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- Anmerkungen zum Text
Fedka hatte früher bereits einen kurzen Auftritt in dieser Geschichte
Schattenfedka
Auf dem Trampelpfad liegt eine Leiche … die Birken tanzen wie dumm … gehetzte Gedanken. Ich packe zu, als könnte ich Bäume erdrosseln, wenn ich nur wollte.
In meiner Vorstellung geht hier einer lang. Mit kläffendem Köter. Mit Hut auf und Stock in der Hand, und er sieht alles, er denkt sich seinen Teil und tritt dem Tier in die Flanke, dass es winselt und dann die Schnauze hält. Höchstens kurz knurrt, ihn kurz hasst und ihm dann doch wieder aus der Hand frisst, wenn sie daheim angekommen sind, wenn der Mann den Stock abgelegt, den Hut aufgehängt und seiner Frau erzählt hat, was er gesehen hat. Während er in Wahrheit ihr in die Flanke treten will. Weil sie so dumm glotzt, mit offenem Maul. Dass die Fliegen schon schauen, ob man da wohnen kann, in dem dummen Loch. Tausend Mal hat er ihr gesagt, dass sie aussieht wie ein Fisch an Land, und trotzdem.
Und dasselbe, immeroffene Maul erzählt die Sache dann weiter und in Halm wird man denken: Das war der Fedka. Der nachts durch die Fenster steigt. Doch so schlau wie sie sind, so dumm sind sie, das Geld steckt in den Kaffeedosen oben im Schrank oder in den Socken ganz unten, und in den Kneipen erzählt man sich, der Fedka, der hat mal wen erdrosselt, und keiner da will der nächste sein. Der Schattenfedka, hat mal einer gelacht, und dabei doch ein bisschen Angst gehabt.
Ach wirklich.
Hör ich ihn sagen.
Nicht: Ach wirk-lich, wie andere.
Sondern: Ach!
Wir!
Klich
Komma
Pünktchen Pünktchen Pünktchen,
und ja, wirklich, du dumme Sau, will ich’s ihm am liebsten entgegenspucken, halte mich aber gerade noch zurück und lächle bloß. Will mir dann aber doch noch an den ins Gesicht gezogenen Hut greifen oder mit den Achseln zucken, eine kleine Geste, um die Leere zu füllen, nur sagen will ich nichts. Weil ich schon spüre, wie die Lippe zu zittern beginnt, und was da rauskommt, wird ihn nicht überzeugen, so viel weiß ich, so weit bin ich noch bei Verstand.
So, so, verwandt mit der Hedda.
Die, wo verschwunden ist, nä.
Die.
Ja, die, nick ich bloß und nehm mein Lächeln zurück.
Nä.
Dann.
Weißte ja, wo se steht. Der ihre Hütte.
Nä.
Weiß ich. Sag ich leise. Etwas zu hoch.
Und da grinst er, und kurz überlegt er noch, etwas zu sagen, bevor er abhaut. Bevor ich ihm den Hals umdrehen kann.
So eine Hütte ist gut. Zu lang darf man da nicht bleiben, aber für ein paar Nächte ist sie schon gut, denn immer nur unterwegs zu sein, kann einen aufreiben, vor allem jetzt, in meiner Lage, so hungrig. Weil man dann wird wie eine Maus, auch so ängstlich, da kann es dann irgendwo knacken im Unterholz und man kriegt den Rest der Nacht kein Auge mehr zu, weil man sich Dinge ausmalt, die es gar nicht gibt, Dinge, die nach einem greifen und einen unter die Erde ziehen wollen, Hände zum Beispiel, die zwischen den toten Blättern auftauchen, und dann strampelt man sich einen ab und schlägt um sich und kriegt gar nicht mit, dass man sich die Sache nur eingebildet hat. Aber dass der Kerl misstrauisch war, das weiß ich. Dafür war der ja auch zu dumm, als dass er einem was vorspielen könnte. Was nichts daran ändert.
So eine Hütte ist gut, weil einen dort keiner stört, eigentlich, aber jetzt klopft es gegen die Tür. Und manchmal hilft es dann, sich totzustellen. Oder taub. Aber nur, wenn keiner weiß, dass man da drinnen ist. Aber jetzt steht der Kerl von eben ja vor dem Fenster und sieht mir direkt in die Augen und tippt gegen das milchige Glas und zeigt sogar auf mich, wie ich da auf dem Stuhl sitze, und dann Richtung Tür, und da hilft es dann auch nichts mehr, sich taubzustellen, da muss man aufmachen.
Hm?, frag ich bloß und sehe schon, dass es jetzt zwei sind. Die aussehen, als würden sie sich ein Gesicht teilen.
