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Schatzsuche
Robin huschte den Bäumen entlang und suchte nach einem Hinweis. Da! Ein weiterer Schuh auf dem Pfad, er war also auf dem richtigen Weg. Vorsichtig sah er sich um. Folgte ihm jemand? Oder versteckten sie sich womöglich hinter einem Baum und warteten nur, bis er vorbei schlich, um ihm dann in den Rücken zu fallen? Lautlos hob er seine Pistole und machte sie schussbereit. Was solls, dachte Robin, er rannte bestimmt schneller als all seine Mitstreiter und er traf das Ziel meistens mit dem ersten Schuss.
Plötzlich hörte er Schritte. Jemand war ihm offenbar dicht auf den Fersen. Er musste sich beeilen, sonst würde der Verfolger ihn aufholen. Robin rannte so leise es ging über das Laub.
Einige Zeit später gabelte sich der Pfad und Robin wusste nicht, welchen Weg er einschlagen sollte. Wo war bloss das Zeichen, das ihm die Richtung wies? Ein Ast knackte und Robin fuhr herum. Ein Sumpfmonster sprang aus dem Gebüsch, richtete seine Pistole auf Robin und feuerte.
Robin wich blitzschnell aus und schoss zurück. Ein triumphierendes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er feststellte, dass es offenbar schwer getroffen in die Knie brach. Er richtete die Pistole auf den Kopf des Sumpfmonsters und knurrte: „Jetzt hat dein letztes Stündchen geschlagen, du Scheusal!“
Doch das Monster lachte nur, schlug Robins Hand weg und sagte: „Schon gut Robby, du hast mich besiegt. Ich verrate dir nun, wo's weiter geht: Nimm den linken Pfad und suche nach einem Zeichen. In seiner Nähe wirst du eine Schatzkarte finden.“ Dann verschwand es wieder hinter dem Gebüsch.
Zufrieden mit sich selbst rannte Robin in die Richtung, die ihm gewiesen worden war. Das Spiel gefiel ihm. Er fühlte sich wie James Bond, obwohl die Waffe in seiner Hand nur mit Wasser geladen war. Und das Sumpfmonster war ja eigentlich gar kein Monster, sondern nur ein verkleideter Pfadilagerleiter.
Robin wollte die Schatzkarte unbedingt vor den andern Pfadfindern aufstöbern.
„Wahrscheinlich scheiden die meisten sowieso vorher aus, weil sie getroffen oder gefressen werden“, dachte Robin und lachte in sich hinein. Diesmal würde er derjenige sein, der den goldenen Pin bekam und von allen bewundert wurde; da war er sich schon fast sicher!
Robin kam an den Fluss. Plötzlich blieb er abrupt stehen. Am Ufer hing ein Bikini an einem Baum über dem Wasser. Ob das wohl der Hinweis sein sollte? Er war ja an einem Fluss, da wäre ein Bikini ein logisches Zeichen. Robin näherte sich dem Baum – und erspähte Bob, der am Fuss des Baumes mit seiner kleinen Schaufel eifrig in der Erde wühlte.
Was? Bob war schneller hier gewesen als er? Unglaublich!
Leise schlich er sich an Bob heran. Als er direkt hinter Bob stand, schrie Robin drohend: „Hände hoch, oder ich schiesse!“ Bob erschrak so sehr, dass er tatsächlich die Hände in die Höhe riss. Als Robin das verdatterte Gesicht seines besten Freundes sah, fing er lauthals an zu lachen. Dem hatte er es gezeigt! Bob warf Robin zunächst einen vorwurfsvollen Blick zu, klopfte ihm dann aber wohlwollend auf die Schulter.
Robin und Bob spielten niemals gegeneinander und so war auch ohne Worte sofort klar, dass sie die Schatzsuche nun gemeinsam fortsetzen würden.
Beide gruben jetzt wie wild in der lockeren Erde beim Bikini-Baum. Schliesslich zog Robin freudestrahlend eine Glasflasche aus dem Dreck: In der Flasche steckte die Schatzkarte! Neugierig zogen sie die Karte aus der Flasche und begutachteten sie. Um das Versteck des Schatzes zu finden, mussten sie nun dem auf der Karte eingezeichneten Weg folgen.
Sie halfen sich gegenseitig über umgestürzte Bäume und andere, wohl von den Pfadileitern aufgestellte Hindernisse und sie gaben sich Deckung bei weiteren Wassergefechten mit plötzlich auftauchenden Monstern. Endlich kamen sie auf die Lichtung, die auf der Schatzkarte mit einem roten Kreuz markiert war. Jetzt galt es, ein Kreuz irgendwelcher Art zu suchen, das ihnen die genaue Lage der Schatzkiste verriet. Um Zeit zu gewinnen trennten sich Robin und Bob; jeder suchte einen anderen Teil des Platzes ab.
