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Schüler sind sonderbar? – Lehrer aber auch!
Ich bin jetzt seid knapp vier Monaten auf dieser Schule und wir lernen täglich mehr oder weniger sinnvolle Dinge. Diese Schule soll uns wichtige Grundlagen für unsere zukünftigen Berufe lehren, ob das allerdings auch wirklich gelingt, weiß ich bis jetzt noch nicht so genau. Meine Klasse jedenfalls ist eine dufte Truppe und wir haben immer viel Spaß. Zwar auch schon mal weniger, beispielsweise nach der Rückgabe einer Klassenarbeit. Dafür sind wir Weltmeister im Erfinden von Preisen für herausragende Leistungen bei Nebenbeschäftigungen. So haben wir zum Beispiel das „Tafelputzdiplom“ erfunden. Meiner Meinung nach eine ganz hervorragende Sache, denn wer bei uns die Unterstufe nicht schafft, kann damit direkt hauptberuflich Tafelputzer werden. Man glaubt es zwar kaum, aber es braucht schon einiges an Erfahrung und die richtige Technik, um das beliebte Schreibbrett eines Lehrers zu reinigen. Unser BWL Lehrer, der Herr Tiefgräber Hochstett hat das allerdings auch richtig drauf. Ich frage mich ohnehin, warum der studiert hat und nicht einfach Tafelputzer geworden ist, den versteht nämlich sowieso keiner.
Vor kurzem wäre fast der Unterricht gescheitert, weil die Fletsche verschwunden war. Die Fletsche ist eine Art Schwamm, mit der man die Tafel von überflüssigem Wasser befreien kann. In unserem Falle also lebensnotwendig. Ja, und ohne Fletsche keine saubere Tafel und ohne saubere Tafel keine Tafelbilder und ohne Tafelbilder keinen Unterricht und ohne Unterricht wir nix verstehen. Obwohl, eigentlich egal, denn wir verstehen ja sowieso nix. Von daher ist es Jacke wie Hose, ob die Fletsche nun da ist oder nicht. Aber zum Glück hat er sie doch noch rechtzeitig gefunden, bevor es geschellt hat und dafür hat er dann auch gleich mal eine Fußreise nach Australien gewonnen. Sehen Sie, wieder ein Preis für eine herausragende Leistung bei Nebenbeschäftigungen. Natürlich unsere Erfindung. Ja… so ist er, der Herr Tiefgräber Hochstett. Wenn er mal gerade nicht die Tafel braucht, schreibt er auf den Tagelichtprojektor, einfach drauf, ohne eine Folie, direkt aufs Glas. Der arme Mann kann sich nämlich keine Projektorfolien leisten und ist früh morgens noch zu faul um aufzustehen und an die Tafel zu schreiben. Er sitzt dann da gemütlich und schreibt ganz bequem auf unserem Tageslichtprojektor herum. Wenn er fertig ist und geht, lässt er den Projektor und sein Geschreibsel darauf einfach zurück, ohne es sauber zu machen und weil wir es natürlich auch nicht nötig haben, ihm ständig hinterher zu putzen, bleibt das einfach darauf stehen. Haben wir allerdings in der darauf folgenden Stunde Volkswirtschaftslehre, ist das Theater schon wieder groß, denn unser lieber Lehrer regt sich dann erstmal ne Runde über seinen Kollegen auf und schimpft wie ein Rohrspatz, weil nun er der Gelackeimerte ist, der den Spaß sauber machen muss, bevor er den zweckentfremdeten Tageslichtprojektor benutzen kann, um uns komplizierte Wirtschaftskreisläufe vorzustellen. Dieser Kollege ist echt ein ganz Besonderer. Er hat im letzten Jahr sein Studium beendet, ist gerade mal 29 und hat nun das Glück, uns sein neu erlerntes Wissen nahe zu bringen. Das ist nicht einfach. Das muss ich zugeben, denn dafür, dass er zwei mal in der Woche die Stunden bei uns ohne größere Schäden überlebt, müsste er eigentlich auch schon wieder eine Auszeichnung bekommen. Er muss schließlich echt was leisten. Wir machen es ihm aber auch wirklich nicht leicht. Wir vereimern ihn schon mal des Öfteren, aber daran ist er selbst schuld. Schließlich ist er Lehrer und stellt meist blöde Fragen. Er fragt ernsthaft warum der Wirtschaftskreislauf in Modellen immer als Kreis dargestellt ist. Da fasst man sich doch wirklich an den Kopf. Haben sie schon mal nen eckigen Kreis gesehen? Wie soll denn da was fließen, wenn der nicht rund ist… Es heißt schließlich Wirtschaftskreislauf und nicht Quadratlauf. Logisch, oder? Klar sagen wir ihm das. Für ihn dann leider ziemlich peinlich, aber uns natürlich