Hallo @Katta , @linktofink -- danke für eure Anmerkungen und die Aufmerksamkeit!
mir gefällt deine Geschichte im flash-fiction-Format, da sind viele gute Ideen drin, das Stockwerkzählen, der andere Sprungkandidat, das Aneinander-Festhalten, der Zettel im Papierkorb.
Danke.
Was mir beim ersten lesen direkt auffiel, ist die Zeit. Bis auf den letzten Absatz ist alles in Präteritum gehalten, zuletzt wechselst du zum Präsens. Mich hat das ein wenig vom Text ferngehalten, ich persönlich fände den ganzen Text im Präsens näher und unmittelbarer, zumal du die Gedanken schon im Präsens hast, da findet ein ständiger Wechsel statt, der dem Text mMn nicht hilft. Ich finde Präteritum oft etwas betulich, hier auch.
Ja, genau. Die Idee kam mir spät. Um kurz auszuholen, ich wollte mal anders vorgehen als ich es sonst mache und viel über Klang, Konnotation, Assoziation, Bilder, Gefühl vermitteln; klingt etwas blöd, aber sozusagen mehr die rechte Gehirnhälfte adressieren. Darin bin ich nicht sehr gut, daher ist es ein Versuch.
Wie du es sagst, das Präteritum ist 'betulich' und genau deshalb wechsle ich am Ende ins Präsens -- damit ich ab der Stelle, wo sie den Tod hinter sich lassen, lebendiger, unmittelbarer, präsenter klinge als vorher. Und das ist der Grund, warum ich nicht alles im Präsens schreibe -- weil ich dann den Wechsel nicht mehr hätte, den Zoom ins Jetzt. Das soll sozusagen darüber den Eindruck erwecken, dass die Frau wieder mehr in der Welt ist (daher auch nimmt sie die Schneeflocken sinnlich wahr, das ist Neuschnee, es passiert wieder was -- im Unterschied zum eingetretenen Schnee, den sie hinter sich lässt (der dann ein wenig das 'Vergangene', 'Unabänderliche' symbolisiert. Das muss man nicht rauslesen, das ist mehr so der Versuch, es im Hintergrund mitwirken zu lassen.
ner.
“Und wenn ich es wollte? Was dann? Wenn ich einen Grund habe, wenn …”
Könnte weg.
In meinem Ohr ist es ein sehr langsamer Text. Alles wird sehr stockend, zögerlich vorgetragen. Ich wollte nur keinen Auslassungspunkte-Overkill. Da sind also Pausen drin. Und dann ... ist das ein Nachhaken, weil auch er nicht gleich antwortet.
Und wenn ich es wollte? (Pause, keine Antwort) Was dann?
Rein inhaltlich könnte es weg, da stimme ich dir zu. Vielleicht kürze ich da auch noch. Oder ich baue eine Pause rein.
Sie fragte laut: “Warum nicht? Warum nicht?
Könnte weg.
Wie oben. Zwischen den beiden Warum nicht liegt eine Pause. Vielleicht schreibe ich die noch explizit rein. Es ist wieder ein Nachhaken.
“Vielleicht”, sagte er schließlich. “Weil … es auch morgen noch geht?”
Vllt. reicht so ein kleiner Gedanke, so ein dünner Strohhalm, um da rauszukommen, vorstellbar.
Ja, ich denke, das könnte sein, weil es kleinschrittig ist. Nicht: du musst weitermachen, sondern: du könntest noch bis morgen warten. Allerdings geht auch das vermutlich allein, weil in ihr ja eigentlich der Wunsch nach Kontakt und Leben nicht erloschen ist.
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Ich verstehe nicht, warum du diese Struktur benutzt, von Erzähler und dann die GEdanken in der Ich-Form der Hauptfigur. Bei mir führt das dazu, dass ich mich wie beim PingPong fühle. Es verhindert, dass ich so richtig eintauchen kann.
Ja, das 'Risiko' ist mir klar gewesen. Da musste ich bei deinen Zeilen schmunzeln, weil es mir mit solchen Texten bis vor Kurzem ähnlich ging. Dann las ich die Geschichten einer Frau. Kurzprosa. Ich prallte vom Text ab wie von einer Wand. Verstand
nichts. Nicht mal, worum es ging.
