Schachmatt
Adam öffnete mühsam die Augen.
Nur langsam begann er, seine Umgebung wahr zu nehmen.
Wobei es da eh nicht viel zu sehen gab. Sand. Alles voller Sand.
Erst wenn er unter Aufbringung all seiner Kraft den Kopf noch etwas anhob sah er Grüne Sträucher und Palmen.
Wo war er hier nur?
Und vor allem, wie war er hier her gekommen?
Ein Lichtstrahl bohrte sich direkt neben ihm in den Boden.
Das kannte Adam schon. Irgendwo über ihm war jemand unterwegs, der „Gott“ genannt werden wollte. Und immer wenn Gott irgendwas total Weises zu sagen hatte, zog er diese Lichtershow dabei ab. Und so also auch jetzt. Der Sand unter Adam erbebte beim Klang der mächtigen tiefen Stimme.
„Das will ich dir gerne beantworten. Diese kleine Insel hier ist alles, was vom Garten Eden übrig blieb. Weißt du ... Ich hatte da in einigen hundert Jahren sowas geplant, was ich „die Sintflut“ genannt hätte. Sie sollte all die bösen Menschen die aus dir noch kommen werden vernichten und nur Noah und ... aber lassen wir das. Soweit bist du noch nicht. Fakt ist: Ich hatte den Timer wohl etwas zu falsch eingestellt und das ganze ging zu früh los. Dumme Sache, das. Aber nun eben leider nicht mehr rückgängig zu machen. Versuch mir zuliebe ein paar Tage zu überleben, solange ich nach einer Lösung suche.“
Der Lichtstrahl erlosch und Adam war wieder allein.
Dieser Gott ging ihm langsam gehörig auf die Nerven. Spielte mit ihm, wie es ihm gefiel. Wollte ihm sogar schon mal eine Rippe stehlen, um daraus eine „Frau“ für ihn zu erschaffen. Adam wusste nur, dass diese „Frau“ wie er, Mensch sein würde. Und so wie es derzeit nur ihn gab würde es dann nur sie und ihn geben. Das war alles, was er wusste. Und irgendwie klang das ganz schön bedrohlich in seinen Ohren ...
Seufzend stand er auf und ging hinüber zu den Palmen. Ganz toll. Jetzt konnte er also überlegen wie er die Zeit rum brachte, bis Gott dieses Versehen wieder beseitigt und den Garten Eden trocken gelegt hatte.
„Wie wäre es mit einer Partie Schach?“
Hä? Wo war denn diese Stimme jetzt her gekommen? Leiser, viel leiser als die von Gott. Und auch ohne den Lichtstrahl.
„Hier drüben, im Dickicht. Ich kann nicht an die Sonne. Komm du doch zu mir.“
Adam, der schon immer überaus neugierig war, schob ein paar größere Blätter zur Seite und versuchte etwas zu erkennen. Aber erst, nachdem er mit zwei Schritten ganz ins Dickicht untergetaucht war formte sich aus dem Dunkel vor ihm eine Gestalt.
Eine extrem hellhäutige Gestalt. Fast schon weiß. Und im Gegensatz dazu, in irgendwas schwarzes gehüllt. Adam selbst war übrigens nackt. Schamgefühl war ihm fremd.
„Wer bist du? Gott hatte mir versichert, ich wäre der einzige Mensch auf Erden.“
Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht des Fremden.
„Der bist du ja auch, mein Lieber. Ich bin das, was ihr Menschen irgendwann Vampir nennen werdet. Nun ja, eigentlich nicht mehr... Ihr werdet keine Chance mehr haben, euch einen Namen für unsereins zu überlegen. Nach dem heutigen Tag wird es nur noch mich geben. Und ich werde Gott dazu bringen, mir ein weibliches Gegenstück aus einer meiner Rippen zu formen und gemeinsam werden wir diesen Planeten ausschließlich mit Vampiren bevölkern!“
Seine Stimme war immer lauter geworden und am Schluss war er sogar aufgestanden und hatte die Hände in Richtung Blätterdach erhoben. Sehr theatralisch, das Ganze.
„Außer du gewinnst gegen mich im Schach.“
Verwirrt schüttelte Adam den Kopf.
„Aber... ich hab doch keine Ahnung, was Schach überhaupt ist!“
Noch immer grinsend kam der Vampir näher.
„Na, umso besser! Doch ich will ja nicht so sein. Halt still und ich werde die Regeln für dieses wunderbare Spiel in dein Gehirn drücken. Na ja ... zumindest ein paar davon ...“
Der „Vampir“ kam ganz nah an ihn heran, umfasste mit Daumen und Zeigefinger Adams Stirn und drückte auf seine Schläfen . Ziemlich fest.
„Aua! “
Adam wich zurück und hielt sich die heiß gewordenen Stellen an seinem Kopf.
„Das tat weh!“
„Ja, aber dafür bist du jetzt ein wenigstens halbwegs annehmbarer Gegner. Los, lass es uns endlich spielen: Das letzte Spiel deines Lebens!“
Adam folgte dem Vampir und tatsächlich erschien ihm dieses Schwarzweiße Feld mit den Schwarzweißen Figuren nicht mehr ganz so fremd.
Selbstverständlich setzte er sich auf die Seite mit den weißen Figuren.
Doch noch bevor der Vampir ihm gegenüber Platz nehmen konnte öffnete sich das Blätterdach über ihnen, der Adam wohlbekannte Lichtstrahl fuhr herein, traf auf seinen Gegenüber und verwandelte ihn in ein Häufchen Asche.
Mist! Da hatte Adam einmal einen Freund gefunden und schon musste Gott ihm alles vermiesen!
„Adam! Kann man dich denn nicht mal eine Stunde aus den Augen lassen! Bist du dir denn überhaupt dessen bewusst, was du da gerade tun wolltest?“
Na, aber sicher war er das!
„Ich wollte gerade eine Partie Schach mit meinem neuen Freund spielen. Aber jetzt hast du ihn ja vernichtet! “
Mensch, was war Adam wütend auf Gott! Seit einer halben Ewigkeit hatte er sich die Zeit nur mit diesen dämlichen Tieren vertreiben müssen und nun, da endlich einmal jemand hier zumindest schonmal seine Sprache gesprochen hatte war Gott wieder der Spielverderber.
„Natürlich habe ich das! Adam, Vampire sind böse. Er hätte dich und damit alles was mir von meinem bisherigen Werk noch geblieben ist vernichtet. Und du hättest es auch noch arglos zugelassen. So viel Dummheit muss bestraft werden! “
Der Lichtstrahl fuhr in Adams Brust, trennte ihm eine Rippe heraus und verschwand damit wieder im Himmel. Es hatte überhaupt nicht weh getan und er war auch nicht verletzt. Eher verdutzt.
„Und ... was machst du jetzt damit?“
„Ich brauche jemanden der dich im Auge behält, wenn ich mal anderweitig zu tun habe. Deshalb werde ich dir Eva als deine Frau erschaffen. Das hätte ich schon lange tun sollen."
Aus der einzelnen Wolke die am ansonst recht blauen Himmel stand drangen erste Hammerschläge.
"Du wirst ihr überall hin folgen müssen. Darfst ihr nie widersprechen und musst ihr all ihre Wünsche erfüllen. Dein Wohlergehen wird von ihrem abhängen. Machst du sie wütend wird es dir schlecht ergehen …. Und eigentlich zu allen anderen Zeiten auch. Bis an dein oder ihr Lebensende. Strafe muss schließlich sein ...“