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Schmidt

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23.02.2010
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Schmidt

Ich stoße nichts ahnend die Tür des Zeitschriftenladens auf, begegne ihm im Durchgang unter einem verspielten Mobile, das für lungenkrebsfördernde Genussmittel wirbt, und schaue ihm unvermittelt ins Gesicht. Sein Blick springt über meine Erscheinung, doch möglicherweise kann er mich nicht mehr einsortieren. Vielleicht klemmen die Schubladen in seinem Hirn, vielleicht sind sie schon vom Holzwurm zernagt, vielleicht weigert sich sein doch noch intaktes Hirn einfach nur, mich zur Kenntnis zu nehmen. Vielleicht ist er einfach nur abgebrüht. Ich weiß es nicht. Ich spüre, wie mir seine körperliche Nähe Unbehagen bereitet. Längst verdrängte Erinnerungen schlagen direkt aus meinem Kopf und peitschen mein Herz, das unter diesen Hieben zu rasen beginnt. Flucht, nur Flucht, ist mein Gedanke.
Bilder stürzen auf mich ein. Schmidt mit seiner Kaiser-Wilhelm-Frisur, seinen ewig stinkenden Zigarillos, die ihm offenbar bis jetzt nichts anhaben konnten, seinem arroganten, verachtenden Blick, seiner so oft erhobenen rechten Hand, mit der er, gleich einem selbsternannten Zuchtmeister, Backpfeifen verteilt. Schmidt mit seinen Schweinebacken, wie er mich auch mit Worten erniedrigt, beleidigt, in den Dreck zieht - seine Backen passen zu seinem Charakter. Schmidt an meinem letzten Schultag, wie er alle Schüler mit Handschlag verabschiedet und mich demonstrativ übersieht. Schmidt, ein Erwachsener, der sich ein Kind zum Feind machen konnte, dem es gelang, es in Selbstzweifel zu stürzen und ihm ein negatives Selbstbild einzupflanzen. Ein Zerrbild, das es später mühsam von seinem Ich kratzen musste, nachdem es endlich Schmidts Einfluss entzogen war. Schmidt, der Menschenfeind, mein Feind.
Und dennoch bin ich in der Lage, äußerlich ruhig an ihm vorbei zu gehen. Ich kaufe meine Illustrierte, gehe hinaus und überhole ihn, ohne ihn noch eines Blickes ist zu würdigen. Nicht meine Ehrfurcht vor dem Alter, sondern das Gefühl, ihm stets überlegen gewesen zu sein, ohne es früher nur begriffen zu haben, hält mich von einer verbalen Attacke ab. Wenn er mich erkannt haben sollte, ist Nichtachtung Strafe genug.
"Schmidt ist vor drei Monaten verstorben, aber der Buermann ist eingeladen. Der will so um Sieben kommen."
Diejenigen, die das Klassentreffen organisierten, waren früher schon verlässlich. Organisatoren, Buchhaltertypen, kühle Rechner. Jeder erzählt seinen Lebenslauf, man staunt oder hat es ja schon immer gewusst, was aus den Einzelnen wird. Dennoch meint man schließlich, ich habe den Vogel abgeschossen, ist doch die Diskrepanz zwischen damals und heute bei mir besonders groß und eine positive Überraschung.
Irgendwann sind auch die Pauker Gegenstand der Erörterung. Einer erinnert sich an Schmidt, der zwar oft Backpfeifen verteilt habe, aber doch stets "Fünfe gerade" sein ließ.
Du mit deiner Kettenhundmentalität hast dich nie verändert, denke ich und kippe ihm beinahe mein Bier über die Hose - zufällig? Es hatte plötzlich schal geschmeckt.

 

Salve Fischkopp und herzlich willkommen auf KG.de,

in diesem Text zeichnest Du das Bild eines grundunsympathischen Protagonisten, der sein mickriges Ego mit bemitleidenswerter Arroganz aufpolstern muss, und in kindlich-kleingeistiger Manier dem ehemaligen Mitschüler die Rache angedeihen lässt, die eigentlich Schmidt gilt.

Erzählerisch ist der Text ziemlich mager, an keiner Stelle tauchst Du wirklich ins Geschehen ein, die Figuren, das Vergangene, über alles huscht der Ich-Erzähler hinweg, schlimmer noch, das wenige, was ich erfahre, wird durch sein ewiges Lamento überkleistert.
Dabei würde es z.B. der Figur Schmidt viel mehr Tiefe geben, wenn es zu einer Szene mit Dialog und Handlung zwischen ihm und dem Protagonisten käme, wenn die Behauptung, schmidt sei der ewige Sadist, durch die Erinnerungen des Klassenkameraden gebrochen würde, oder wenn man wenigstens einen Grund erführe, warum der Lehrer sich gerade diesen Schüler als Mobbingopfer ausgesucht hat.

Auch sprachlich bietet der Text keine großen Überraschungen, was nicht bei jeder Geschichte sein muss, aber gerade hier, bei dieser Kürze des Textes, mehr Würze bringen würde.

Schade drum. Aus dem Thema hätte man mehr machen können, vor allem hätte ich dem Prot ein paar positive Charakterzüge gegönnt. ;)

LG, Pardus

 

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