Dann las ich das immer wieder (kurz war es ja zum Glück). Und auf einmal blätterte sich was auf. Nach dem siebten Mal sah ich, alles passte. War wie bei komplexer Musik, da gehts mir beim ersten Hören so: Was ein Durcheinander. Bis sich das fügt, und auf einmal ist es gerade wegen des scheinbaren Durcheinanders cool, weil da viel auszuloten ist.
Daher muss so eine Geschichte kurz sein, Kurzprosa.
Sollte über Bilder gehen. Ein bissl lyrisch. Das war der Versuch, also das schwebte mir vor.
Klar kann ich das auch in stringenter Perspektive einheitlich runterschreiben, das wollte ich aber eben nicht.
Der eine kann was damit anfangen, dem anderen gefällts eben nicht. Da ich bis vor Kurzem selbst in Kategorie 2 saß, ist mir das so was von einleuchtend, was du schreibst
Dass es hier und auch außerhalb einige Leute gab, denen es gefallen hat, hat mich gefreut. Ich hatte keine Prognose, ob ich damit nicht völlig durchfalle.
Wer mich ein bissl kennt, weiß ja, dass das hier ungewöhnlich für mich ist ...
SIEBEN
Maria überlegte, den Brief schon hier zurückzulassen. Brief? Sie warf einen Blick auf das Papier, das sie in der Hand hielt; kaum eine halbe Seite, drei Sätze, das war ihre letzte Mitteilung. Drei Sätze, an niemanden gerichtet.
Niemand ist mir eingefallen.
Zum einen hab ich mich gefragt, ob es nicht sinnvoll wäre, den Leser direkt zu orientieren, also dass Sieben sich auf die Etage bezieht. Ich frage mich das wohl vor allem auch, weil ich lieber orientiert bin.
Genau. Verstehe ich. Aber genau auf dieses (nennen wir es 'rational-nachvollziehbares' Erzählen) habe ich diesmal ein paar Meter weit verzichten wollen, mir dessen bewusst, dass es nicht auf Anhieb 'richtig' zu verstehen ist. Und so kam es auch. So einige haben unterschiedliche Stellen nicht aufgeschlüsselt. Das liegt irgendwie in der Natur bei so etwas, glaube ich. Dieses Fragmentarische, Unzusammenhängende, oft unlogische.
Einige Hinweise habe ich natürlich einzubauen versucht, ich wollte jetzt nicht, dass man scheitern muss. Aber ob und wie das funktioniert, da taste ich mich ja erst ran, sozusagen als Experiment-für.mich.
VIERZEHN
So endet es. Von Anfang bis Ende. Von hier nach dort.
Hatte sie einmal versucht, sich das vorzustellen?
Hier ist es umgedreht. Hier ist es, als antworte der Erzähler auf ihre Gedanken.
Den zweiten Satz werde ich vermutlich noch zu einer Aussage machen.
Der Fahrstuhl öffnete sich, sie ging die wenigen Schritte zur Tür, die aufs Dach hinausführte. Sie ging nicht gleich hinaus, sondern blickte kurz zurück, da stand er noch.
Mein letzter Begleiter; einer, der nichts hört und sieht. Der meinen blauen Lieblingsmantel nicht sieht, den ich als letzten trage, shocking blue.
Das habe ich nicht verstanden. Er stand da noch ... sagt der Erzähler, nicht sie. Und sie sagt dann, mein letzter Begleiter, einer der nichts hört und sieht. Also jemand ist mit ihr im Fahrstuhl, oder?
Nein
Der letzte Begleiter ist der, der sie nach oben gebracht ('begleitet') hat: der Fahrstuhl selbst. Eine Maschine sitzt sozusagen an ihrem Sterbebett.
Dann schritt sie zur Brüstung; sie sah die beleuchteten Fenster im Gebäude gegenüber, Lichterketten.
So ist das, hier stehe ich. Und es ist schon vorbei.
Zweiundsiebzig Weihnachten.
Und ich bin der einzige Gast. Das dritte Mal ohne dich.
Was soll das bedeuten, dass sie dort steht und es (ihr Leben?) schon vorbei ist? Müsste das vielleicht ein "Aber" sein, statt ein "Und"? also sie steht dort zwar lebendig,
aber es ist trotzdem schon vorbei, weil ihr Mann nicht mehr da ist? Zweiundsiebsiegstes Weihnachten? Sieht schrecklich aus, ich weiß, aber für mich passt die Verknüofung nicht mit "Ich bin der einzige Gast" auf allen 72?
