen. Ich ging also in den Frisörsalon, hängte folgsam meinen Wintermantel zwischen all die anderen und hoffte, mir keine Läuse oder sonstiges einzuhandeln. Eine von vielen jungen Frisösen lenkte mich zu einem weissen Sessel und bat mich Platz zu nehmen. Dort saß ich dann auch – ca. zehn Minuten – und freute mich, dass überall Spiegel angebracht waren und ich so nicht mit dem Gesicht zur Wand sitzen musste. Außerdem konnte man durch die Spiegel hervorragend die anderen Frisuren betrachten und sich zum Zeitvertreib seinen Teil dazu denken.
Endlich wurde auch mir eine braune Plastikdecke übergezogen. Der Vorteil war, dass man dadurch nicht meine Hände sah, die vor Nervosität nicht wussten, was sie tun sollten. Ich sagte ihnen, dass sie einfach nur ruhig in meinem Schoss liegen sollten. Endlich gaben sie Ruhe. Ich betrachtete meine momentane Frisur im Spiegel. Irgendwie sah ich anders aus als sonst. Doch ich kam nicht mehr dazu herauszufinden, an was das lag, da ich bereits von einer anderen Frisöse zu einem Waschbecken geführt wurde. Wie befohlen legte ich meinen Kopf zurück auf die schmale Nackenstütze, die nicht gerade angenehm war, da mein Kopf darüberhing und ich ihn selbst halten musste. Ich versuchte ihn einige Male anders zu plazieren, was mir aber auch keinen wirklichen Erfolg brachte. Dann spürte ich eine Hitze, als hätte jemand meine Haare angesengt. Höflich bat ich um etwas kühleres Wasser.
Kurz bevor ich eine Genickstarre bekam waren meine Haare fertig gewaschen und mit einem Handtuch getrocknet. Ich durfte wieder aufstehen und zu meinem ursprünglichen Platz zurückwandern. Dort wurde mir dann netterweise ein Kaffee angeboten. Ich nahm dankend an.
Als der Kaffee serviert wurde kam eine Frisöse, die ich bis jetzt noch nicht gesehen hatte und fing an, meine nassen herunterhängenden Haare zu frisieren bzw. zu rupfen. Ich fragte mich ob sie nicht gelernt hatten, dass man nasse Haare zuerst von unten zu frisieren beginnt und nicht von der Kopfhaut an. Aber mit Gewalt ging es auch so und schliesslich waren alle Knoten gelöst. Erleichtert lockerte ich den verkrampften Griff von den Lehnen.
Der Kaffee stand dampfend vor mir und es lockte mich zuzugreifen. Ich blickte in den Spiegel um die Situation einzuschätzen, doch die Frisöse lies meine Haare nicht aus den Fingern. Jetzt war sie gerade dabei Lockenwickler aufzuwickeln. Interessiert beobachtete ich meinen schmerzverzerrten Blick im Spiegel bis die Frisöse fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich bejahte fröhlich und versuchte zu lächeln. Meine Finger hatten sich wieder selbstständig gemacht und umklammerten erneut die Lehnen des Sitzes. Strähnchen für Strähnchen wurden die Haare langgezogen und bis zum äußersten auf die Wickler gerollt. Diese wurden dann fest an die Kopfhaut gepresst. Nach einer Ewigkeit war mein Kopf ein einziger schmerzender Ball und ich wünschte die Tortour wäre bald vorüber. Ein Gel wurde auf meinem Kopf verteilt, dass teilweise mein Gesicht hinunterrann. Vor mir wurde der Kaffee kalt, während ich Angst hatte zu erblinden, falls mir diese ätzendriechende Flüssigkeit ins Auge rinnen sollte.
Dann wurde über mir eine Trockenhaube herabgelassen. Ich stellte mich auf eine glühende Hitze ein, wurde aber zum Glück enttäuscht. Nach einer viertel Stunde wurde sie wieder entfernt und ich freute mich auf einen wicklerlosen Kopf, an dem es nicht zog und spannte. Doch zuerst musste das Gel abgewaschen werden. Die Frisörin hatte beim Waschen anscheinend vergessen, dass ich noch Lockenwickler auf dem Kopf hatte. Mein Kopf schmerzte von ihrem Ziehen und Drücken an den ohnehin bis aufs Letze gespannten Wicklern.
Dann wurde ich endlich erlöst. Doch bevor ich wieder aufstehen durfte, warnte sie mich vor, dass gleich ein etwas kühler Fixierer in meine Haare einmassiert wurde. Es musste reines Eis gewesen sein. Doch der kalte Schock tat meinem Kreislauf gut und ich freute mich bereits auf meine neue Frisur.
Als dann meine Haare frisiert, geschnitten und gefönt waren und ich wie ein Pudel aussah, war ich glücklich den Frisörsalon nach zwei quälenden Stunden endlich verlassen zu dürfen. Ich bezahlte bei der Kassa ein Vermögen und ging dann ins nächste Kaffeehaus, um einen heissen Kaffee zu trinken. Dabei hoffte ich, von niemandem gesehen zu werden. Doch mich hätte wahrscheinlich sowieso niemand erkannt.
Hallo!
Ich bitte um viele (!) Kritiken. Bei meinen anderen Geschichten wurden nämlich nicht sehr viele geschrieben, was ich schade finde, da ich nur daraus lernen kann.
Grüsse
Mel