Es dauerte gar nicht lange, da jubelte Robin: „Bobby, komm her! Ich habe ein Kreuz gefunden!“ Robin zeigte Bob das fein eingeritzte Zeichen, das er an einem Baumstamm entdeckt hatte. „Das muss die Stelle sein! Bestimmt ist der Schatz hier vergraben!“
Eifrig buddelten die zwei Freunde in der Erde, bis sie auf einen festen Gegenstand stiessen: die Schatztruhe! Sie bargen ein Kästchen, mussten aber enttäuscht feststellen, dass es abgeschlossen war. Komisch! – Dass man auch einen Schlüssel finden musste, hatten die Leiter nicht gesagt.
Robin und Bob beschlossen die Umgebung genau abzusuchen, in der Hoffnung den passenden Schlüssel auch noch zu finden. Und tatsächlich, nicht weit vom Baum mit dem Kreuz entfernt, fand Bob im Waldboden ein Kreuz aus Steinen gelegt. War hier der Schlüssel vergraben? Die beiden scharrten in der Erde und bald trafen sie auf etwas Hartes. Noch eine Schatztruhe? Eifrig legten sie das Ding frei.
Zum Vorschein kam eine weitere Kiste, etwas grösser als die vorherige. Ob da der Schlüssel drin war? Erleichtert stellten Robin und Bob fest, dass diese Kiste nicht verschlossen war. Sie hoben den Deckel: Unglaublich viele goldene Schokoladenmünzen funkelten ihnen entgegen! Ausserdem fanden sie zwischen den Münzen eine goldene Pfeife und den ansteckbaren Pin mit dem Kennzeichen ihrer Pfadi und der Aufschrift: Sieger der Schatzsuche, Pfadilager 2009. Bob griff sich die goldene Pfeife. Wie mit den Leitern vereinbart pfiff er kräftig: zweimal kurz, einmal lang. Dies war das Signal für alle Teilnehmer, dass der Schatz entdeckt worden war. Jetzt würden die Leiter alle Pfadfinder zusammentreiben und hierherkommen, um die Sieger zu ehren!
Vor Freude über den gefundenen Schatz dachten die beiden gar nicht mehr an die geheimnisvolle erste Kiste.
Bald stürmten die ersten Pfadfinder und Leiter zu ihnen, um zu gratulieren. Die beiden Freunde wurden bewundert und auch ein wenig beneidet. Als alle Pfadfinder und Leiter eingetroffen waren, wurden die Sieger speziell gelobt: Die Leiter freuten sich, dass nicht ein Einzelkämpfer gesiegt hatte, sondern ein Zweierteam. Insgeheim hatten die Leiter sogar gehofft, die Kinder würden erkennen, dass man ein Ziel manchmal schneller erreicht, wenn man zusammenarbeitet. Für diesen Fall hatten sie zum Voraus einen zweiten Pin gravieren lassen, so dass nun beide Sieger eine Auszeichnung mit heimnehmen konnten.
Robin und Bob strahlten. Sie waren die bewunderten Helden des Tages. Es war toll, mal so im Mittelpunkt zu stehen!
Plötzlich erinnerten sich die beiden an die verschlossene Kiste. Sie holten sie in den Kreis der Versammelten und fragten die Leiter nach der Bedeutung dieses Dings. Die Pfadileiter staunten erst mal, denn sie hatten dieses Kästchen nicht versteckt. Aber wenn es nicht die Pfadi gewesen war, wer dann? Wo war der Schlüssel dazu und was mochte wohl drin sein?
Es gab eine hitzige Diskussion, was damit zu tun sei. Die Leiter entschieden schliesslich, die Kiste nicht aufzubrechen, da sie ihnen nicht gehörte. Die Pfadikinder waren enttäuscht; sie hätten zu gerne gewusst was drin war. Doch die Erwachsenen hatten das letzte Wort und so mussten sie das Kästchen genau dort wieder eingraben, wo sie es gefunden hatten.
In der Nacht, als alle in den Zelten schliefen, lag Robin wach in seinem Schlafsack. Die verschlossene Schatzkiste liess ihm einfach keine Ruhe. Vielleicht war es ja der uralte Schatz von Flusspiraten, gefüllt mit echten Goldmünzen und Edelsteinen! Und da es heute keine Flusspiraten mehr gibt, würde die Schatztruhe einfach vermodern. Aber er, Robin, könnte durch den Inhalt reich werden. Diese Chance durfte er sich nicht entgehen lassen!
Plötzlich hielt es Robin nicht mehr aus; er musste das Schmuckkästchen holen und aufbrechen, sonst würde er vor Neugierde platzen. Leise schälte er sich aus seinem Schlafsack und öffnete das Zelt. Aber als er draussen in der kalten Finsternis stand, machte es ihm doch ein wenig Angst, allein in den unheimlichen, dunklen Wald zu gehen. Robin überlegte nicht lang. Er schlich zu Bobs Schlafsack und weckte ihn. Bob knurrte zunächst mürrisch, doch als er von Robins Plan hörte, war er sofort hellwach. Natürlich wollte er dabei sein!
Bei jedem Geräusch fuhren die Freunde zusammen. Sie hatten Angst, bei ihrem nächtlichen Ausflug erwischt zu werden. Und sie waren total aufgeregt. Was für ein Abenteuer!
