Scheidungsgründe
Scheidungsgründe
„Was machst du da?“ ertönt es hinter mir, gefolgt von einem schmierig klingendem Raucherhusten und dem obligatorischem Schluckgeräusch.
„Ich schmier mir ein Brot.“ kläre ich ihn auf, ohne mich bei meiner Tätigkeit stören zu lassen. Stattdessen verteile ich den Aufstrich in aller Ruhe so, dass er eine gleichmäßige Schicht bildet, auf der man hätte schreiben können.
„Und was ist das?“ Ein behaarter Unterarm greift an meiner Seite, unter dem angewinkelten Arm, vorbei, damit der ausgestreckte Zeigefinger auf die Mitte des Tellers deuten kann. Beinahe berührt der überlange Fingernagel mein Abendessen.
„Leberwurst.“ lautet meine Antwort.
‚Sieht man doch.’ denke ich.
„Alter! Das ist ja eklig!“
Langsam wende ich meinen Kopf, so dass ich ihn aus den Augenwinkeln heraus sehen kann.
„Wo liegt dein Problem?“
„Das ist ja fast mehr Belag als Brot.“ meint er, mit nach oben gehender Stimme, und rückt sich die, von Fingerabdrücken übersäte, Brille zurecht, in deren Seitenbügeln sich ein paar graue Strähnen verfangen haben. Eine davon zupfe ich, den Oberkörper mit möglichst geringem Bewegungsaufwand drehend, los.
„Ein gutes Leberwurstbrot wird nun mal auch gut geschmiert. Da darf nichts mehr vom Brot zu sehen sein.“
„Das Brot liegt hier sicher einen fingerbreit drunter!“
Ich seufze und lasse die Schulter sinken, um, bereits leicht lethargisch klingend, zu sagen:
„Ich leg ja noch ne Scheibe obendrauf.“
„Toll! Dann hast du einen Leberwurstburger!“ ereifert er sich, während seine Hände wie aufgescheuchte Tauben durch die Luft flattern. Für eine Millisekunde streifen einige der fliegenden Finger mein Ohr. Es zieht kurz, als er dabei den silbernen Ohrring erwischt. Scheiss Grobmotoriker.
„Sag mal…!“ nun drehe ich mich endlich vollständig zu ihm um, stemme eine Hand in die Hüfte und lasse die andere, die noch das Messer festhält, vor seinem Gesicht hin und her schwingen. „Hast du nichts Besseres zu tun als dich über mein Essverhalten zu pikieren!?“
„Ich find das einfach nur abartig!“
„Du musst es ja auch nicht essen!“ erwidere ich angepisst.
„Würd ich auch nicht tun! Dafür habe ich meine Herzkranzgefäße viel zu lieb gewonnen.“ entgegnet er, das stoppelige Kinn forsch nach vorne streckend.
„Schön für dich!“
Als er daraufhin kein Contra mehr gibt, beende ich mein essbares Meisterwerk indem ich noch etwas Petersilie auf die graurosa Masse streue. So sieht es einfach schöner aus. Das Auge isst ja mit.
Den Teller auf die flache rechte Hand legend, wühle ich im Vorratsschrank herum, um anschließend ein Glas Nutella und ein Einmachglas mit Essiggurken hervorzuziehen, die beide neben das Brot auf den Teller gestellt werden.
Dann quetsche ich mich, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, an ihm vorbei, um mein Essen ins Nebenzimmer zu jonglieren.
„Und was ist das!?“ ruft er mir nach, abermals auf den Teller deutend, doch dieses Mal auf die beiden Gläser bezogen.
„Nachtisch!“
Fin