egal. Der nimmt aber auch echt jeden Fettnapf mit, den er kriegen kann. Er tut mir ja dann fast schon ein wenig leid und ich entschließe mich, jetzt nett zu sein und ihm mit richtigen Antworten das Leben wieder leichter zu machen, doch ich verwerfe den Gedanken schnell wieder, als Folgendes passiert. Es ist nun November und die halbe Klasse schwimmt auf der Grippewelle ganz oben mit. Alle sind am Husten und am Naseputzen. Mein Tischnachbar verteilt daher großzügig Hustenbonbons. An unseren VWL Neuling und mich auch. Er ist sogar einverstanden und so lutschten wir alle fröhlich vor uns hin. Der Unterricht muss natürlich weiter gehen und während die Lehrperson lutschend am Pult sitzt, soll ich die nächste Aufgabe vorlesen. Mit dem Bonbon im Mund nicht einfach, das hab ich wohl gemerkt, aber zum runterschlucken war es noch zu groß. Und als ich fast fertig bin, da fragt der mich: „Sagen Sie mal, haben Sie etwa ein Bonbon im Mund?“ Ja und da frag ich mich natürlich schon ob der eigentlich noch alle Tassen im Schrank hat. Da sag ich nur so: „Wieso, Sie doch auch.“ Da guckt der mich an wie ne Kuh beim Donnern und sagt gar nichts mehr. Tja, 1:0 würd ich sagen, Sie Fußballprofi. Jawoll, Verteidiger ist er, beim TV Flerke. So ein Kuhdorf hinter Soest. Da spielt er Fußball. Auch bei dem frage ich mich dann, wozu hat der eigentlich studiert? Wieso ist er nicht Fußballprofi geworden? Da wäre er echt besser aufgehoben gewesen… Aber ich muss sagen, er schlägt sich echt gut durch, genauso wie unsere Deutschlehrerin. Beim ersten Versuch, uns nahe zu legen, wie man eine Kurzgeschichte interpretiert, ist sie kläglich gescheitert. So schreiben einige Schüler grundsätzlich eine Nacherzählung des Textes, statt der Botschaft auf den Grund zu gehen. Das ein verschlossenes Tagebuch nicht nur ein verschlossenes Tagebuch ist, sondern im übertragenen Sinne, vielleicht auch ein Geheimnis oder Angst des Darstellers sein könnte, so etwas bleibt den meisten ein Buch mit sieben Siegeln, oder ein verschlossenes Tagebuch, wie mans nimmt. Unsere Arbeitshefte mussten jedenfalls gleich mal einen Besuch beim Rektor über sich ergehen lassen. Ein Schnitt von 4,85. Sauber. Aber sie gibt nicht auf. Jetzt diskutieren wir über das
4-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun, wobei sich einige schon wieder fragen, wie der arme Mann mit 4 Ohren wohl ausgesehen haben muss. Die Bedeutung dieses Kommunikationsquadrates haben sie hingegen noch nicht so ganz geblickt. Um uns wenigstens etwas Durchblick zu verschaffen hat sich unsere Lehrerin daher etwas ganz tolles einfallen lassen. Wir durften typische Lehrersprüche aufschreiben wie, „Das ist mir aber zu laut hier!“ oder „Sagen Sie mal, haben Sie etwa ein Bonbon im Mund?“. Sie hat stattdessen typische Schülersprüche aufgeschrieben wie „Das lohnt sich doch eh nicht mehr, es schellt doch sowieso gleich“ oder „Hausaufgaben, welche Hausaufgaben, wir hatten aber gar nichts auf. Das muss eine andere Klasse gewesen sein. Sie sind überarbeitet.“ Wir hatten einen Riesenspaß, aber ich bin mir nicht sicher, ob der spätere Versuch, diese Sätze in das Modell einzubauen, bei jedem bis zum Verstand vorgedrungen ist. Ich glaube eher nicht, genauso wenig wie die klassische Dreiteilung des Menschen. Natürlich ist diese Teilung sinnbildlich gemeint. Der Mensch wird in Körper, Geist und Seele geteilt doch bei uns fragen sich einige, ob deshalb jeder Mensch zwangsläufig schizophren ist. Es ist schon nicht so einfach. Vielleicht sollten wir doch lieber glauben, was unser Politiklehrer erzählt. Nämlich, dass in vierzig Jahren die Welt untergeht, weil wir wegen der vielen Waldrodungen keinen Sauerstoff mehr haben werden.
Aber selbst bis dahin haben wir ja noch genügend Zeit, die Wahrheit über eckige Wirtschaftskreisläufe, Wissenschaftler mit vier Ohren und schizophrene Menschen heraus zu finden und dann bekommen wir auch bestimmt mal wieder einen Preis für herausragende Leistungen bei Nebenbeschäftigungen. Allerdings nicht mehr jetzt, denn es klingelt ja sowieso gleich und außerdem ist es sowieso viel zu laut.