Die Stelle, an der das verschlossene Schmuckkästchen vergraben war, fanden sie schnell wieder. Im Schein der Taschenlampe gruben sie es erneut aus. Schon hielten sie es in den Händen. Aber wie sollten sie das Kästchen öffnen? Das kleine Vorhängeschloss sah nicht sehr widerstandsfähig aus. Vielleicht liess es sich mit Steinschlägen aufbrechen? Und siehe da, es klappte. Beim elften kräftigen Schlag zerbrach es. Neugierig hoben sie den Deckel. Sprachlos, mit grossen Augen, starrten sie auf den Inhalt.
„Was ist denn das?“, fragte Bob als er seine Sprache wieder gefunden hatte. „Keine Ahnung. Meinst du es ist etwas Wertvolles?“, antwortete Robin.
„Wenn es nichts wert wäre, hätte sich doch kaum jemand die Mühe gemacht, es in einer Kiste verschlossen hier zu vergraben, oder?“
Da musste Robin Bob Recht geben. Sie einigten sich darauf, den Inhalt mitzunehmen und die leere Kiste wieder zu vergraben. Dann schlichen sie zu ihrem Zelt zurück und versteckten den Schatz in Robins Rucksack.
Am nächsten Morgen beim Packen für die Heimreise waren Robin und Bob ziemlich nervös. Wenn die Pfadileiter den Schatz entdeckten, würde es ein grosses Donnerwetter geben. Bestimmt hätten sie kein Verständnis dafür, dass Robin und Bob die Kiste vor lauter Neugierde doch noch geöffnet hatten.
Die beiden waren heilfroh als das Gepäck verstaut war und sie im Car sassen. Sie hatten vereinbart, daheim Robins Eltern nach dem Wert des Schatzes zu fragen, denn diese nahmen sich immer Zeit für ihre Kinder und waren sehr nett.
Doch als Robin und Bob vor den Eltern standen und ihnen den Schatz zeigten, kam alles ganz anders als sie es sich vorgestellt hatten.
Beim Anblick des Schatzes fielen den Eltern fast die Augen aus dem Kopf. Einen Moment lang waren beide sprachlos.
Dann entriss der Vater Robin den Schatz und schnauzte beide an: „Wo, um Himmels Willen, habt ihr das her?“ Robin und Bob, erschrocken über den scharfen Ton des Vaters, standen da wie versteinert. Doch das schien den Vater nur noch wütender zu machen. Er packte Robin an den Schultern und schüttelte ihn kräftig. „Wer zum Teufel hat dir dieses Zeug gegeben? Antworte!“ Robins Augen füllten sich mit Tränen. Was war denn so schlimm, dass Vater grob wurde?
Da ergriff die Mutter das Wort: „Komm, lass ihn los. Er weiss vielleicht gar nicht, was das ist!“
„Darum wollten wir es euch ja zeigen, um zu fragen ob es wertvoll ist“, sagte Bob mit zittriger Stimme.
„Wertvoll?! Natürlich ist es wertvoll! Ausserdem ist es illegal!“, ereiferte sich der Vater.
„Schatz, vielleicht rufst du jetzt besser die Polizei. Ich versuche inzwischen Genaueres von den Jungs zu erfahren, okay?“, meinte die Mutter.
Kopfschüttelnd drehte sich der Vater um, schnappte sich den Telefonhörer und verschwand im Zimmer nebenan. Robin und Bob bekamen es mit der Angst zu tun. Polizei? Mussten sie jetzt etwa ins Gefängnis?
Die Mutter schaute Robin und Bob eindringlich in die Augen und bat sie mit ruhiger Stimme: „Erklärt mir bitte mal genau, wie ihr in den Besitz dieses Zeugs gekommen seid.“
Robin und Bob spürten, dass es sicher nicht klug wäre, der Mutter eine Ausrede aufzutischen. Deshalb erzählten sie die ganze Geschichte wahrheitsgetreu.
Der Mutter fiel ein Stein vom Herzen. Sie machte den beiden Kindern klar, dass das, was sie da gefunden hatten, zwar etwas Wertvolles war, aber auch sehr gefährlich sein konnte und sie deshalb die Polizei beiziehen mussten. Sie erklärte, dass es sich bei dem Pulver wohl um Drogen handle, die viele Menschen ins Unglück stürzten, weil sie davon süchtig würden – und dass man an einer Überdosis sogar sterben könne. Ausserdem sei der Besitz und Handel mit dem weissen Pulver strafbar. Als Robin und Bob dies alles erfuhren, waren sie heilfroh, dass sie nicht versucht hatten, das Zeug selber zu verkaufen.
Robin und Bob wurden nicht verhaftet. Die Polizei fragte die Jungs genaustens über die ganze Sache aus und lobte sie dafür, dass sie das Pulver den Eltern gezeigt hatten.
Die Lichtung im Wald wurde von Stund an polizeilich überwacht und nach wenigen Wochen konnte ein Dealer festgenommen werden, als er sich am Versteck zu schaffen machte. Für die zwei Freunde gab es eine Menge Lob und sogar eine Belohnung.