Deine Einwände sind
logisch begründet. Die Frau ist das aber nicht, sondern in einer Konfusion von Fetzen. Erinnerungen, Empfindungen. Das Konfuse, unlogische, nicht zusammenhängend nachvollziehbare beschreibt ihr Innenleben. So war das gedacht.
Für sie ist ihr Leben schon vorbei (obwohl sie noch am Leben ist), weil sie das so
fühlt.
Das
kann objektiv falsch sein.
Jetzt war es eine Welt ohne ihn. Ganz, ganz ohne ihn, denn Erinnerungen zählten nicht.
Das ist traurig! Wird aber stärker, wenn du es bei einem Mal sagen belässt, finde ich.
Überlege ich noch. Ich habe oben
@linktofink gesagt, in meinen Ohren ist das eine sehr langsame, mit Pausen stockender Erzählweise.
Jetzt war es eine ..... Welt ohne .... ihn........... Ganz, .... ganz ohne ihn.
Dennoch, wahrscheinlich sollte ich da kürzen. Den Teilsatz braucht es ja, wie du richtig sagst, nicht 'wirklich'.
Eine Gestalt stand hinter ihr, nicht weit entfernt, groß, still.
Ist das der "er" aus dem Fahrstuhl, der sie nicht gesehen hat?
So wie ich die Szene erlebte, war der Mann schon vor ihr auf dem Dach. Aus eben dem Grund, er wollte seinem Leben ein Ende setzen. Als sie kommt, versteckt er sich, beobachtet sie, bis er merkt, was sie beabsichtigt. Nein, sie war allein im Aufzug.
Weil es auch morgen geht.
Was macht das schon, ein Tag.
Worauf bezieht sich das "Weil"? Verstehe schon, dass es nicht eilt, nur das weil versteh ich nicht.
Auf die Frage, warum sie nicht springen
muss. Die zuvor von ihr selbst so ähnlich gestellt worden war. "Warum nicht?" -- "Weil es auch morgen noch geht."
Er war also auch im Fahrstuhl, wollte auch aufs Dach, wusste wahrscheinlich erst mal nicht, was er machen sollte, jetzt, da sie mit ihren Shocking blue Mantel vor ihm durch die Tür ging (meine Interpretation, steht da so natürlich nicht).
Siehe oben.
Ja, das gefällt mir, dass sich da zwei Selbstmörder treffen und der eine die andere rettet und damit die andere auch den einen.
Genau das war die Anfangsidee für das Setting. Jeder bringt im anderen den Teil zum Vorschein, der leben will, nicht sterben will. Dass es so ist, habe ich angedeutet.
Beiden macht nur die Einsamkeit zu schaffen, und aus der kann es einen Ausweg geben (kann, nicht muss). Er läuft ja auch an Weihnachten durch die Straßen und 'schaut sich die Bäume an', das ist der Hinweis, dass auch er niemanden hat, mit dem er Weihnachten verbringen könnte.
Hast du mal versucht, den Text aus einer durchgehenden Perspektive zu schreiben? Einfach mal, um den Vergleich zu haben? Würde ja relativ schnell gehen, vermutlich
Könnte ich, aber das war ja nicht die Absicht. Wäre dennoch interessant. Mal schauen, ob ich es versuche
Ich sehe den Mehrwert dieser Zerstückelung nicht, bei mir führt es dazu, dass ich ins Stocken gerate.
Ja, wie ich schon sagte, dieses 'Stocken', dieses 'Stück für Stück', puzzle-ähnlich, das war mal mein Versuch (aber das werde ich nicht oft machen; es geht auch nur, meiner Meinung nach, bei Kurzprosa).
Ich habe auch die kursiven Einschübe separat gelesen, weil ich dachte, vielleicht ergibt sich so nochmal eine andere Geschichte oder ein Gedicht oder irgendwas, das war aber nicht der Fall ... oder hab ich was übersehen?
Das ist nicht völlig falsch. Die Passage
Ich denk zurück an viele Gesichter/
Am Himmel seh ich tausend Lichter/
Und eins nach dem anderen wird gelöscht/
ist aus einem Songtext, den ich mal für eine befreundete Band geschrieben habe. Die Idee war dann, das in den Text zu verteilen, um ihre Gefühlslage zu zeigen. (Der Song heißt 'Gespenster', ist von mir, also habe ich die Rechte).
...
Zu den weiteren Kommentaren komme ich noch, will alles beantworten...
Gruß von Flac