Der Kuno hier, sagt der eine und zeigt auf den anderen.
Nä.
Wollt mal Tach sagen.
Tach, sagt der, der Kuno heißt.
Verwandt mit der Hedda, nä?
Die wo verschwunden is’.
Demletzt.
Frau wie'n Baum.
Runzeln wie Rinde.
Hat nie was gesacht von Verwandten.
Aber man sieckt’s ja.
Nä.
Im G’sicht.
Genau wie d’ Hedda’n ihrs.
Grinst er.
Ja, sag ich.
Lässt sich net verheimlich’n, sagt der eine.
Hehe, der andere. Nä. Des ging net. Verheimlich’n.
Nä.
Und ich merke, wie der Boden wegsackt und muss mich festhalten am Türrahmen und die beiden stehen einfach nur da und ich bin mir jetzt sicher, dass sie Brüder sind mit ihren spiegelgleichen, leeren Visagen und dem strähnigen, dreckbraunen Haar, das überall absteht, hinten am Wirbel und vorne links rechts, und ich merke, wie meine Finger sich in den Türrahmen graben und höre es leise knacken, so fest, wie ich zupacke, und so geschärft, wie die Sinne jetzt sind, und da höre ich mich sagen:
Und jetzt verpisst euch, alle beide, bevor
Komma
Pünktchen Pünktchen Pünktchen,
aber es war wohl doch nur der Hunger, vermutlich, ich hab’s wohl nicht echt gesagt, denk ich, denn die Kunos stehen ja da und gucken und sonst nichts, und da wird auch mein Blick wieder klarer: Der Vorhang teilt sich, schiebt sich beiseite, und ich sehe jetzt auch an den beiden vorbei, sehe die anderen und wie sie schauen und kauen, im Gleichtakt, wie die Kühe, die sie vielleicht sogar sind. Jetzt verschwimmt ja doch vieles, vermengt sich, jetzt steh ich hier und gleichzeitig liege ich da, auf dem Trampelpfad, und erdrossle einen Menschen, der dann nach mir greift, von unter der Erde, im Wald. Aber jetzt, jetzt ist der entscheidende Moment, jetzt kommt es drauf an, jetzt einatmen,
jetzt ausatmen
und:
Ich glaub, ich leg mich mal hin
Komma
lange Reise
sagen, und dann leise die Tür zu,
nicht knallen,
noch kurz lächeln,
nicht fallen,
aber doch
, …
Ich erwache und betrachte die Hütte von unten. Die Maserung an den Stühlen und dem Tisch und den Schränken. Fein schwappende Wellen. Leise säuselnder Wind. Die Stimme, die zu mir spricht.
Bist du jetzt wach.
Da unten.
Hast mich erschreckt.
Konnte ja nicht ahnen, dass jemand kommt.
So wie’s hier aussieht.
Willst du nicht hochkommen.
An den Tisch.
Zu mir.
Bevor das Essen kalt wird.
Und ich stütze mich auf die Unterarme und dann auf die Hände.
Guten Morgen, sagt der Kopf,
nur ein Schatten vor dem Fenster dahinter.
Bloß ein Schatten,
der da sagt,
ich helf dir hoch,
und mir den Arm reicht,
ich bin die Hedda
und ich greife die Hand
und richte mich auf.
Jetzt iss.
Dann können wir reden.
Und ich esse und kann mich nicht zügeln, ich verbrüh mich. Der Schatten steht auf. Geht zum Herd. Rührt im Topf. Damit das Warme hochsteigt, sagt er. Aber diesmal langsam, nicht wieder verbrennen, sagt er, als er die Schüssel vor mir abstellt.
Das Licht wandert.
Jetzt seh ich ihn ganz.
Ein Gehetzter wie ich,
noch so jung,
trotz Bart,
und was er in mir sieht,
kann ich mir denken,
noch bevor er es sagt:
Einsam hier, nä.
Nicht viel Besuch.
Und kalt
so allein.
Da hilft auch keine Grütze,
noch mehr?
Nein?
Na dann.
Na und dann
früh am Morgen
will er mir
etwas zeigen,
die Birken
und wie sie tanzen
auf dem Pfad
tief im Wald.
Doch er irrt
wenn er denkt
er könnte Bäume
erdrosseln,
ich bin stark,
ich bin Hedda,
eine Frau
wie ein Baum,
trotz den Runzeln wie Rinde
und dem offenen Maul
bin ich zärtlich
leg die Finger
um den Stamm
sanft,
und er mag,
was er spürt,
spürt erst dann
Angst.
Und ich tanz
mit den Birken
und vor mir
liegt er.
Mit offenen Augen.
Mit Augen
so leer.